Suche
Contact
04.07.2017 | KPMG Law Insights

Städtebaurecht, Immissionsschutzrecht und urbane Gebiete

Städtebaurecht, Immissionsschutzrecht und urbane Gebiete

Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung stehen vor großen Änderungen: Am 16. Juni 2016 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit einen Referentenentwurf zum „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“ veröffentlicht, am 7. Juli 2016 einen „Entwurf zur Änderung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm)“. Insbesondere die Einführung des neuen Gebietstyps „urbanes Gebiet“ in die Baunutzungsverordnung wird dabei von verschiedenen Seiten stark kritisiert.

Die in § 6a der Baunutzungsverordnung (BauNVO) – also zwischen dem „Mischgebiet“ gemäß § 6 und dem „Kerngebiet“ gemäß § 7 – neu einzufügende Baugebietskategorie „urbanes Gebiet“ soll insbesondere in innerstädtischen Lagen die Planung eines „funktionsgemischten Gebiets der kurzen Wege“ erleichtern.

Mehr Flexibilität beim Ausweis innerstädtischer Gebiete mit Wohnnutzungen

Abweichend vom bisher die BauNVO beherrschenden Grundsatz einer räumlichen Zusammenlegung gleicher oder ähnlicher Funktionen auf der einen Seite und der Trennung sich unterscheidender Funktionen auf der anderen Seite möchte der Gesetzgeber nun offenbar den Trend „zurück in die Stadt“ und das Konzept einer nutzungsgemischten Stadt anerkennen und regulatorisch erfassen. Den planenden Kommunen soll dabei mehr Flexibilität eingeräumt werden, auch in Innenstadtbereichen Wohnnutzungen zuzulassen, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau für diese Bereiche aufzugeben. „Urbane Gebiete“ sollen daher sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben sowie sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen in kleinräumiger Nutzungsmischung dienen, wobei die Betriebe und Einrichtungen die Wohnnutzung nicht wesentlich stören dürfen.

Art der zulässigen Nutzungsmischung in der Kritik

Zulässig sind nach dem Referentenentwurf zukünftig Gebäude, die zu einem erheblichen Teil, aber nicht ausschließlich, insbesondere nicht im straßenseitigen Erdgeschoss, dem Wohnen dienen; Ausnahmen für reine Wohngebäude sind vorgesehen. Daneben sollen Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige (nicht wesentlich störende) Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke und Vergnügungsstätten in bestimmtem Umfang und mit näher definierter Zweckbestimmung zulässig sein.

Auffällig ist das Fehlen von Geschäfts- und Bürogebäuden in den Aufzählungen gemäß § 6a BauNVO. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) befürchtet offenbar, dass diese Gebäude eher zu einer „Verödung“ der Innenstadtbereiche als zu ihrer größeren „Urbanität“ beitragen. Unter dem Gesichtspunkt regelmäßig nur geringer Lärmemissionen durch derartige Gebäude dürften sie – sozusagen als Beimischung – von Anwohnern allerdings auch dann und wann geschätzt werden. Außerdem sind einige Kritiker der Ansicht, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern – schon jetzt die Erscheinungsform vieler moderner Lebensmitteleinzelhandelskonzepte – in einer „Stadt der kurzen Wege“ nicht nur wie bisher in „Kerngebieten“ und bestimmten „Sondergebieten“ zulässig sein sollten. Auch in „urbanen Gebieten“ sollten sie gestattet sein, was der Referentenentwurf jedoch bisher nicht regelt.

Änderungen bei vorgesehener Bebauungsverdichtung und Immissionsrichtwerten für Lärm zu erwarten

Neben den genannten Festlegungen zur Art der Nutzung sind insbesondere die neuen Bestimmungen zum zulässigen Maß der baulichen Nutzung in „urbanen Gebieten“ von großer Bedeutung. Mit einer zulässigen Grundflächenzahl (GRZ) von 0,6 und einer Geschossflächenzahl von 3,0 soll eine verdichtete Bebauung ermöglicht werden. Kritiker aus den Reihen der Gesetzesinitiatoren, namentlich die Bundesländer Freistaat Bayern und Freie und Hansestadt Hamburg, und des Zentralen Immobilien Ausschusses e. V. (ZIA) halten dagegen zu diesem Zweck eine GRZ von 1,0 für dringend erforderlich. Hier dürften noch Änderungen zu erwarten sein.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die bisher beabsichtigten Änderungen der TA Lärm. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK) hat die Befürchtung geäußert, dass es aufgrund des neuen Gebietstypus zu einem konfliktträchtigen Heranrücken von Wohnnutzungen an Gewerbe- und Industriegebiete kommen könne, wodurch es zu einer Verdrängung der emittierenden Betriebe kommen könnte. Der DIHK wie auch der ZIA verweisen darauf, dass mit dem neuen Gebietstypus des „urbanen Gebietes“ die Grundsätze der immissionsschutzrechtlichen Trennung gemäß § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz und der städtebaulich-funktionalen Gliederung der Baugebiete gleichermaßen durchbrochen würden. Vor diesem Hintergrund und um dem Ziel der Nutzungsmischung im „urbanen Gebiet“ Rechnung zu tragen, fordern der DIHK und der ZIA, die Immissionsrichtwerte der TA Lärm weiter als bislang vorgesehen auszudehnen. Darüber hinaus regen sie Änderungen der TA Lärm dahingehend an, dass eine Gleichbehandlung von Gewerbelärm mit dem (bislang privilegierten) Verkehrslärm erfolgt. Ferner sollte die Möglichkeit geschaffen werden, den technologischen Fortschritt bei der immissionsrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen, wie passive Schallschutzmaßnahmen, zum Beispiel durch den Einbau moderner Schallschutzfenster. Im letzteren Fall wäre hierfür in der TA Lärm vorzusehen, dass alternativ zu den vor dem Fenster zu messenden Immissionsrichtwerten die Ermittlung von Immissionswerten in den Innenräumen selbst vorgenommen werden kann.

Über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens, das noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden soll, werden wir weiter berichten.

Explore #more

25.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät APELOS im Rahmen der Refinanzierung und dem Kauf einer Praxisgruppe mit rund 50 Praxisstandorten.

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die APELOS Therapie GmbH, eine führende Therapiepraxisgruppe in Deutschland, im Rahmen…

15.08.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement in Die-Stiftung.de zum Thema Stiftungsregister – Der lange Weg zur digitalen Ordnung

Das Inkrafttreten der Stiftungsrechtsreform am 1. Juli 2023 markiert einen Wendepunkt im deutschen Stiftungswesen. Die Liste der nicht unumstrittenen Änderungen ist lang und soll auch…

14.08.2025 | KPMG Law Insights

Elektromobilität in der Logistik – rechtliche Herausforderungen

Um ihren CO2-Ausstoß zu verringern, setzt die Logistikbranche immer mehr auf Elektromobilität. Nicht nur die ESG-Regulatorik wie die Berichtspflichten sind die Ursache hierfür, auch…

07.08.2025 | KPMG Law Insights

NIS2: So müssen sich Energieversorger vor Cyberangriffen schützen

Im Juli 2025 meldete der Militärische Abschirmdienst Medienberichten zufolge einen deutlichen Anstieg von Ausspähversuchen und Störmaßnahmen durch den russischen Geheimdienst. Dass auch die deutsche Energieinfrastruktur…

06.08.2025 | KPMG Law Insights

Steueroasen: Wenn Geschäftsbeziehungen ein Strafverfahren auslösen

Ein deutsches Tech-Unternehmen zahlte seit Jahren Lizenzgebühren an einen Vertragspartner in Panama, ohne je Probleme gehabt zu haben. Nur wenige wussten jedoch, dass Panama seit

06.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law, KPMG in Deutschland und KPMG in der Schweiz haben Bureau Veritas bei der Übernahme von Dornier Hinneburg und dessen Schweizer Tochtergesellschaft Hinneburg Swiss beraten

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat gemeinsam mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) und der KPMG AG Switzerland die Bureau Veritas Gruppe (Bureau…

05.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät Athagoras Holding GmbH beim Erwerb der IGES Gruppe

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat die Athagoras Holding GmbH, eine Plattform des Münchener PE Hauses Greenpeak Partners, bei der Akquisition der IGES…

05.08.2025 | In den Medien

Wirtschaftswoche zeichnet KPMG Law als Top Kanzlei im Vergaberecht aus

Das aktuelle Ranking des Handelsblatt Research Instituts in Kooperation mit der WirtschaftsWoche hat die Top Kanzleien sowie Top-Anwält:innen in den Rechtsgebieten „Vergaberecht“, „Umwelt- und Bauplanungsrecht“…

04.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG AG beraten NMP Germany bei dem Kauf der DESMA Schuhmaschinen GmbH

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat die NMP Germany GmbH (NMP) bei dem Kauf der DESMA Schuhmaschinen GmbH (DESMA) rechtlich beraten. KPMG Law…

02.08.2025 | In den Medien

KPMG Law Experte in der Rheinischen Post zum Thema Influencer Steuerhinterziehung

Das nordrhein-westfälische Landesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (LBF NRW) wertet derzeit ein Datenpaket aus. Es soll 6000 Datensätze umfassen. Der Verdacht: Influencer sollen diese Vergütungen…

Kontakt

Dr. Rainer Algermissen

Partner
Leiter Bau- und Immobilienrecht

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 3609945331
ralgermissen@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll