Liebe Leserinnen und Leser,
wir blicken zurück auf ein bewegtes Jahr 2015, das die Praxis auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auf Trapp gehalten hat. Während mit Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung (Niedrigzinsphase) keine Entwarnung gegeben werden kann, so gab es doch eine Vielzahl an neuen Entwicklungen und gerichtlichen Entscheidungen, die wir Ihnen in unserer ersten Ausgabe PensionUpdates des Jahres 2016 gerne nahebringen möchten. Neben der aktuellen Rechtsprechung zum Arbeitsrecht der bAV haben wir dieses Pensions Update insbesondere bAV-relevanten Aspekten von Unternehmenstransaktionen gewidmet. Der M&A-Markt ist nach wie vor lebhaft – und nicht selten stellt bei einer Unternehmenstransaktion die bAV eine besondere Herausforderung dar.
Kurz vor Redaktionsschluss hat das Bundeskabinett am 27. Januar 2016 einen Regierungsentwurf (zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie) beschlossen, in dem die schon seit längerem erwartete Anpassung der Bewertungsparameter für Pensionsrückstellungen enthalten ist. Der Regierungsentwurf sieht die Ausdehnung der Durchschnittsbewertung der Marktzinsen für den HGBRechnungszins von 7 auf 10 Jahre vor. Wir werden Sie hierzu ausführlich im nächsten Pensions Update informieren.
Viel Spaß beim Lesen und ein erfolgreiches Jahr 2016 wünscht Ihnen
Ihr Pensions Team der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und der
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Lars Hinrichs & Susanne Jungblut
In Unternehmen, die durch Unternehmenstransaktionen wachsen, steigt die Anzahl der zu betreuenden Versorgungsregelungen oftmals stark an. Diese Unternehmen müssen neue, ihnen bisher unbekannte Verpflichtungen und Risiken übernehmen sowie eine ordnungsgemäße Verwaltung sicherstellen. In diesen Situationen kann es empfehlenswert sein, die komplette Versorgungslandschaft und die damit verbundenen Prozesse sorgfältig zu analysieren und zu dokumentieren.
Mit der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) übernimmt jedes Unternehmen – gleichgültig, ob durch Transaktionen gewachsen oder nicht – rechtliche und wirtschaftliche Verpflichtungen. Zu nennen sind hier beispielsweise Verpflichtungen zur Abführung von Versorgungsbeiträgen bei beitragsorientierten Plänen, die Beauskunftung der Höhe der Mitarbeiteransprüche, die Auszahlung von Versorgungsleistungen (mitunter nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben), die Durchführung der Anpassungsprüfung nach § 16 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) oder die Beantwortung von Rückfragen der Mitarbeiter. Aus den Verpflichtungen der betrieblichen Altersversorgung ergeben sich wiederum rechtliche, prozessuale und bewertungstechnische Risiken genauso wie Finanzierungs- und Liquiditätsrisiken
Prozessuale Risiken:
Welche externen Anbieter, wie Versicherer oder Unterstützungskassen, sind hiermit verbunden? Welche Risiken beinhalten die einzelnen Versorgungsregelungen? Gibt es Harmonisierungs- und Vereinfachungsmöglichkeiten?
Gesellschaften, die aufgrund von Unternehmensakquisitionen stark gewachsen sind, sehen sich häufig einer intransparenten Versorgungslandschaft gegenüber. Bei Unternehmenstransaktionen steht die betriebliche Altersversorgung in aller Regel nicht an erster Stelle – mit dem Resultat, dass spätestens nach einer Reihe aufeinander folgender Akquisitionen letztendlich der Überblick über die bestehenden Pensionsregelungen und involvierten externen Anbieter fehlt. Historisches Wissen ist häufig nur sehr begrenzt verfügbar, weil die Mitarbeiter, die dieses haben, von dem jeweiligen Betriebsübergang nicht erfasst waren oder in der Zwischenzeit ausgeschieden sind. In einer solchen Situation bietet es sich an, ein umfassendes Pension Audit durchzuführen.
In erster Linie erfasst und beschreibt ein Pension Audit die bestehenden Versorgungsregelungen, ihre Finanzierung und die jeweils betroffenen Mitarbeitergruppen. Hier aufzuhören, wäre jedoch zu kurz gesprungen. Vielmehr sollte ein solches Pension Audit auch die Risiken und Kosten der jeweiligen Pensionsprogramme einbeziehen, deren Marktüblichkeit beurteilen sowie die einzelnen Pläne arbeits- und steuerrechtlich würdigen und ihre praktische Handhabung analysieren.
Auf Basis einer solchen umfangreichen Bestandsaufnahme gewinnt das Unternehmen einen guten Überblick über die bestehenden Versorgungsverpflichtungen sowie die damit verbundenen Risiken und Kosten. Auf dieser Grundlage können sodann Möglichkeiten zur Harmonisierung und Verschlankung der Versorgungslandschaft erwogen werden. So können
Dabei ist diese Aufzählung keineswegs abschließend. Und natürlich zeigt ein Pension Audit auf, wo aufgrund zwischenzeitlicher arbeitsrechtlicher oder steuerlicher Änderungen dringender Anpassungsbedarf besteht.
Wie führe ich ein Pension Audit durch?
Zentral ist die Zielsetzung des Pension Audit: Was möchte ich erfahren? Welche Aspekte möchte ich eingehend analysieren? Welche Aktionen sollten idealerweise auf die Bestandserfassung folgen? Erst wenn hierüber Klarheit besteht, kann sinnvoll festgelegt werden, welche Daten, Unterlagen und weitere Informationen erfasst werden sollen.
Wer verfügt voraussichtlich über die benötigten Angaben? Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten. Unter Umständen ist es notwendig, an eine Vielzahl von Mitarbeitern an mehreren Standorten heranzutreten – dies aber gezielt. In manchen Fällen sind auch einzelne Personalakten durchzusehen. Je mehr Personen in den Erhebungsprozess involviert sind, desto wichtiger ist es, für einzelne Themen- und / oder Geschäftsbereiche übergeordnet Verantwortliche zu bestimmen und das Pension Audit im Unternehmen angebracht zu priorisieren. Idealerweise erfolgt eine persönliche Kommunikation der Geschäftsleitung bzw. des Vorstandes, die die nominierten Mitarbeiter individuell in die Verantwortung nimmt.
Ebenso wichtig ist die Festlegung eines zielgerichteten, leicht verständlichen Abfragemechanismus. Denkbar ist die Erstellung eines detaillierten Fragebogens sowie lediglich die Bitte um Übersendung von Unterlagen. In der Praxis wird die ideale Vorgehensweise zwischen diesen beiden Extremen liegen und hierbei nach einzelnen Aspekten (Planbeschreibung, finanzielle Gesichtspunkte etc.) differenzieren. Die eingehenden Informationen sind sodann auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen. Anhaltspunkte hierfür können beispielsweise Bilanzzahlen oder in der Zentrale bereits vorliegende Kenntnisse sein. Die möglichen Orientierungspunkte für eine solche Analyse sind ebenfalls im Vornherein zu definieren.
Schließlich ist ein geeignetes Tool für die Zusammenstellung und Auswertung der erhobenen Informationen und deren spätere Pflege zu wählen. Hier bieten sich Datenbanken und online-Tools an. Wichtig ist, dass diese passgenau gestaltet werden. So sind auf dem Markt verfügbare Tools häufig auf internationale Versorgungslandschaften abgestellt und dementsprechend sehr generisch gestaltet – bei einem rein deutschen Pension Audit bietet es sich an, das Tool auf deutsche Verhältnisse anzupassen. Darüber hinaus sollte das Tool oder die Datenbank natürlich auf die Zielsetzung des Audits abgestimmt sein und die erwünschten Analysen auch auf Basis später aktualisierter Informationen ermöglichen.
Fazit:
Durch ein umfassendes Pension Audit erhält das Unternehmen einen guten Überblick über die bestehenden Versorgungsregelungen, ihre Kosten und Risiken. Das Pension Audit stellt auch die Grundlage für eine mögliche Aktualisierung und Vereinfachung der Versorgungslandschaft dar. Häufig geht dies mit einer deutlichen Senkung der Kosten und Risiken einher.
Ebenso wichtig ist die Festlegung eines zielgerichteten, leicht verständlichen Abfragemechanismus. Denkbar ist die Erstellung eines detaillierten Fragebogens sowie lediglich die Bitte um Übersendung von Unterlagen. In der Praxis wird die ideale Vorgehensweise zwischen diesen beiden Extremen liegen und hierbei nach einzelnen Aspekten (Planbeschreibung, finanzielle Gesichtspunkte etc.) differenzieren. Die eingehenden Informationen sind sodann auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen. Anhaltspunkte hierfür können beispielsweise Bilanzzahlen oder in der Zentrale bereits vorliegende Kenntnisse sein. Die möglichen Orientierungspunkte für eine solche Analyse sind ebenfalls im Vornherein zu definieren.
Bei Unternehmenstransaktionen steht im Allgemeinen die Bewertung der zu übernehmenden Pensionsverpflichtung im Vordergrund. Häufig greift diese Betrachtung jedoch zu kurz. Der Erwerber ist verpflichtet, die betriebliche Altersversorgung (bAV) der übergehenden Mitarbeiter grundsätzlich unverändert fortzuführen. Dies kann insbesondere dann, wenn die bAV beim Veräußerer über einen externen Versorgungsweg durchgeführt wird, mit erheblichen Herausforderungen verbunden sein.
Wird die bAV beim Veräußerer über einen überbetrieblichen Versorgungsträger durchgeführt, ist die Fortführung der bAV in der Regel unproblematisch, da der Erwerber dem externen Versorgungsträger als Trägerunternehmen beitreten kann. Die größten Herausforderungen ergeben sich in diesem Zusammenhang bei konzerneigenen externen Versorgungsträgern des Veräußerers, zu denen konzernfremde Unternehmen nicht als Trägerunternehmen zugelassen sind. Die folgenden Ausführungen beziehen sich deshalb lediglich auf konzerneigene Versorgungsträger.
Verliert das veräußerte Unternehmen mit Vollzug der Transaktion seine Eigenschaft als Trägerunternehmen der Konzern-Unterstützungskasse, endet damit die Leistungspflicht der Unterstützungskasse gegenüber den (früheren) Mitarbeitern dieses Unternehmens. Gehen die Mitarbeiter bei einem Asset Deal aufgrund eines Betriebsübergangs (§613a BGB) auf den Erwerber über, sind diese ebenfalls nicht mehr von der Konzern-Unterstützungskasse erfasst.
Grundsätzlich hat der Erwerber drei Möglichkeiten, um die Versorgung der übernommenen Mitarbeiter fortzuführen:
Kommen die beiden ersten Möglichkeiten für den Erwerber nicht in Betracht, muss die Pensionsverpflichtung aufgrund der erteilten Zusage vom Arbeitgeber (Käufer) direkt erfüllt werden. Dabei werden die Leistungen analog des Leistungsplanes der Unterstützungskasse direkt vom (Erwerber)-Unternehmen zugesagt. Für die Begünstigten entsteht dadurch kein Nachteil, die nachgelagerte Besteuerung der Leistungen bleibt bestehen und die Direktzusage ist ebenfalls über den Pensions-Sicherungs-Verein a.G. (PSV) insolvenzgesichert.
Im Ergebnis führt die Umwandlung der mittelbaren Unterstützungskassenzusage in eine Direktzusage dazu, dass der Erwerber die Pensionsverpflichtung vollständig in seiner Bilanz abbilden muss. Sofern es sich beim Veräußerer um eine rückgedeckte Unterstützungskasse gehandelt und der Erwerber diese Rückdeckungsversicherungen übernommen hat, kommt ggf. eine Saldierung von Verpflichtung und Rückdeckungsvermögen oder auch eine Behandlung als wertpapiergebundene Zusage in Betracht.
Durchführung der bAV beim Veräußerer über eine Pensionskasse/einen Pensionsfonds
Bei der Pensionskasse ist die Ausgangssituation ähnlich. Die Satzungen konzerneigener Pensionskassen sehen zumeist vor, dass die Mitgliedschaft nur für Mitarbeiter des Konzerns oder einer bestimmten Unternehmensgruppe möglich ist. Scheiden die Mitglieder aufgrund eines Betriebsübergangs aus dem Konzernverbund aus, ist es dem Erwerber rechtlich unmöglich, die zugesagte Pensionskassen-Versorgung aufrecht zu erhalten.
Abhängig von den vom Erwerber eingeräumten Optionen bestehen für den Erwerber folgende Möglichkeiten:
Bei Wahl der ersten Möglichkeit besteht die Gefahr, dass die Pensionskasse einen Sonderbeitrag fordert, der die aufrechtzuerhaltenden unverfallbaren Anwartschaften ausfinanziert. Ein möglicherweise entstehender Zusatzaufwand für diese Ausfinanzierung sollte bereits bei den Verhandlungen kaufpreismindernd berücksichtigt werden. Bei der Fortführung der Versorgungsverpflichtungen (FutureService) auf Grundlage des ursprünglichen Leistungsplanes über eine andere Pensionskasse ist zu prüfen, ob diese das zugesagte Leistungspaket abbilden kann. Hierbei ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass die Versorgung 1:1 fortgeführt werden kann, sondern dass ein vergleichbares Leistungspaket (z.B. höhere Altersleistung als Ausgleich für niedrigere Invalidenleistung) zur Verfügung gestellt wird. Insgesamt betrachtet darf keine Verschlechterung der Leistung eintreten. Jedoch erfordert eine solche Anpassung der zugesagten Leistungen die Zustimmung der Mitarbeiter. Theoretisch ist auch die Fortführung der zugesagten Leistungen (Future-Service) als Direktzusage des neuen Arbeitgebers denkbar, woraus sich ebenfalls keine Verschlechterung der Leistungen ergeben darf.
Bei Wahl der zweiten Möglichkeiten, also der Übertragung der vollständigen Versorgungsverpflichtung (Past- und Future-Service) auf eine bestehende bzw. neue Pensionskasse, ist zu prüfen, ob die beim Erwerber bestehende oder eine neue Pensionskasse die zugesagten Leistungen abbilden kann. Das ist häufig nicht zu den gleichen Konditionen wie bei der ursprünglichen Pensionskasse möglich, da die der Leistungsberechnung zugrundeliegenden Tarife der Pensionskassen in der Regel unterschiedlich sind. Bei der neuen Pensionskasse fallen die Beiträge unter Umständen höher oder niedriger aus (unterschiedliche Tarifstruktur, Gruppenrabatte etc.). Bei der Übertragung des Past-Service auf eine neue Pensionskasse muss ebenfalls geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen das Deckungskapital auf die neue Pensionskasse übertragen werden kann.
Für Pensionsfonds gelten prinzipiell dieselben Konsequenzen. Die meisten Pensionsfonds wurden jedoch von großen Versicherungsgesellschaften gegründet und sind deshalb überbetriebliche Pensionsfonds, denen ein Erwerber beitreten könnte. Damit ist die Fortführung der bAV bei Pensionsfonds eher unproblematisch.
Fazit:
Bei einem Unternehmenskauf sollte bereits während der Due Diligence untersucht werden, wie die Übernahme und/oder Fortführung von Versorgungsverpflichtungen des Veräußerers, die über konzerneigene Versorgungsträger bereitgestellt werden, beim Erwerber ermöglicht werden kann. Der Erwerber muss mit dem Veräußerer und gegebenenfalls mit dem Versorgungsträger Vereinbarungen zur Übernahme der Versorgung treffen. Außerdem sollte ein durch die Übernahme möglicherweise entstehender Zusatzaufwand (z.B. Sonderbeitrag zur Ausfinanzierung des Past-Service, höhere Beiträge zur Fortführung der Versorgung) im Kaufvertrag kaufpreismindernd berücksichtigt werden.
Die bedarfsgerechte Fortführung der Pensionszusagen bei der Zielgesellschaft nach Abschluss des Unternehmenskaufs stellt für den Erwerber häufig eine große Herausforderung dar. Dies insbesondere, wenn die Pensionszusagen (möglichst) in die beim Erwerber bestehenden Versorgungssysteme integriert werden sollen, oder wenn die Pensionszusagen bisher mit Sicherungsinstrumenten zu ihrer Ausfinanzierung (z.B. Contractual Trust Arrangements) verknüpft sind, die der Erwerber nicht ohne weiteres fortführen kann. Der Gesetzgeber und vor allem das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben zu den möglichen Integrationsszenarien eine ausdifferenzierte Systematik entwickelt, die die Gestaltungsautonomie des Erwerbers bei den einzelnen Szenarien mit unterschiedlicher Intensität beschränkt, generell aber interessengerechte Gesamtlösungen ermöglicht.
Die bedarfsgerechte Fortführung der Pensionszusagen und ihre Integration in die beim Erwerber bestehenden Versorgungssysteme wird aus arbeitsrechtlicher Sicht in der Transaktion im Ausgangspunkt von zwei Ankern gesetzt, die regelmäßig miteinander verknüpft sind: Einerseits von der Transparenz der in der Due Diligence übermittelten Informationen und Dokumentationen und der damit verbundenen Vollständigkeit der arbeitsrechtlichen Analyse und andererseits von den vom Erwerber im Kaufvertrag durchgesetzten Garantien und sonstigen Risikoverteilungen zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer.
Die vollständige arbeitsrechtliche Analyse ist unabdingbar für eine rechtssichere Bestimmung der bestehenden Rechtsgrundlagen zu den Pensionszusagen. Sie umfasst auch die Untersuchung der Wirksamkeit von früheren Modifizierungen der Leistungspläne. Sind die jeweiligen Leistungspläne in kollektivrechtlichen Vereinbarungen – und hier vor allem in Betriebsvereinbarungen – geregelt, hat die Analyse sich auch auf etwaige Begleitmaterialien zu den getroffenen Vereinbarungen (wie z.B. Protokollnotizen, gesonderte Abreden oder sonstige (E-Mail-) Korrespondenz zwischen den Betriebsparteien) zu erstrecken, um ein umfassendes (historisches) Regelungsverständnis über die einzelnen Rechtsgrundlagen sicherzustellen. Sind die Pensionszusagen mit Sicherungsinstrumenten zu ihrer insolvenzfesten Ausfinanzierung verknüpft (z.B. Contractual Trust Arrangements, Rückdeckungsversicherungen), sollte der Erwerber in der Due Diligence die mögliche Fortführung des einzelnen Sicherungsinstrumentes abschließend geprüft haben und im Kaufvertrag dahingehende maßgebliche Regelungen, insbesondere zur möglichen Fortführung/Übertragung der Sicherungsinstrumente bzw. zur etwa erforderlichen Modifizierung, getroffen haben.
Im Idealfall hat der Erwerber in der Due Diligence sämtliche materiell relevanten Informationen über die Pensionszusagen erhalten, konnte in der Due Diligence eine vollständige Risikoanalyse durchführen und konnte bereits konkrete Szenarien zur möglichen Integration der Pensionszusagen in die bestehenden Versorgungssysteme durchspielen. Im Idealfall konnte der Erwerber zudem im Kaufvertrag alle wirtschaftlichen Implikationen aus etwaigen arbeitsrechtlichen Risiken (etwa zu einer unwirksamen Ablösung von Pensionszusagen in der Zielgesellschaft in der Vergangenheit und der damit verbundenen Fortgeltung der – wirtschaftlich aus Arbeitgebersicht teureren – Vorgängerzusagen oder zur unwirksamen Unterlassung der Anpassung von Rentenleistungen gemäß § 16 BetrAVG) mit Garantie- und Kostenfreistellungszusagen auf den Veräußerer abwälzen. Schließlich inkludiert der Idealfall, dass der Erwerber zu den einzelnen Pensionszusagen etwa bestehende Sicherungsinstrumente unverändert fortführen kann.
Im Normalfall stellt sich das Bild allerdings differenzierter dar: Der Erwerber konnte keine vollständige Risikoanalyse durchführen, da der Veräußerer in der Due Diligence nicht sämtliche maßgeblichen Informationen zu den Pensionszusagen zur Verfügung stellen wollte oder konnte. Verhältnismäßig hoch angesetzte wirtschaftliche Wertgrenzen für die risikoorientierte arbeitsrechtliche Prüfung in der Due Diligence ließen eine ausführliche Analyse der in den bestehenden Pensionszusagen enthaltenen arbeitsrechtlichen Risiken nicht zu. In den Kaufvertragsverhandlungen konnte der Erwerber die maßgeblichen Risiken nicht auf den Veräußerer übertragen und hat nach der abschließenden Vereinbarung des Kaufvertrages etwa insbesondere sämtliche Risiken für die Unwirksamkeit einer in der Vergangenheit erfolgten Modifizierung der bestehenden Pensionszusagen selbst zu tragen. Die bestehenden Sicherungsinstrumente – insbesondere ein nur für konzerneigene Unternehmen des Veräußerers vorbehaltenes Contractual Trust Arrangement-Modell – kann der Erwerber nicht fortführen.
Für die bedarfsgerechte Fortführung der Pensionszusagen und die Entscheidung über ihre mögliche Integration in die bestehenden Versorgungssysteme hat der Erwerber nach Abschluss der Transaktion den tatsächlichen Status der beiden vorgenannten Anker realistisch einzuschätzen und daraus die für die bedarfsgerechte Fortführung erforderlichen Handlungen abzuleiten. Die erforderlichen Handlungen werden dabei im Kern definiert durch die gewählte Transaktionsform (Share Deal bzw. Asset Deal, der einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB inkludiert), durch den Durchführungsweg und durch die Rechtsgrundlage der einzelnen Pensionszusage .
Keine Integration – Die singuläre Fortführung der Pensionszusagen
Sollen die Pensionszusagen singulär, also unabhängig von einer beim Erwerber bisher bestehenden Versorgungssystematik, fortgeführt werden – weil eine Integration aus arbeitsrechtlicher bzw. wirtschaftlicher Sicht für den Erwerber nicht sinnvoll ist oder weil der Erwerber in seiner bisherigen Gesellschaft bzw. Unternehmensgruppe keine Versorgungssysteme der betrieblichen Altersversorgung betreibt –, hat der Erwerber die folgenden Leitsätze zu beachten:
Die Zustimmung des versorgungsbegünstigten Arbeitnehmers hat die Zielgesellschaft bei Überführung der Pensionszusage auf einen anderen Rechtsträger unter Beibehaltung des Durchführungsweges (etwa von der bisherigen konzerneigenen Pensionskasse der Zielgesellschaft auf eine eigene betriebliche Pensionskasse) einzuholen, wenn der Versorgungsbegünstigte nach dem Inhalt der Zusage einen Anspruch auf den konkreten Durchführungsweg über den konkreten Versorgungsträger hat (vgl. BAG Urt. v. 12.06.2007, 3 AZR 186/06) oder wenn die Versorgungszusage für den Versorgungsbegünstigten nach dem Wechsel des Durchführungsweges einen gegenüber der ursprünglichen Zusage ungünstigeren Leistungsinhalt hat. Der
Zustimmung des Versorgungsbegünstigten bedarf die Zielgesellschaft auch, wenn sie die Pensionszusage angesichts der nicht mehr möglichen Fortführung über die bisherige konzerneigene Pensionskasse bzw. Unterstützungskasse in eine Direktzusage umwandeln möchte und die Pensionszusage einen Anspruch des Versorgungsbegünstigten auf den bisherigen Durchführungsweg enthält (BAG Urt. v. 17.06.2008, 3 AZR 254/07). Handelt es sich dagegen um eine „gleichwertige Nettozusage“ und hat der Versorgungsbegünstigte nach dem Inhalt der Pensionszusage keinen Anspruch auf den konkreten Durchführungsweg, ist es aus arbeitsrechtlicher Sicht mit guten Gründen vertretbar, die Änderung in der Durchführung ohne Zustimmung des Versorgungsbegünstigten vorzunehmen.
Der Betriebsrat ist zu beteiligen, wenn die für die Fortführung der Pensionszusagen erforderlichen Handlungen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG berühren. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die bisher über eine Unterstützungskasse bzw. eine Pensionskasse erteilten Versorgungszusagen von einem anderen Rechtsträger bei Beibehaltung des Durchführungswegs übernommen werden sollen. In diesem Fall hat der Betriebsrat bei einer Fortführung der Pensionszusage über eine eigene Pensionskasse bzw. Unterstützungskasse insbesondere ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hinsichtlich der (Rechts-)Form, der Ausgestaltung und der Verwaltung der Unterstützungskasse (BAG Urt. v. 26.04.1988, 3 AZR 168/86). Dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliegt demgegenüber in diesen Fällen nicht die Fortführung der Pensionszusage über eine marktbezogene Pensionskasse bzw. Unterstützungskasse (BAG Urt. v. 22.04.1986, 3 AZR 100/83). Zudem hat der Erwerber im Einzelfall zu prüfen, ob die für eine Fortführung der Pensionszusage erforderlichen Handlungen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auslösen.
Beruhte die Pensionszusage vor der Transaktion auf einer kollektivrechtlichen Rechtsgrundlage (Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag), kann sich der Rechtscharakter der Pensionszusage ändern, wenn die bisherige Rechtsgrundlage nach der Transaktion angesichts der Transaktionsstruktur nicht fort gilt. Dies etwa bei einer tarifvertraglichen Rechtsgrundlage, weil der Erwerber nicht Mitglied des relevanten Arbeitgeberverbandes (bei Verbandstarifverträgen) ist oder mit der relevanten Gewerkschaft keinen Anerkennungstarifvertrag über die bisherige tarifvertragliche Rechtsgrundlage (bei Firmentarifverträgen) abschließt. Bei Betriebsvereinbarungen, wenn der Betrieb aufgrund der Transaktion seine betriebsverfassungsrechtliche Identität verliert (insbesondere bei Betriebsteilübergängen im Sinne des § 613a BGB). In diesen Fällen gelten die bisherigen Rechtsgrundlagen nach Maßgabe der Regelung des § 613a Abs. 1 S. 2 und 3 BGB fort. Wird das mit einer Pensionszusage aufgrund einer Betriebsvereinbarung versehene Arbeitsverhältnis mit Vollzug der Transaktion in einen bereits bestehenden Betrieb des Erwerbers integriert, bei dem schon vor der Transaktion eine Betriebsvereinbarung mit einer Pensionszusage galt, entfaltet die Betriebsvereinbarung nach der Rechtsprechung des BAG gemäß § 613a Abs. 1 S. 3 BGB generell nur auf die nach dem Betriebsübergang vom Arbeitnehmer erdienten Anwartschaften Anwendung, während der Besitzstand aus den vor dem Betriebsübergang erdienten Anwartschaften sich generell nach den Regelungen der bisherigen Betriebsvereinbarung bestimmt (BAG Urt. v. 24.07.2001, 3 AZR 669/00).
Integration – Die Fortführung der Pensionszusagen im ganzheitlichen Versorgungssystem des Erwerbers
Mehr Handlungserfordernisse hat der Erwerber zu verzeichnen, wenn er die in der Zielgesellschaft (Share Deal) bzw. in dem übernommenen Betrieb bzw. Betriebsteil (Asset Deal) bestehenden Pensionszusagen in die bei ihm bereits bestehenden Versorgungssysteme integrieren möchte. Der Erwerber hat in diesem Fall regelmäßig vor der Bestimmung der Handlungserfordernisse eine weitere rechtliche Analyse durchzuführen, die im Kern die Beurteilung der rechtlichen (Un-) Möglichkeit der gewünschten Integration zum Gegenstand hat. Im Ausgangspunkt ist dabei zu unterscheiden, ob die Integration bereits aufgrund einer Kollision der relevanten Rechtsgrundlagen für die übernommenen Pensionszusagen einerseits und für das beim Erwerber bereits bestehende Versorgungssystem anderseits auszusteuern ist, oder ob der Erwerber für die Integration weitere eigenständige Handlungen durchzuführen hat. Der erste Fall kann typischerweise (nur) beim Asset-Deal eintreten, während eigenständige Modifikationsmaßnahmen typischerweise erforderlich sind, wenn die beim Veräußerer bestehenden Pensionszusagen zunächst unverändert beim Erwerber fortgelten (können).
Eine wirksame Integration kann und wird der Erwerber in der Praxis regelmäßig nur für die Pensionszusagen von aktiven Arbeitnehmern herbeiführen. Dies ergibt sich für den Asset Deal bereits aus dem sich ausschließlich auf den Kreis der aktiven Arbeitnehmer beschränkten Umfang der übernommenen Versorgungsverpflichtungen und beim Share Deal aus den restriktiven Anforderungen an die inhaltliche Änderung von Versorgungszusagen von mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Versorgungsanwärtern bzw. Leistungsempfängern im Hinblick auf das in § 3 BetrAVG bestimmte gesetzliche Abfindungsverbot.
Dies gilt in jedem Fall für Pensionszusagen, die aufgrund einer individualrechtlichen Rechtsgrundlage (Einzelzusage, Gesamtzusage, betriebliche Übung) gewährt werden. Änderungen dieser Pensionszusagen zur Anpassung an die beim Erwerber – konzern- bzw. gruppenweit – bestehenden Versorgungssysteme bedürfen generell der Zustimmung des Arbeitnehmers. Die Wirksamkeit der Zustimmung unterliegt – in den allgemeinen Grenzen der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) bzw. der Anfechtbarkeit wegen Drohung bzw. Täuschung (§ 123 BGB) – generell keinen weiteren Anforderungen. Insbesondere kann der Arbeitnehmer auch einer sein (bisheriges) Versorgungsniveau verschlechternden Regelung zustimmen. Ausnahmsweise ist eine Zustimmung zu einer solchen Verschlechterung unwirksam, wenn die Zustimmung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (etwa im Rahmen eines Aufhebungsvertrages) erfolgt; die Zustimmung und der in ihr inkludierte Verzicht gegen die zukünftigen Versorgungsanwartschaften in der Anwartschaftshöhe gemäß der bisherigen Pensionszusage verstößt in diesem Fall generell gegen das Abfindungsverbot gemäß § 3 BetrAVG (BAG Urt. v. 14.08.1990, 3 AZR 301/89). In der Praxis stimmen die nach der bisherigen Pensionszusage begünstigten Arbeitnehmer einer verschlechternden Regelung in der Regel allenfalls dann zu, wenn die mit der Integration verbundene Verschlechterung des zukünftigen Versorgungsniveaus anderweitig ausgeglichen wird (etwa durch eine Erhöhung einzelner sonstiger Vergütungsbestandteile).
Ist die bisherige Pensionszusage auf der Grundlage einer Gesamtzusage erteilt und ist in der Zielgesellschaft ein Betriebsrat gewählt, kann eine Integration auch ohne Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers durch Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung erreicht werden, wenn (1) die Gesamtzusage eine Öffnungsklausel für eine Betriebsvereinbarung enthält, (2) die Neuregelung bei kollektiver Betrachtung insgesamt für die betroffenen Arbeitnehmer nicht ungünstiger ist als die bisherige Versorgungszusage und (3) – im Fall der Verschlechterung der mit der Integration verbundenen modifizierten rechtlichen Rahmenbedingungen – den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gemäß der vom BAG hierzu entwickelten Drei-Stufen-Theorie genügt (zu den Anforderungen im Einzelnen siehe unseren Beitrag im Pensions Update 02/2015 „Modifizierung von betrieblichen Versorgungssystemen: Arbeitsrechtliche Chancen und Risiken“ (https://kpmg-law.de/docs/Pensions_Update_Sommer_2015.pdf#page=7).
Auch auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen Rechtsgrundlage (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) bestehende Pensionszusagen gelten beim Share Deal nach dem Transaktionsstichtag generell unverändert fort. Ist die Pensionszusage in einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung geregelt, kommt im Einzelfall – unter restriktiven Voraussetzungen – eine Ablösung durch eine in der Konzerngruppe des Erwerbers bestehende Konzernbetriebsvereinbarung in Betracht. Die Modifizierung der Betriebsvereinbarung zur (konzernweiten) Vereinheitlichung der Versorgungssysteme hat den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gemäß der Drei-Stufen-Theorie des BAG zu genügen. Verweigert der Betriebsrat eine Änderung der Pensi-onszusage, kann der Arbeitgeber die Änderung im betriebsverfassungsrechtli-chen Einigungsstellenverfahren herbeiführen. Führt das Einigungsstellenverfahren nicht zum gewünschten Ergebnis – insbesondere da die Integration in das bestehende (gruppenweite) Versorgungssystem zu einer Verschlechterung des (zukünftigen) Versorgungsniveaus führen würde und das Ergebnis des Einigungsstellenverfahrens hinter dem erforderlichen Integrationsstatus zurück bleibt – kann der Arbeitgeber die Modifizierung der Pensionszusage nicht durch eine Einzelvereinbarung herbeiführen, da diese der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (§ 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG) und der Betriebsrat diese Zustimmung dann generell nicht erteilen dürfte.
Regelmäßig wird in allen Fallkonstellationen der Modifizierung durch eine Betriebsvereinbarung eine Integration nur für die nach dem Vollzug der Transaktion erdienbaren Versorgungsanwartschaften in Betracht kommen, während die bis zum Vollzugszeitpunkt nach der bisherigen Pensionszusage erdienten Versorgungsanwartschaften als Besitzstände bestehen bleiben.
Beruht die Pensionszusage auf einer kollektivrechtlichen Rechtsgrundlage, ist die mögliche unmittelbare Ablösung der bestehenden Pensionszusage durch eine bereits beim Erwerber bestehende kollektivrechtliche Rechtsgrundlage aufgrund einer Kollision davon abhängig, ob die beim Erwerber bestehende Regelung (insbesondere, wenn diese in einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung bestimmt ist) auch die Kraft eines Betriebsübergangs auf den Erwerber übergehenden Arbeitsverhältnisses erfassen soll und die Ablösung den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gemäß der vom BAG entwickelten Drei-Stufen-Theorie genügt. Dies gilt sowohl in dem Fall, in dem die bisherige Betriebsvereinbarung auch nach dem Vollzugszeitpunkt kollektivrechtlich fort gilt (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB) oder – insbesondere bei einem Betriebsteilübergang – gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB in das einzelne Arbeitsverhältnis inkorporiert wird.
Kann eine unmittelbare Ablösung nach den vorstehenden Rechtssätzen nicht erfolgen, hat der Erwerber zur Integration der Pensionszusage in das ganzheitliche Versorgungssystem des Erwerbers eine eigenständige kollektivrechtliche Regelung mit dem zuständigen Betriebsrat (bzw. bei einer tarifvertraglichen Rechtsgrundlage mit der zuständigen Gewerkschaft) abzuschließen. Die Reichweite der Zulässigkeit der modifizierten Regelung beurteilt sich wiede-rum nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gemäß der Drei-Stufen-Theorie.
Fazit:
Die bedarfsgerechte Fortführung und hier vor allem die vom Erwerber be- absichtigte wirksame Integration der im Wege des Unternehmenskaufs übernommenen Pensionszusagen ist abhängig von der rechtswirksamen Anwendung der für das Versorgungssystem zu beachtenden arbeitsrechtlichen Rahmenbe- dingungen. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen sind idealerweise bereits in der Due Diligence zu dem Unternehmenskauf und spätestens in der Post-Transaktionsphase im Sinne einer ganzheitlichen Projektierung zu berücksichtigen. Zugleich setzt die arbeitsrechtliche Bewertung auf einer bedarfsgerechten strategischen und ökonomischen Entscheidung des Arbeitgebers über die zu- künftige Fortführung der Pensionszusagen und ihre etwaige Integration in das ganzheitliche Versorgungssystem auf – die arbeitsrechtliche Komponente stellt für die Modifizierung des Versorgungssystems die rechtlichen Spielregeln und Gestaltungsinstrumente auf, ersetzt aber nicht das finale Zielbild für die weitere Durchführung der Pensionszusagen.
Erste Versicherungsgesellschaften haben angekündigt, das Ge-schäft mit klassischen Lebensversicherungen einzustellen. Wie sehen alternative Lebensversicherungsprodukte aus?
Das Niedrigzinsumfeld der vergangenen Jahre und die seit dem 1. Januar 2016 geltenden Regelungen des neuen Aufsichtsrechts Solvency II, welche eine höhere Eigenkapitalhinterlegung von lebenslangen Garantien fordern, beeinflussen das bisherige Geschäft der Lebensversicherungsgesellschaften. Daher wollen erste Anbieter keine klassischen Lebensversicherungen, deren Leistungen auf Basis eines gesetzlich vorgeschriebenen Höchstrechnungszinssatzes kalkuliert werden, mehr anbieten. Es ist noch ungewiss, ob dies auch für die betriebliche Altersversorgung gilt.
Einige wenige Anbieter haben bereits neue „innovative“ Lebensversicherungsprodukte entwickelt. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber den klassischen Produkten ist, dass bei der Kalkulation der Versicherungsleistung keine Garantieverzinsung zugrunde gelegt wird. Regelmäßig wird nur noch die Summe der gezahlten Beiträge zu Rentenbeginn, seltener auch im Fall des vorzeitigen Todes, garantiert. Vor dem Hintergrund der Vorgaben des Betriebsrentengesetzes, wonach der Arbeitgeber neben einer Leistungszusage „nur“ eine beitragsorientierte Leistungszusage oder eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilen darf, sollten die innovativen Produkte einzelfallbezogen in Bezug auf die mögliche Nachschussverpflichtung des Arbeitgebers überprüft werden.
Weitere Unterschiede von innovativen gegenüber klassischen Lebensversicherungsprodukten sind etwa, dass die Rechnungsgrundlagen nicht mehr für die komplette Vertragslaufzeit einschließlich der Rentenphase garantiert werden. Zu Rentenbeginn kommen vielmehr die dann gültigen Rechnungsgrundlagen (insbesondere Zins, Sterblichkeit) zur Anwendung. Einzelne Produkte orientieren sich ferner an der Wertentwicklung eines bestimmten Aktienindexes oder partizipieren an der Entwicklung individuell ausgewählter Einzelfonds oder vordefinierter Anlagestrategien.
Die vorstehende – nicht abschließende Aufzählung – zeigt die Unterschiedlichkeit der Produkte. Dies geht einher mit einer mangelnden Transparenz, zum Beispiel über die Beitragsaufteilung: Fraglich ist, welcher Beitrag zur Sicherung des Bei- tragserhalts „zurückgelegt“ und welcher Teil in die innovative Komponente inves-tiert wird. Gleichzeitig führt dies unmittelbar dazu, dass kaum noch eine Vergleichbarkeit von verschiedenen Produkten und Versicherungsunternehmen möglich ist. Dies erschwert die Beratung und letzten Endes die Entscheidung des Mandanten für ein konkurrenzfähiges Produkt.
Die Gerichte waren in den letzten Monaten auch in den sonstigen Bereichen der betrieblichen Altersversorgung aktiv. Unser Rechtsprechungsteil behandelt Urteile des BAG (1) zur Anpassungsprüfung von Rentenleistungen gemäß § 16 BetrAVG bei konzernbezogenen Sachverhalten mit Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, (2) zur verschlechternden Ablösung einer Versorgungszusage aus einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung sowie (3) zur Ermittlung des ruhegeldfähigen Einkommens bei Gewährung einer Fixvergütung und einer variablen Vergütung. Abgerundet wird dieser Rechtsprechungsteil mit Leitsätzen des BAG aus jüngsten Urteilen unter anderem zur Wirksamkeit von Spätehenklauseln, die zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe (bisher nur) in Pressemitteilungen veröffentlicht worden sind.
Die Pflicht zur Prüfung und Durchführung der Anpassung von Betriebsrentenleistungen gemäß § 16 BetrAVG trifft auch in Konzernsachverhalten generell den die Versorgungszusage erteilenden Arbeitgeber als Versorgungsschuldner. Bei der Anpassungsprüfung ist daher generell ausschließlich die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners heranzuziehen.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz lässt die Rechtsprechung bei einem sog. Berechnungsdurchgriff zu. Dabei wird dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Fähigkeit zur Anpassung der Rentenleistungen zugerechnet. Der Berechnungsdurchgriff führt dazu, dass ein Arbeitgeber, der selbst wirtschaftlich nicht zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage ist, gleichwohl eine Anpassung der Rentenleistungen durchführen muss, wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Konzernunternehmens dies zulässt. Die Rechtsprechung fordert hierzu grundsätzlich einen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung (s. nur BAG Urt.
v. 29.09.2010, 3 AZR 427/08). Einen solchen Gleichlauf erkennt das BAG an, wenn zwischen den Konzernunternehmen zum Anpassungsstichtag ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag besteht und die wirtschaftliche Abhängigkeit des beherrschten Unternehmens vom herrschenden Unternehmen so vollständig ist, dass dessen wirtschaftliche Lage für den Rechtsverkehr nicht zählt (BAG Urt. v. 26.10.2010, 3 AZR 502/08), oder wenn sich ein Konzernunternehmen aufgrund einer anderweitigen Zusage gegenüber dem Versorgungsschuldner rechtsverbindlich zur Erfüllung der Verpflichtungen des Versorgungsschuldners aus den Versorgungszusagen verpflichtet (BAG Urt. v. 21.10.2014, 3 AZR 1027/12, s. hierzu unsere Besprechung im Pensions Update 02/2015: http://kpmglaw.de/docs/Pensions_Update_Mai_2015.pdf#page=8). Für die erstgenannte Fallgruppe ließ das BAG bisher das bloße Bestehen des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages für die Zurechnung genügen; nach bisheriger Auffassung des BAG begründete das in einem solchen Vertrag enthaltene Beherrschungselement die unwiderlegbare Vermutung, dass das herrschende Unternehmen jederzeit auf das Vermögen des beherrschten Versorgungsschuldner zugreifen und insoweit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldner ohne Rücksichtnahme auf Interessen des Versorgungsschuldners uneingeschränkt beeinflussen könne. Diese Rechtsauffassung des BAG ist in der jüngeren Zeit in der oberinstanzlichen Rechtsprechung auf Kritik gestoßen (s. nur OLG Frankfurt Urt. v. 26.01.2015, 16 U 56/14).
In seiner Entscheidung vom 10. März 2015 (3 AZR 739/13) hat das BAG diese Kritik aufgegriffen und seine bisherige Rechtsprechung korrigiert.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt bezog der Kläger eine seit dem Eintritt des Versorgungsfalls im Jahr 1999 der Höhe nach unveränderte Betriebsrente. Zwischen seinem Konzernarbeitgeber als Versorgungsschuldner und der Konzernmuttergesellschaft bestand ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag. Der Versorgungsschuldner stellte im Jahr 1999 den operativen Geschäftsbetrieb ein, in der Folgezeit schloss er nahezu jedes Geschäftsjahr mit einem Verlust ab, den die Konzernmuttergesellschaft jeweils aufgrund des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages ausglich. Der Versorgungsschuldner unterließ unter Verweis auf seine Verluste durchgehend die Anpassung der Betriebsrentenleistungen der Rentenempfänger. Der Kläger begehrte mit seiner Klage eine Anpassung seiner Rentenleistungen unter Verweis auf den bestehenden Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag.
Das BAG wies die Klage ab. Das bloße Bestehen eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages begründe keine unwiderlegbare Vermutung des rücksichtslosen Zugriffs der herrschenden Konzerngesellschaft auf den Versorgungsschuldner. Vielmehr bedürfe es der konkreten Verwirklichung der im Beherrschungsvertrag für den Versorgungsschuldner diesbezüglich zu verzeichnenden Gefahrenlage. Sind dagegen Weisungen der herrschenden Gesellschaft, die das Eigeninteresse des Versorgungsschuldners außer Acht lassen, nicht erteilt worden, oder haben erteilte Weisungen nicht dazu geführt, dass sich die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners in einer Weise verschlechtert hat, die eine Betriebsrentenanpassung ausschließt, besteht nach der nunmehrigen Auffassung des BAG kein Grund für einen Berechnungsdurchgriff.
Das BAG erlegt dem Versorgungsschuldner allerdings bei einer von ihm beabsichtigten (Teil-) Aussetzung der Rentenleistungen im Hinblick auf den bestehenden Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag eine umfassende Darlegungs- und Beweislast auf:
Kann der Arbeitgeber diese Darlegungslast nicht erfüllen, gilt nach Auffassung des BAG die Behauptung des Arbeitnehmers zur Verwirklichung der Gefahrenlage als zugestanden.
Fazit: Die Modifizierung der Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung bei einem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag ermöglicht Konzernarbeitgebern mit nachhaltig negativen wirtschaftlichen Ergebnissen Möglichkeiten zur kapitalverbessernden (Teil-)Aussetzung der Anpassung der Betriebsrentenleistungen nach § 16 BetrAVG. Gleichzeitig fordert das vom BAG in seinem Urteil zur fehlenden Risikoverwirklichung des Beherrschungselements aus dem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages auf Seiten des Arbeitgebers eine sorgfältige Aufbereitung der entsprechenden Argumentation und Dokumentation bei der Anpassungsprüfung.
Anpassung von Rentenleistungen: Keine hypothetischen Verrechnungspreise bei konzerninternen Verrechnungspreisabreden und der „bloße“ Personalabbau als untaugliches alleiniges Indiz für die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers (BAG Urt. v. 10.02.2015, 3 AZR 37/14 und v. 21.04.2015, 3 AZR 729/13)
Für die Rechtspraxis klargestellt hat das BAG in seinen Urteilen vom 10. Februar 2015 (Verrechnungspreis I) sowie vom 21. April 2015 (Verrechnungspreis II) die Behandlung von konzerninternen Verrechnungspreisabreden und eines „bloßen“ Personalabbaus als (vermeintliche) Argumentation des Arbeitgebers für seine fehlende Leistungsfähigkeit zur Anpassung der Rentenleistungen.
In den beiden Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten umfasste die operative Geschäftstätigkeit des jeweiligen Arbeitgebers ausschließlich bzw. überwiegend die Erbringung von konzerninternen Leistungen auf der Grundlage von hierzu abgeschlossenen Verrechnungspreisabreden. Die Verrechnungspreisabreden hatten die beteiligten Konzerngesellschaften jeweils mit dem zuständigen Finanzamt abgestimmt. In der Verrechnungspreis I-Entscheidung sah die Verrechnungspreisabrede einen über den Marktpreis liegenden Verrechnungspreis vor, der dazu führte, dass der Arbeitgeber in dem anpassungsrelevanten Zeitraum durchgehend jeweils ein positives Jahresergebnis erzielte. Der Arbeitgeber lehnte die Anpassung der Rentenleistungen mit der Begründung ab, dass die Verrechnungspreisabrede in der konkreten Höhe ausschließlich zur bedarfsgerechten Steuerung der konzerninternen Leistungsströme bestimmt worden sei und er bei Ansatz des Marktpreises durchgehend ein negatives Jahresergebnis erzielt hätte. In der Verrechnungspreis II-Entscheidung lag der Verrechnungspreis unterhalb des Marktpreises und der Arbeitgeber erzielte in dem anpassungsrelevanten Zeitraum durchgehend jeweils ein negatives Jahresergebnis. Der Arbeitgeber lehnte unter Berufung auf diese negativen Jahresergebnisse die Rentenanpassung ab. Der klagende Arbeitnehmer begehrte eine Anpassung mit der Begründung, dass der Arbeitgeber bei Ansatz eines marktkonformen Verrechnungspreises in dem anpassungsrelevanten Zeitraum durchgehend ein positives Jahresergebnis erzielt hätte. Das BAG stellte in beiden Entscheidungen klar, dass für die Beurteilung der Rentenanpassung die im anpassungsrelevanten Zeitraum tatsächlich durchgeführten Verrechnungspreisabreden maßgeblich sind; dies jedenfalls, wenn die Verrechnungspreisabreden jeweils mit dem Finanzamt abgestimmt sind. Hypothetische Verrechnungspreise seien nicht zu berücksichtigen.
In der Verrechnungspreis I-Entscheidung hatte der Arbeitgeber die Aussetzung der Anpassung zudem auf den Sachverhalt gestützt, dass er in dem anpassungsrelevanten Zeitraum einen umfassenden Personalabbau zur Kostenoptimierung durchgeführt habe und eine etwa durchzuführende Rentenanpassung einen weiteren Personalabbau zur Folge gehabt hätte. Das BAG folgte der Argumentation des Arbeitgebers nicht. Es stellte in der Verrechnungspreis I-Entscheidung klar, dass die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers durch seine Ertragskraft im Ganzen geprägt sei und deshalb ein Arbeitsplatzabbau für sich betrachtet nichts über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners aussage. Der Arbeitgeber könne eine Anpassung der Betriebsrenten insbesondere nicht allein mit der Begründung ablehnen, eine Verpflichtung zur Betriebsrentenanpassung hätte einen (weiteren) Stellenabbau zur Folge. Der zur Kostenoptimierung vorgenommene Arbeitsplatzabbau bilde nach Auffassung des BAG ein bloßes Indiz für die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners, das der Versorgungsschuldner durch eine konkrete Darlegung der weiteren Rahmenparameter zu untermauern habe (s. hierzu den Beitrag im Pensions Update 03/2014, http://www.kpmg-law.de/docs/Pensions_Update_03.pdf#page=2).
Fazit: Das BAG erteilt in den Verrechnungspreis-Entscheidungen einer Rosinentheorie eine Absage. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers zur Rentenanpassung ist die gelebte Praxis entscheidend und ist die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners unter Berücksichtigung der tatsächlich genutzten bilanz- und steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für die Abbildung der Ertragslage zu ermitteln. Das BAG erteilt damit dem oft von Versorgungsschuldnern gewählten Ansatz eine Absage, für die Darlegung der wirtschaftlichen Lage hypothetische Wahlmöglichkeiten heranzuziehen, die der Versorgungsschuldner bei der (steuer-) bilanziellen Abbildung seiner Geschäftstätigkeit indessen bewusst nicht gewählt hat. Für die Praxis hilfreich ist zudem der Hinweis, dass ein bloßer, zur Kostenoptimierung durchgeführter Arbeitsplatzabbau für sich kein Indiz für die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners bilden kann.
Ablösung von bAV-Zusagen auf der Grundlage einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung – Modifizierung der Rechtsprechung zur Ablösungsmöglichkeit (BAG Urt. v. 10.03.2015 3 AZR 56/14)
Die Wirksamkeit der Modifizierung einer individualrechtlichen Versorgungszusage – vor allem zu einer kostenoptimierenden Reduzierung des Leistungsniveaus – durch eine Kollektivvereinbarung (und hier vor insbesondere durch eine Betriebsvereinbarung) bedarf generell der Erfüllung von zwei Voraussetzungen (s. dazu ausführlich den Beitrag „Modifizierung von betrieblichen Versorgungssystemen: Arbeitsrechtliche Chancen und Risiken“ im Pensions Update 02/2015: http://www.kpmg-law.de/docs/Pensions_Update_Sommer_2015.pdf#page=7):
Die wirksame Durchführung der Ablösung der individualrechtlichen Versorgungszusage durch eine Betriebsvereinbarung bedarf generell der Zustimmung des Arbeitnehmers. Ausnahmsweise lässt das BAG eine Ablösung ohne Zustimmung des Arbeitnehmers zu, wenn die Versorgungszusage einen Vorbehalt zur späteren Ablösbarkeit durch eine Kollektivvereinbarung (Betriebsvereinbarung) enthält. Das BAG forderte hierzu in seiner bisherigen Rechtsprechung, dass eine solche Öffnungsklausel ausdrücklich in der individualrechtlichen Versorgungszusage enthalten ist, dies sowohl für eine einzelvertragliche Zusage als auch für eine Zusage aufgrund einer Gesamtzusage. (BAG Urt. v. 26.04.1988, 3 AZR 277/87). Diese Rechtsprechung schränkte in der Vergangenheit die Modifizierung von AltGesamtzusagen („Versorgungsordnung“), die Arbeitgeber vor allem in den 1970er Jahren mit großzügig dotierten Versorgungsvolumen erteilt hatten, erheblich ein, da sie zumeist keine solche Öffnungsklausel enthielten. Insbesondere Arbeitgeber, die Versorgungsordnungen ohne Öffnungsklauseln in der Vergangenheit relativ spät bzw. sogar noch gar nicht für Neueintritte geschlossen hatten, konnten den in der jüngeren Zeit im Niedrigzinsumfeld erheblich gestiegenen Pensionsrückstellungen nur mit sehr eingeschränkten Gegenmaßnahmen begegnen.
In seinem Urteil vom 10. März 2015 hatte das BAG die Gelegenheit, seine bisherige Rechtsprechung zur (fehlenden) kollektivrechtlichen Ablösbarkeit von Gesamtzusagen ohne explizite Öffnungsklausel zu überdenken. Gegenstand der Entscheidung war die Versorgungsordnung 1976 der früheren Karstadt AG (VO 1976), die die Gesellschaft ihren in der Zeit von 1976 bis 1982 in das Unternehmen eintretenden Mitarbeitern im Wege der Gesamtzusage erteilt hatte. Die VO 1976 sah unter anderem (Alters-)Versorgungsleistungen in Höhe von 18% des letzten ruhegehaltsfähigen Einkommens zuzüglich 1% des ruhegehaltsfähigen Einkommens für jedes nach Erfüllung der Wartezeit geleistete volle Jahr der anrechnungsfähigen Firmenzugehörigkeit bis zum Höchstbetrag von 30% des ruhegehaltsfähigen Einkommens vor. Die VO 1976 enthielt keine explizite Öffnungsklausel. Eine 1982 zur Ablösung der VO 1976 abgeschlossene Betriebsvereinbarung (BV 1982) enthielt einen modifizierten Berechnungsmodus für die Versorgungsleistungen. Die BV 1982 inkludierte für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern mit einer Versorgungszusage nach der VO 1976 ein niedrigeres Leistungsniveau. Die klagende Arbeitnehmerin machte eine Unwirksamkeit der Ablösung der VO 1976 durch die BV 1982 unter anderem mit dem Argument geltend, dass die VO 1976 mangels einer Öffnungsklausel bereits nicht wirksam kollektivrechtlich durch die BV 1982 abgelöst werden konnte.
Das BAG folgte dieser Argumentation nicht (mehr). In Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung lässt es die kollektivrechtliche Ablösung einer Gesamtzusage durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung nunmehr generell zu. Dies mit dem Argument, dass die in einer Gesamtzusage bestimmten Regelungen der betrieblichen Altersversorgung auf einen längeren, unbestimmten Zeitraum angelegt und diese insoweit von vornherein – auch für die Begünstigten erkennbar – einem möglichen künftigen Änderungsbedarf ausgesetzt seien. Nur wenn sich die Gesamtzusage nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf die zum Zeitpunkt ihrer Erteilung maßgeblichen Versorgungsbedingungen richten soll bedürfe die Gesamtzusage ausnahmsweise (weiterhin) einer ausdrücklichen Öffnungsklausel für die Wirksamkeit der kollektivrechtlichen Ablösung ohne Beteiligung des Arbeitnehmers.
Fazit: Die Änderung der Rechtsprechung des BAG ist für die Praxis äußerst hilfreich. Arbeitgeber können den – insbesondere aus dem Niedrigzinsumfeld resultierenden – erheblichen wirtschaftlichen Belastungen aus Alt-Gesamtzusagen ohne Öffnungsklausel nunmehr durch eine abändernde Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit gemäß der Drei-Stufen-Theorie des BAG begegnen. Die vom BAG noch für die Erforderlichkeit der Öffnungsklausel bestimmte Fallgruppe, dass sich die Gesamtzusage nach ihrem Zusageinhalt auf die zum Zusagezeitpunkt maßgeblichen Versorgungsbestimmungen beschränkt, dürfte in der Praxis nur selten zu verzeichnen sein.
Auslegung einer Versorgungsordnung in Bezug auf die Ermittlung der ruhegeldfähigen Vergütung (BAG Urt. v. 04.08.2015 3 AZR 479/13)
Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern leistungsbezogene Versorgungszusagen mit endgehaltsbezogenen Rentenleistungen erteilen, sind bei unklaren, aber auch bei sehr ausdifferenzierten Regelungen zu den maßgeblichen Leistungsparametern in der Versorgungszusage oft Auseinandersetzungen mit den betroffenen Arbeitnehmern über die konkrete Kalkulation der Rentenleistungen ausgesetzt.
Diese Erfahrung musste auch der Arbeitgeber in dem der Entscheidung des BAG vom 4. August 2015 zugrunde liegenden Sachverhalt machen: Er hatte seinen Arbeitnehmern endgehaltsbezogene Rentenleistungen in einer als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen Versorgungszusage zugesagt.
Nach der Betriebsvereinbarung sollten sich die Rentenleistungen nach der Höhe des in den letzten 12 Monaten des Arbeitsverhältnisses durchschnittlich erzielten rentenfähigen Brutto-Arbeitseinkommens bestimmen. Für die Kalkulation des rentenfähigen Einkommens unterschied die Betriebsvereinbarung vier Personengruppen:
Der klagende (ehemalige) Arbeitnehmer erzielte gemäß dem zuletzt vereinbarten Arbeitsvertrag ein Jahreseinkommen als Fixgehalt und zusätzlich eine variable Vergütung in Höhe von maximal 20% des Jahreseinkommens. Der Arbeitnehmer schied vor dem Eintritt des Rentenfalls bei dem Arbeitgeber aus. Der Arbeitgeber teilte ihm nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die aus der Versorgungszusage erdienten unverfallbaren Versorgungsanwartschaften mit, die er auf der Basis einer Einordnung des Arbeitnehmers in die Personengruppe 3 gemäß der Betriebsvereinbarung errechnete und für die er (allein) das Fixgehalt berücksichtigte. Der Arbeitnehmer machte mit der Klage die Berechnung seiner Rentenleistungen auf der Basis seiner Einordnung in die Personengruppe 4 gemäß der Betriebsvereinbarung geltend. Die beiden vorinstanzlichen Gerichte gaben der Klage statt. Das BAG folgte dieser Einschätzung nicht, sondern bestimmte eine Berechnung der Pensionsleistungen auf der Basis der vom Arbeitgeber vorgenommenen Einordnung in die Personengruppe 3. Es begründete seine Rechtsauffassung damit, dass die Personengruppe 4 nach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung nur solche Personen erfasse, mit denen der Arbeitgeber jeweils von vornherein ein Gesamt(ziel-)gehalt vereinbart hat, in das bereits die erzielbare variable Vergütung mit einer konkreten EUR-Höhe berücksichtigt ist. Eine solche unmittelbare Einbeziehung der variablen Vergütung in das Gesamtgehalt sei im Arbeitsverhältnis des klagenden Arbeitnehmers nicht zu verzeichnen gewesen, da diesem der absoluten Höhe nach (nur) ein Fixgehalt zugesagt worden sei.
Fazit: Die Entscheidung kann hinsichtlich der Auslegung der konkreten Leistungsparameter in der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung als Einzelfallentscheidung verbucht werden. Sie zeigt allerdings anschaulich, dass Arbeitgeber bei der Erstellung von Versorgungszusagen – vor allem bei Leistungszusagen – für die Formulierung der konkreten Leistungsparameter zu den zugesagten Leistungen große Sorgfalt verwenden sollten. Dies vor allem, wenn die Zusage in einer Betriebsvereinbarung erteilt wird. Denn Betriebsvereinbarungen werden als Kollektivvereinbarungen von den Arbeitsgerichten wie Gesetze ausgelegt und unterliegen in allen Gerichtsinstanzen der uneingeschränkten Auslegungskontrolle. Im Zweifel sollten Arbeitgeber bei einer Verknüpfung der Rentenleistungen mit dem (letzten) Einkommen des Arbeitnehmers eine möglichst einfache Berechnungsformel verwenden, die etwa ausschließlich auf das zuletzt bezogene Fixgehalt Bezug nimmt. Andernfalls drohen Konflikte und damit verbundene – vor allem bei einer Vielzahl von betroffenen Arbeitnehmern kostspielige – Rechtsstreite über die konkreten Leistungsparameter.
Druckfrisch – Die jüngste Rechtsprechung des BAG in Leitsätzen:
Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 12. November 2015 den Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Mobilitäts- Richtlinie (2014/50/EU, EU-MobRL) angenommen. Die Annahme erfolgte nach der zweiten und dritten Lesung des Gesetzesentwurfes, nachdem der Ausschuss für Arbeit und Soziales (als federführenden Ausschuss sowie der Finanzausschuss und der Haushaltsausschuss den Gesetzesentwurf nach der ersten Lesung im Bundestag vom 15. Oktober 2015 ausführlich beraten hatten. Der Bundesrat hat dem Gesetz in seiner Sitzung am 18. Dezember 2015 zugestimmt.
Die finale Gesetzesfassung folgt in weiten Teilen dem Entwurf der Bundesregierung vom 8. Oktober 2015. Sie enthält zur wirksamen Anpassung der Versorgungsanwartschaften von ausgeschiedenen Versorgungsanwärtern den bereits im Gesetzesentwurf bestimmten Fallkatalog mit einer möglichen pauschalen jährlichen Anpassung von 1% sowie einer wirksamen Anpassung der Anwartschaft in der gleichen Weise wie die Anpassung der laufenden Leistungen gegenüber Versorgungsempfängern. Der Arbeitgeber kann insoweit die Anpassung bereits unterlassen, wenn er aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zu einer Anpassung der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG in der Lage ist (s. hierzu bereits unseren Bericht im Pensions Update 01/2015: http://www.kpmglaw.de/docs/Pensions_Update_Mai_2015.pdf).
In den letzten Zügen des Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber die Gesetzesfassung um eine Änderung des Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen ergänzt. Mit dieser Anpassung wird ab dem Jahr 2016 ein nicht-versicherungsförmiger Pensionsfonds auch während der Rentenbezugsphase ermöglicht. In diesem Fall sichert der Pensionsfonds auch nach Rentenbeginn keine garantierte Rente zu. Die Rente ist vielmehr an die Ertragslage des angelegten Kapitals gekoppelt; der Pensionsfonds kann damit eine risikoreichere Kapitalanlagepolitik mit der Chance auf höhere Erträge verfolgen. Die Pensionszusage hat in diesem Fall eine Mindestrente vorzusehen, die zu Beginn der Auszahlungsphase festgesetzt wird und für die der Arbeitgeber einsteht. Die Tarifparteien haben der Durchführung der Pensionszusage in dieser nichtversicherungsförmigen Form zuzustimmen. Eine im Gesetz enthaltene Verordnungsermächtigung erlaubt dem Bundesministerium für Finanzen, nähere Bestimmungen in Zusammenhang mit der Mindestrente zu erlassen.
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