Wer mit den Rohstoffen Soja, Ölpalme, Rinder, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie bestimmten daraus hergestellten Erzeugnissen handelt oder diese verwendet, sollte schnellstmöglich aktiv werden. Denn mit der Entwaldungsverordnung der EU kommen einige neue Sorgfaltspflichten auf die Unternehmen zu. Die Verordnung gilt ab dem 30. Dezember 2025. Ursprünglich war der Start schon für Ende 2024 vorgesehen. Kommission, Rat und EU-Parlament haben sich jedoch im Herbst 2024 auf eine Verschiebung geeinigt. Die Entwaldungsverordnung regelt: Wer die genannten Rohstoffe oder relevante Erzeugnisse innerhalb der EU in Verkehr bringt, muss garantieren können, dass hierfür seit dem 31. Dezember 2020 keine Flächen entwaldet worden sind und dass sie in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden. Auch Unternehmen, deren eigene Produkte nicht auf der Liste stehen, die aber betroffene Rohstoffe oder Erzeugnisse verwenden, sollten handeln. Denn die betroffenen Produkte könnten knapp werden.
Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EU Deforestation Regulation, EUDR) war bereits im Juni 2023 in Kraft getreten.
Die EU-Entwaldungsverordnung gilt für folgende Rohstoffe: Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz. Nicht alle daraus hergestellte Erzeugnisse sind davon erfasst, sondern nur solche, die in Anhang I der Entwaldungs-VO aufgelistet sind. Schokolade und reines Kakaopulver sind beispielsweise erfasst, nicht aber der mit Kakaobutter gebackene Keks. Als Kautschuk-Produkte betroffen sind auch Reifen und Schläuche. Für das Endprodukt Auto oder Fahrrad selbst gilt die Verordnung jedoch aktuell nicht.
Allerdings: Die Liste in Anhang I steht unter dem Vorbehalt regelmäßiger Prüfung und Erweiterung. Der nächste Stichtag hierfür ist der 30. Juni 2025.
Sorgfaltspflichten nach der Verordnung treffen Marktteilnehmer und Händler.
Marktteilnehmer sind Unternehmen, die relevante Rohstoffe oder Erzeugnisse in der EU in Verkehr bringen, also erstmalig auf dem Unionsmarkt bereitstellen oder aus der EU ausführen. Händler sind solche Unternehmen, die die Waren nicht erstmalig auf dem EU-Markt bereitstellen. Erfasst sind schätzungsweise allein 370.000 Marktteilnehmer.
Die Sorgfaltspflichten hängen im Einzelnen auch von der Rolle und Größe des Unternehmens ab. Die Verordnung unterscheidet hier zwischen KMU und Nicht-KMU.
Marktteilnehmer dürfen die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in der EU in Verkehr bringen oder ausführen, wenn kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse müssen
Die gleichen Verpflichtungen treffen auch Nicht-KMU-Händler.
Die Nachweispflicht für die Erfüllung dieser Voraussetzungen trifft die Marktteilnehmer oder Händler. Im Umkehrschluss bedeutet das: Kann auch nur eine der drei Voraussetzungen nicht nachgewiesen werden oder ist sie schlicht nicht überprüfbar, darf der betroffene Rohstoffe bzw. das Erzeugnis weder in der EU auf den Markt gebracht werden noch ausgeführt werden.
Ein Rohstoff ist nach der Verordnung entwaldungsfrei, wenn er nicht auf Flächen erzeugt wurde, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden. Entwaldung ist definiert als die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Holzerzeugnisse sind entwaldungsfrei, wenn ab diesem Stichtag keine Waldschädigung auf den betroffenen Flächen herbeigeführt wurde.
Für relevante Erzeugnisse gilt: Diese sind entwaldungsfrei, wenn sie relevante Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden, die ihrerseits vollständig entwaldungsfrei erzeugt wurden.
Relevante Rohstoffe und Erzeugnisse müssen außerdem den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes entsprechen. Um welche Vorschriften es hier geht, definiert Art. 2 Nr. 40 Entwaldungs-VO. Es handelt sich um Rechtsvorschriften in Bezug auf Landnutzungsrechte, Umweltschutz und forstbezogene Vorschriften, aber auch völkerrechtlich geschützte Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte sowie Steuervorschriften, Korruptionsbekämpfungs-, Handels- und Zollvorschriften. Ortsansässige Zulieferer müssen diese Vorgaben einhalten, damit die Rohstoffe und Erzeugnisse in der EU marktfähig sind. Für Holzerzeugnisse, die unter die FLEGT-Verordnung fallen, reicht insoweit eine gültige Genehmigung nach dieser Verordnung.
Die dritte Voraussetzung für die Markfähigkeit der relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse ist die Sorgfaltserklärung. Die erforderlichen Angaben der Erklärung listet Anhang II Entwaldungs-VO auf. Die Erklärung ist vor dem Inverkehrbringen, der Ausfuhr oder dem Bereitstellen auf dem Markt an die zuständigen Behörden elektronisch zu übermitteln. Marktteilnehmer und Händler bestätigten mit der Abgabe, dass in Bezug auf die konkret zu bezeichnenden Rohstoffe oder Erzeugnisse kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko für einen Verstoß gegen die Entwaldungsverordnung besteht.
Marktteilnehmer und Nicht-KMU-Händler müssen gem. Art 8 Entwaldungs-VO einen dreistufigen Prozess durchführen: Informationen sammeln, eine Risikobewertung durchführen und – soweit nötig – Risikominimierungsmaßnahmen durchführen. Außerdem müssen die Unternehmen ihren Due-Diligence-Prozess organisatorisch im Unternehmen verankern. Anders als teilweise im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz reicht eine nur bestmögliche Bemühung der Informationssammlung, Risikobewertung und Risikominimierung nicht aus.
Welche Informationen werden benötigt? Zunächst die Namen und die Produktzusammensetzung, aber auch die Geolokalisierungsdaten aller Grundstücke, von denen relevante Rohstoffe des Erzeugnisses stammen. Anhand von Satellitenbildern kann Entwaldung bzw. Waldschädigung nach dem relevanten Stichtag 31. Dezember 2020 überprüft werden. Es müssen sämtliche Kontaktdaten der Unternehmen erhoben werden, die am Erzeugungsprozess beteiligt sind. Zur Legalität mit den lokalen Rechtsvorschriften müssen betroffene Unternehmen „angemessen schlüssige und überprüfbare Informationen“ beschaffen.
Anhand der gesammelten Informationen ist das Risiko zu bewerten. Art. 10 Entwaldungs-VO zählt hierfür eine Reihe von Kriterien auf. Der Bewertungsprozess ist zu dokumentieren und jährlich zu überprüfen. Ergibt die Risikobewertung Hinweise auf einen Verstoß gegen die Entwaldungsverordnung, sind Risikominimierungsmaßnahmen durchzuführen. Das kann ein unabhängiges Audit sein oder die Beschaffung weiterer Informationen, die den Verdacht auf eine Entwaldung ausräumen.
Der gesamte Risikominimierungsprozess muss nach der Verordnung im Rahmen einer angemessenen Governance-Struktur verankert werden. Bei Nicht-KMU ist ein Compliance-Beauftragter zu ernennen. Dieser muss unabhängig sein, die Strategien prüfen sowie interne Kontrollen und Verfahren vornehmen können. Auch hier sind Dokumentationsvorgaben zu beachten.
Das EU-Parlament stimmte am 14. November 2024 nicht nur der Verschiebung des Starts auf den 30. Dezember 2025 zu, sondern nahm auch einige andere von den Fraktionen vorgeschlagenen Änderungen an. Eine davon ist die Schaffung einer neuen Kategorie von Ländern, die hinsichtlich der Entwaldung „kein Risiko“ darstellen, zusätzlich zu den bestehenden drei Kategorien „geringes“, „normales“ und „hohes“ Risiko. Für Länder mit stabiler oder zunehmender Entwicklung der Waldfläche sollen erleichterte Anforderungen gelten. Ein länderspezifisches Benchmarking-System soll die Kommission bis zum 30. Juni 2025 fertigstellen.
Das Parlament beschloss, dieses Dossier für interinstitutionelle Trilog-Verhandlungen an den Ausschuss zurückzuverweisen. Damit diese Änderungen in Kraft treten können, muss ein informeller Kompromiss anschließend noch von Rat und Parlament gebilligt werden.
Die EUDR ordnet selbst keine Sanktionen an, sondern überlässt das den Mitgliedsstaaten. Sie macht jedoch Vorgaben: Geldbußen müssen mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes betragen. Außerdem können die EU-Staaten Waren einziehen, die gegen die Verordnung verstoßen. Auch mit ihnen erzielte Einnahmen können eingezogen werden. Besonders schwer wiegt zudem, dass nicht-konforme relevante Rohstoffe und Erzeugnisse in der EU weder verkehrsfähig sind noch aus der EU ausgeführt werden können.
Viele Unternehmen werden von der Entwaldungsverordnung direkt betroffen sein, da sie als Marktteilnehmer oder Händler relevanter Rohstoffe oder Erzeugnisse Sorgfaltspflichten erfüllen müssen. Der Kreis der mittelbar betroffenen Unternehmen ist jedoch noch viel größer: Zum einen fallen darunter Zulieferer außerhalb der EU, die an der Aufklärung und Übermittlung relevanter Informationen und Daten sowie Nachweise mitwirken müssen, wenn sie ihre Ware weiterhin in die EU verkaufen möchten. Zum anderen ist mittelbar auch die nachgelagerte Lieferkette betroffen. Auch wenn ein Unternehmen vielleicht nicht selbst den Sorgfaltspflichten unterliegt, sollte es dennoch Vorkehrungen in Bezug auf relevante Rohstoffe und Erzeugnisse treffen. Denn angesichts der sehr strengen Vorgaben der neuen Verordnung müssen Unternehmen damit rechnen, dass Lieferketten wegbrechen, weil rechtskonforme Rohstoffe oder Erzeugnisse nicht mehr oder nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.
Bis zum Anwendungsbeginn muss die komplette Umsetzung erfolgt sein. Lieferketten können im Einzelfall sehr lang und undurchsichtig sein. Gerade Rohstoffe wie Kakao, Soja und Palmöl werden sehr schnell gemischt und sind dadurch schwerer rückverfolgbar. Daher ist ein sehr schnelles Handeln geboten, denn auch die Akteure in der vorgelagerten Lieferkette müssen sensibilisiert und instruiert werden. Unternehmen sollten dabei die Ordervorlaufzeiten im Blick haben und auch bedenken, dass Vertragswerke unter Umständen noch angepasst werden müssen, um den Warenfluss aufrechterhalten zu können.
Zudem sollten Unternehmen Überschneidungen mit bestehenden Due-Diligence-Prozessen im eigenen Unternehmen prüfen, um Synergieeffekte nutzen zu können und technologische Lösungen zu etablieren.
Mit welchen Fragen sich Unternehmen auseinandersetzen sollten, können Sie auch unserer Checkliste entnehmen.
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