Aktuelle Rechtsprechung
Christine Hansen und Jean-Baptiste Abel
Versorgungszusage und Treuwidrigkeit (BAG Urt. v. 26.04.2018, 3 AZR 738/16)
Dem Arbeitnehmer waren Leistungen der bAV zugesagt worden. Nach Unverfallbarkeit der Anwart-schaft hatte er seiner Arbeitgeberin einen schweren, wenn auch nicht existenzbedrohlichen Schaden durch eine strafbare Handlung zugefügt. Der paritätisch besetzte Beirat der Unterstützungskasse widerrief daraufhin die Versorgungszusage. Als acht Jahre später die Ehe des Arbeitnehmers ge-schieden wurde, ließ das Familiengericht die Anwartschaften auf Leistungen der bAV unberücksich-tigt.
Etwa zwei Jahre später machte der Kläger – noch vor dem Renteneintritt – geltend, der Widerruf seiner Versorgungszusage sei unwirksam. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte, hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Revision vor dem BAG hatte Erfolg.
Das BAG hat die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber sich nicht auf die familiengerichtliche Entscheidung stützen könne, wonach keine Betriebsrentenanwartschaften bestünden. Das Familien-gericht habe lediglich als Vorfrage zu prüfen, ob ein Versorgungsanspruch bestehe. Ist dieser An-spruch unsicher, habe das Familiengericht das Verfahren auszusetzen, bis über den Anspruch ar-beitsrechtlich entschieden sei.
Die Arbeitgeberin könne sich auch nicht auf den Widerruf der Versorgungszusage wegen treuwidri-gen Verhaltens berufen. Die verbindliche Subsumption von Tatsachen unter einzelne Tatbestands-merkmale überschreite die Grenzen einer zulässigen Schiedsgerichtvereinbarung. Aufgrund des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung komme ein Widerruf von Versorgungszusagen nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft durch Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen habe oder durch grobes Fehlverhalten einen nicht behebbaren, nicht wieder gut zu machenden, existenzgefährdenden Schaden herbeigeführt habe. Die Interessen des Arbeitgebers seien durch Schadenersatzansprüche und die Möglichkeit der Auf-rechnung gegenüber den Versorgungsansprüchen ausreichend gewahrt.
Fazit: Das BAG führt seine Rechtsprechung zum Widerruf von Versorgungszusagen konsequent fort und betont den Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung. Das Verhältnis zwischen familiengerichtlichem Urteil und dem arbeitsgerichtlichen Urteil hingegen bleibt eine „offene Baustel-le“. Es darf mit Spannung beobachtet werden, wie BGH und BAG die Entscheidung über den Ver-sorgungsausgleich und die ggf. später ergehende Entscheidung über die zugrundeliegende betrieb-liche Altersversorgung hinsichtlich der Verbindlichkeit zusammenführen.
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