Unternehmen sind in den vergangenen Jahren zunehmend mit der Frage konfrontiert, ob eine bloße Anzeige und Berichtigung von Erklärungen nach § 153 AO noch ausreichend ist. Oder müssen sich die handelnden Personen straf- bzw. bußgeldrechtlich durch eine Selbstanzeige absichern, wenn Unrichtigkeiten in abgegebenen Steuererklärungen auffallen?
Gesetzgeber und Politik haben bei verschärfenden Gesetzesänderungen zum Steuerstrafrecht vor allem Steuerpflichtige mit unversteuerten Kapitalerträgen aus Vermögen im Ausland und kriminelle Banden im Blick. Dass derartige Sachverhalte regelmäßig nicht bei Unternehmen vorkommen, wurde bislang nur wenig berücksichtigt.
Auch die Neuerungen durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung (u.a. mit Änderungen zu den Vorschriften zur Selbstanzeige) mit Wirkung zum 1. Januar 2015 bringen die Unternehmen in der Praxis immer noch in erhebliche Schwierigkeiten. Etwa, wenn für eine strafbefreiende Selbstanzeige nunmehr Angaben zu den letzten zehn Kalenderjahren erfolgen müssen oder eine strafbefreiende Teilselbstanzeige nur eingeschränkt möglich ist.
Während es bis April 2011 dahingestellt bleiben konnte, ob eine Berichtigung als Berichtigung nach § 153 AO oder als strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO zu qualifizieren war, kommt dieser Unterscheidung seit der Einführung des § 398a AO (Strafzuschlag) ganz entscheidende Bedeutung zu.
Wird die Berichtigung als Selbstanzeige im Hinblick auf eine vorsätzliche Hinterziehung von Steuern in Höhe von mehr als € 25.000 gewertet, wird von einer Strafverfolgung nur nach Zahlung eines Strafzuschlags von 10 bis 20 Prozent der hinterzogenen Steuer abgesehen. Der Strafzuschlag ist von jedem Tatbeteiligten und damit ggf. mehrfach zu entrichten (z.B. jeweils gesondert von allen Vorständen bzw. Geschäftsführern). Dies kann für die Tatbeteiligten im Unternehmen existenzvernichtende Wirkung haben.
Sowohl im Fall einer Anzeige und Berichtigung nach § 153 AO als auch im Fall einer Selbstanzeige ist die Erklärung zum Zeitpunkt der Abgabe objektiv unrichtig gewesen. Erkennt der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Unrichtigkeit seiner Erklärung, so liegt laut dem jetzt veröffentlichten Diskussionsentwurf weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, da es sowohl am Vorsatz als auch an der Leichtfertigkeit fehlte.
Diese Aussage ist in ihrer Kürze und Einfachheit für mehrere Fälle unzutreffend. Im Fall einer leichtfertigen Steuerverkürzung erkennt der Steuerpflichtige, der bei Abgabe der Erklärung zwar keine positive Kenntnis hatte, aber leichtfertig gehandelt hat, z.B. stets erst nachträglich die Unrichtigkeit. Dennoch hat er eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) begangen.
Der Diskussionsentwurf stellt klar, dass nicht jede objektive Unrichtigkeit den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegt. Es bedürfe einer sorgfältigen Prüfung durch die zuständige Finanzbehörde, ob der Anfangsverdacht einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung gegeben ist.
Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass nicht allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkung der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung und der Anzahl der abgegebenen Berichtigungen automatisch von einem Anfangsverdacht für eine vorsätzliche Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung ausgegangen werden kann. Dies wurde in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden bislang häufig anders gehandhabt.
Erstmals wird in diesem Zusammenhang bei Vorliegen eines funktionierenden innerbetrieblichen Kontrollsystems (Tax Compliance System) die Möglichkeit eröffnet, den Vorwurf des vorsätzlichen oder leichtfertigen Handelns zu entkräften. So bestünde „nur“ eine Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO.
Allen Arten von Unternehmen, insbesondere Konzernmüttern sowie umsatzsteuerlichen Organträgern ist daher dringend zu empfehlen, sich dieser konzernweiten Tax Compliance-Pflicht bewusst zu werden.
Zur Anzeige und Berichtigung verpflichtet ist der Steuerpflichtige bzw. der Gesamtrechtsnachfolger eines Steuerpflichtigen. Bei juristischen Personen trifft diese Verpflichtung die nach §§ 34 und 35 AO handelnden Personen, also z.B. jeden einzelnen Geschäftsführer oder Vorstand.
Ob in der Praxis aus straf- und bußgeldrechtlicher Sicht darüber hinaus noch weitere verantwortliche Personen die Anzeige und Berichtigung abgeben sollten, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Der Entwurf stellt klar, dass die Anzeige nach § 153 AO zwar unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern erstattet werden muss. Die Berichtigung selbst kann jedoch ggf. erst später erfolgen, wenn eine gewisse Zeit zur Aufbereitung der Unterlagen erforderlich ist. Insoweit empfiehlt das BMF, die erforderliche Zeitdauer gegenüber der Finanzbehörde zu begründen.
Ob jedoch die bloße Anzeige einer Unrichtigkeit ohne gleichzeitige Berichtigung in der Praxis ratsam ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Eine bloße Anzeige wird regelmäßig nicht alle Voraussetzungen einer Selbstanzeige erfüllen, so dass insoweit die Vorgehensweise im Vorfeld mit einem Berater abgestimmt und ggf. zusammen mit der Anzeige die Berichtigung vorgenommen werden sollte.
Reicht die Zeit für eine Detailermittlung des Sachverhalts und der Bemessungsgrundlagen nicht aus, kann ggf. eine Berichtigung, die auch die Voraussetzungen einer Selbstanzeige erfüllt, im Wege einer Schätzung einschließlich Sicherheitszuschlag erfolgen. In diesem Zusammenhang weist der Entwurf – in Einklang mit der bestehenden Rechtsprechung – darauf hin, dass bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen gegeben ist.
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