Die in § 6a der Baunutzungsverordnung (BauNVO) – also zwischen dem „Mischgebiet“ gemäß § 6 und dem „Kerngebiet“ gemäß § 7 – neu einzufügende Baugebietskategorie „urbanes Gebiet“ soll insbesondere in innerstädtischen Lagen die Planung eines „funktionsgemischten Gebiets der kurzen Wege“ erleichtern.
Abweichend vom bisher die BauNVO beherrschenden Grundsatz einer räumlichen Zusammenlegung gleicher oder ähnlicher Funktionen auf der einen Seite und der Trennung sich unterscheidender Funktionen auf der anderen Seite möchte der Gesetzgeber nun offenbar den Trend „zurück in die Stadt“ und das Konzept einer nutzungsgemischten Stadt anerkennen und regulatorisch erfassen. Den planenden Kommunen soll dabei mehr Flexibilität eingeräumt werden, auch in Innenstadtbereichen Wohnnutzungen zuzulassen, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau für diese Bereiche aufzugeben. „Urbane Gebiete“ sollen daher sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben sowie sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen in kleinräumiger Nutzungsmischung dienen, wobei die Betriebe und Einrichtungen die Wohnnutzung nicht wesentlich stören dürfen.
Zulässig sind nach dem Referentenentwurf zukünftig Gebäude, die zu einem erheblichen Teil, aber nicht ausschließlich, insbesondere nicht im straßenseitigen Erdgeschoss, dem Wohnen dienen; Ausnahmen für reine Wohngebäude sind vorgesehen. Daneben sollen Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige (nicht wesentlich störende) Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke und Vergnügungsstätten in bestimmtem Umfang und mit näher definierter Zweckbestimmung zulässig sein.
Auffällig ist das Fehlen von Geschäfts- und Bürogebäuden in den Aufzählungen gemäß § 6a BauNVO. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) befürchtet offenbar, dass diese Gebäude eher zu einer „Verödung“ der Innenstadtbereiche als zu ihrer größeren „Urbanität“ beitragen. Unter dem Gesichtspunkt regelmäßig nur geringer Lärmemissionen durch derartige Gebäude dürften sie – sozusagen als Beimischung – von Anwohnern allerdings auch dann und wann geschätzt werden. Außerdem sind einige Kritiker der Ansicht, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern – schon jetzt die Erscheinungsform vieler moderner Lebensmitteleinzelhandelskonzepte – in einer „Stadt der kurzen Wege“ nicht nur wie bisher in „Kerngebieten“ und bestimmten „Sondergebieten“ zulässig sein sollten. Auch in „urbanen Gebieten“ sollten sie gestattet sein, was der Referentenentwurf jedoch bisher nicht regelt.
Neben den genannten Festlegungen zur Art der Nutzung sind insbesondere die neuen Bestimmungen zum zulässigen Maß der baulichen Nutzung in „urbanen Gebieten“ von großer Bedeutung. Mit einer zulässigen Grundflächenzahl (GRZ) von 0,6 und einer Geschossflächenzahl von 3,0 soll eine verdichtete Bebauung ermöglicht werden. Kritiker aus den Reihen der Gesetzesinitiatoren, namentlich die Bundesländer Freistaat Bayern und Freie und Hansestadt Hamburg, und des Zentralen Immobilien Ausschusses e. V. (ZIA) halten dagegen zu diesem Zweck eine GRZ von 1,0 für dringend erforderlich. Hier dürften noch Änderungen zu erwarten sein.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die bisher beabsichtigten Änderungen der TA Lärm. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK) hat die Befürchtung geäußert, dass es aufgrund des neuen Gebietstypus zu einem konfliktträchtigen Heranrücken von Wohnnutzungen an Gewerbe- und Industriegebiete kommen könne, wodurch es zu einer Verdrängung der emittierenden Betriebe kommen könnte. Der DIHK wie auch der ZIA verweisen darauf, dass mit dem neuen Gebietstypus des „urbanen Gebietes“ die Grundsätze der immissionsschutzrechtlichen Trennung gemäß § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz und der städtebaulich-funktionalen Gliederung der Baugebiete gleichermaßen durchbrochen würden. Vor diesem Hintergrund und um dem Ziel der Nutzungsmischung im „urbanen Gebiet“ Rechnung zu tragen, fordern der DIHK und der ZIA, die Immissionsrichtwerte der TA Lärm weiter als bislang vorgesehen auszudehnen. Darüber hinaus regen sie Änderungen der TA Lärm dahingehend an, dass eine Gleichbehandlung von Gewerbelärm mit dem (bislang privilegierten) Verkehrslärm erfolgt. Ferner sollte die Möglichkeit geschaffen werden, den technologischen Fortschritt bei der immissionsrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen, wie passive Schallschutzmaßnahmen, zum Beispiel durch den Einbau moderner Schallschutzfenster. Im letzteren Fall wäre hierfür in der TA Lärm vorzusehen, dass alternativ zu den vor dem Fenster zu messenden Immissionsrichtwerten die Ermittlung von Immissionswerten in den Innenräumen selbst vorgenommen werden kann.
Über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens, das noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden soll, werden wir weiter berichten.
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