Erfordert der Niedrigzins eine Rückstellungsbildung für Pensionsverpflichtungen über Pensionskassen und rückgedeckte Unterstützungskassen?
Von Stefan Bäumler (Deal Advisory, Pensions | KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)
Direktversicherungen, Pensionskassen und rückgedeckte Unterstützungskassen werden für die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung häufig herangezogen. Ihr Vorteil: In aller Regel werden weder in der lokalen (HGB) noch in der internationalen (IFRS) Bilanz Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen ausgewiesen. Ist diese Vorgehensweise aber auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase noch vertretbar und korrekt?
Lokale Bilanz (HGB)
Das Handelsgesetzbuch unterscheidet Versorgungszusagen in unmittelbare und mittelbare Zusagen. Bei mittelbaren Altersversorgungszusagen wird die Versorgungsverpflichtung nicht durch den Arbeitgeber direkt, sondern unter Einschaltung eines externen Dritten erfüllt. Dies trifft insbesondere auch auf die versicherungsförmigen Durchführungswege der Direktversicherung und der Pensionskasse sowie die Unterstützungskasse zu. Aufgrund des generellen Passivierungswahlrechts des Artikels 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB braucht für eine mittelbare Verpflichtung eine Rückstellung in keinem Fall gebildet zu werden. Eine mittelbare Verpflichtung liegt auch dann noch vor, wenn das Vermögen der Versorgungseinrichtung zur Deckung der Pensionsverpflichtungen nicht mehr ausreicht. Selbst wenn der Arbeitgeber im Rahmen seiner Subsidiärhaftung, beispielsweise nach dem konkreten Ausfall von Zahlungen der Versorgungseinrichtung an die Berechtigten, einstehen muss, bleibt die Verpflichtung zunächst mittelbar. Ein Bilanzausweis nach den Vorschriften des HGB ist so lange nicht zwingend vorzunehmen, bis der Versorgungsträger sein Regelwerk mit dem Arbeitgeber ändert und seine Leistungen dauerhaft kürzt oder dauerhaft nicht mehr erbringt. Erst in diesem Fall entsteht insoweit dann eine unmittelbare Verpflichtung für den Arbeitgeber.
Internationale Bilanz (IFRS)
Anders verhält sich der Sachverhalt nach den internationalen Bilanzierungsvorschriften. IFRS unter-scheidet – unabhängig vom Durchführungsweg – zwischen beitragsorientierten und leistungsorientierten Pensionsplänen. Pläne, bei denen der Arbeitgeber festgelegte Beiträge an eine eigenständige Einheit zahlt und weder rechtlich noch faktisch zur Zahlung darüber hinausgehender Beträge verpflichtet ist, werden als beitragsorientiert eingestuft. Alle anderen Pläne werden als leistungsorientierte Pläne kategorisiert. Während für beitragsorientierte Pläne kein Bilanzausweis zu erfolgen hat, ist für leistungsorientiere Pensionspläne eine sich aus der Differenz aus Pensionsverpflichtung und Planvermögen ergebende Nettoschuld in der Bilanz anzugeben.
In allen deutschen Versorgungsregelungen sind bislang (Mindest-)Leistungsgarantien enthalten. Aufgrund der Subsidiärhaftung hat der Arbeitgeber einzustehen, wenn die zugesagten (Mindest-)Leistungen von dem externen Anbieter aufgrund seiner finanziellen Situation nicht beglichen werden können. Vor Manifestierung der Niedrigzinsphase bestanden keine Anzeichen, dass externe Anbieter in derartige Schwierigkeiten geraten könnten. Daher war es gängige Praxis, für über Wettbewerbspensionskassen oder rückgedeckte Unterstützungskassen ausgestaltete Versorgungspläne keine Rückstellungen in den Unternehmensbilanzen zu zeigen.
Vor dem Hintergrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus stellt sich jedoch die Frage, ob diese Subsidiärhaftung wirklich nach wie vor theoretischer Natur ist. Beispielsweise ist bei rückgedeckten Unterstützungskassen die den Mitarbeitern zustehende regelmäßige Rentenanpassung nach §16 BetrAVG durch die Rückdeckungsversicherung häufig nicht garantiert. In der Vergangenheit reichte die Überschussbeteiligung in der Regel aus, um die fälligen Rentenanpassungen abzudecken. In-wieweit aber künftig bei fortwährender Niedrigzinsphase noch ausreichend Überschüsse erwirtschaftet werden können, ist zu untersuchen. Ähnlich stellt sich die Situation bei einigen Pensionskassen dar, die teilweise hohe Zinsgarantien in ihre (älteren) Tarife eingerechnet haben. Erste Leistungskürzungen bei einzelnen Anbietern haben bereits stattgefunden. Beispielsweise haben Pensionskassen keine Rentenanpassungen mehr gewährt oder dauerhaft auf die Erbringung von Invalidenleistungen verzichtet.
Kann es nicht mehr als hochunwahrscheinlich eingestuft werden, dass der betreffende Pensionsplan zu über die Beitragsentrichtung hinausgehenden Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers führen wird, ist der Plan künftig als leistungsorientiert anzusehen. Grundsätzlich kann eine Umstellung der bilanziellen Behandlung von beitrags- auf leistungsorientiert erfolgsneutral über das Eigenkapital erfolgen.
Die Begründung für diese Vorgehensweise liegt darin, dass in der Vergangenheit die Inanspruchnahme des Arbeitgebers – bspw. für durch die Rückdeckungsversicherung nicht garantierte Ren-tenanpassungen – als hochunwahrscheinlich (vgl. IDW RS HFA 50 Modul IAS 19 – M1) eingestuft wurde, die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nun aber unter Berücksichtigung der derzeiti-gen Situation neu einzuschätzen ist. Damit wird eine der getroffenen versicherungsmathematischen Annahmen neu gesetzt. Die aus einer solchen Neubewertung entstehenden Verluste werden als versicherungsmathematische Verluste ergebnisneutral im sonstigen Ergebnis (OCI) erfasst.
Fazit: So lange sich die Pensionskasse oder die rückgedeckte Unterstützungskasse der Erfüllung der Leistungen grundsätzlich nicht entziehen kann, braucht unter HGB braucht in keinem Fall eine Rückstellung für diese mittelbar durchgeführten Pensionspläne gezeigt zu werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn für den Arbeitgeber die Möglichkeit besteht, eine Leistungskürzung der Versor-gungseinrichtung durch Zahlung zusätzlicher Beiträge zu verhindern. Nach IFRS existieren zwar Überlegungen, wie ein bilanzieller Umstieg solcher Pläne von beitragsorientiert auf leistungsorientiert stattfinden kann, jedoch ist offen, wann eine solche Umstellung zu erfolgen hat. Grundsätzlich ist stets im konkreten Einzelfall die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber abzuschätzen. Spannend hierbei ist auch die Antwort auf Frage, ob bereits vollzogene Leistungskürzungen weitere Kürzungen in der Zukunft wahrscheinlicher oder vielleicht im Gegensatz unwahrscheinlicher werden lassen.
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