Die rechtskonforme Gestaltung der Vergütung insbesondere freigestellter Betriebsratsmitglieder ist in der Praxis eine wiederkehrende Herausforderung. Die Betriebsratsvergütung ist aufgrund ihrer gesetzlichen Konzeption mit erheblichen Risiken verbunden – Risiken für das Unternehmen und dessen involvierte Personalverantwortliche, aber auch für das einzelne Betriebsratsmitglied. Denn selbst wenn sich die Beteiligten einig sind, ist zu berücksichtigen, dass die Höhe der Betriebsratsvergütung nach unten wie nach oben zwingenden gesetzlichen Grenzen unterliegt. Die Rechtsprechung hat sich in diesem Zusammenhang zuletzt mit der Strafbarkeit von Vorstandsmitgliedern und Personalleitern wegen Untreue auseinandergesetzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierbei das Risiko einer persönlichen Strafbarkeit der Personalverantwortlichen mit seiner aktuellen Entscheidung vom 10. Januar 2023 erhöht. Die für Unternehmen relevanten Hinweise, was sie richtiger Weise zu veranlassen haben, um sich compliant zu verhalten, fehlen hingegen. Wir analysieren das Urteil und die arbeitsrechtlichen An-forderungen für Sie und geben Ihnen Empfehlungen zur künftigen Handhabe.
Das Urteil des BGH vom 10. Januar 2023 (Az. 6 StR 133/22) gibt Anlass, die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Vergütung von insbesondere freigestellten Betriebsratsmitgliedern im Unternehmen näher zu beleuchten. Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf mindestens das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Sie dürfen bei der Festlegung der Vergütung gegenüber anderen Arbeitnehmern weder begünstigt noch benachteiligt werden. Wird die Vergütung falsch ermittelt – insbesondere zu hoch angesetzt – können Entscheidungsträger sich haftbar und auch persönlich strafbar machen.
Das Landgericht (LG) Braunschweig (Az. 16 KLs 85/19) war bereits am 28. September 2021 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gewährung von überhöhten Gehältern und Boni entgegen den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) an freigestellte Betriebsratsmitglieder den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllt. Gleichzeitig hatte das Gericht die angeklagten Personalverantwortlichen, zwei frühere Vorstände für den Bereich Personal und zwei frühere Personalleiter, erstinstanzlich jedoch hinsichtlich des Vorwurfs der Untreue freigesprochen, weil diese nach Auffassung des Gerichts einem Tatbestandsirrtum unterlagen. Das Gericht nahm an, dass die Angeklagten davon überzeugt waren, pflichtgemäß und gesetzeskonform zu handeln.
Dieser Rechtsauffassung ist der BGH in der von der Staatsanwaltschaft verfolgten Revision nicht gefolgt und hat die Freisprüche der Angeklagten aufgehoben. Die Sache ist nun zur Neuverhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der 6. Senat unterstreicht, dass der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllt sein kann, wenn ein Vorstand oder Prokurist unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt. Die erforderliche Vermögensbetreuungspflicht wird verletzt, wenn einem Betriebsrat ein Arbeitsentgelt bewilligt wird, das gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot verstößt. War das LG Braunschweig noch davon ausgegangen, dass die Angeklagten aufgrund interner und externer Beratung davon ausgehen durften, gesetzeskonform zu handeln, wird nach höchstrichterlicher Ansicht von nun an zu bedenken sein, dass derjenige ausreichende Unrechtseinsicht hat, der bei Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun und dies billigend in Kauf nimmt. Das soll insbesondere gelten, wenn dem Handelnden bewusst war, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte. Der BGH legt nahe, dass die Angeklagten lediglich einem Verbotsirrtum unterlagen, ihnen also bei Begehung der Tat die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun. Einer Verurteilung können sie in diesem Fall nur dann entgehen, wenn ihr Irrtum unvermeidbar war. Auch diesbezüglich verschärft der BGH die Anforderungen, indem er vorgibt, dass die Fehlvorstellung nicht bereits bei Einholung externer Expertise unvermeidbar sei. Auch ein Rechtsgutachten bedürfe kritischer Würdigung und einschlägige Fachveröffentlichungen seien zu berücksichtigen.
Angesichts drohender rechtlicher und auch personalpolitischer Folgen ist den arbeitsrechtlichen Grundlagen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Das Urteil gibt hierzu noch keine Handlungsanweisungen.
Das Betriebsverfassungsgesetz gibt als rechtlichen Rahmen für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern Folgendes vor:
Es gilt das Ehrenamtsprinzip. Die Betriebsratstätigkeit als solche ist nicht zu vergüten. Von ihrer beruflichen Tätigkeit sind Betriebsratsmitglieder ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien (§ 37 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG). Betriebsräte dürfen bei der Festlegung der Vergütung wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden (§ 78 S. 2 BetrVG). Eine Bezahlung von Betriebsräten als „Co-Manager“ oder „auf Augenhöhe“ aufgrund des unentgeltlichen Ehrenamtes ist unzulässig.
Was einfach klingt, erweist sich in der Praxis erfahrungsgemäß vor allem bei langandauernden „Betriebsratskarrieren“ und Freistellungen als schwierig. Das Gesetz sieht zur Konkretisierung des Benachteiligungs- und Begünstigungsverbots im Hinblick auf die Vergütung lediglich eine Untergrenze vor: Das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern darf einschließlich des Zeitraums von 1 Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Das Betriebsratsmitglied muss in einem Arbeitsrechtsstreit vortragen, mit welchem Arbeitnehmer es aus seiner Sicht vergleichbar ist. Im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast wird häufig ein Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber hinsichtlich der Gehaltsentwicklung geltend gemacht.
Als schwierig erweist sich dabei die Frage, ob ein hypothetischer Karriereverlauf bzw. fiktive Beförderungsmöglichkeiten von Betriebsräten bei der Festlegung einer rechtskonformen Vergütung zu berücksichtigen sind. Der BGH führt aus, dass der im Interesse der Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern anzulegende strenge Maßstab an die Unentgeltlichkeit des Betriebsratsamtes es verbietet, auf hypothetische Gehaltsentwicklungen des Betriebsrats bei Sonderkarrieren abzustellen. Eine nähere ausdrückliche Auseinandersetzung mit den arbeitsrechtlichen Grundsätzen erfolgt dabei leider nicht, so dass Unsicherheiten verbleiben.
Ein Verstoß gegen das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot kann neben der strafrechtlichen Haftung der Organe auch zivilrechtliche Folgen haben: Eine das Betriebsratsmitglied begünstigende Verfügung und die zugrunde liegende vertragliche Regelung sind nichtig (§ 134 BGB). Dies führt grundsätzlich zu einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers, welcher auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung umfasst. Ob das Betriebsratsmitglied dem Anspruch die Einrede der Entreicherung oder des Verstoßes des Leistenden gegen ein Verbotsgesetz entgegenhalten kann, wird einzelfallbezogen zu prüfen sein. Gleiches gilt für die Anwendbarkeit vereinbarter Ausschlussfristen bzw. ein Berufen auf die Verjährungseinrede. Die Betriebsratsvergütung ist sich auf die übliche Vergütung der Vergleichsmitarbeiter anzupassen.
Die vom BGH deutlich herausgestellten Risiken geben unternehmensseitig Anlass, die Rechtmäßigkeit der aktuellen Betriebsratsvergütung genauer zu überprüfen. Wir unterstützen Sie gerne mit unserer Expertise. Erfahrungsgemäß von zentraler Bedeutung für eine Compliance-konforme Handhabung sind aus unserer Sicht bestimmte Punkte, die wir in folgendem Prüfungsschemata für Sie zusammenfassen:
1) Analyse der Ausgangslage
2) Im Falle eines negativen Befundes
3) Im Rahmen der Einzelfallprüfung
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