In Kürze:
Eine diagnostizierte Prüfungsangst, sowie eine rezidivierend depressive Störung entsprechen nicht den Voraussetzungen für die Gewährung eines Nachteilsausgleiches i.S.v § 12 Abs. 5 PO. Der Antragstellerin ist aus diesem Grund ein Nachteilsausgleich, in Form einer Einzelprüfung an Stelle einer Gruppenprüfung, zu verwehren. Die Beeinträchtigung kann lediglich einen Rücktritt der Prüfung wegen „Prüfungsunfähigkeit“ begründen. Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit durch Dauerleiden sind nach ständiger Rechtsprechung generell nicht ausgleichsfähig.
Hintergrund:
Die Antragstellerin, Medizinstudentin, begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung eines Nachteilsausgleichs nach § 10 Abs. 5 PO. Das Ablegen einer mündlichen Gruppenprüfung im Fach „Anatomie“, gemeinsam mit Mitstudierenden, sei auf Grund ihrer diagnostizierten Prüfungsangst nicht möglich und der Auslöser für verschiedenste Symptomatik. Hierzu gehören unter anderem ein erhöhter Fluchtinstinkt, Herzrasen sowie Denkblockaden und „Black Outs“. Unter solchen Bedingungen sei eine Leistungsüberprüfung nicht möglich. Sie begehrte bei der Antragsgegnerin die Gewährung eines Nachteilsausgleiches nach § 10 Abs. 5 PO für die mündliche Gruppenprüfung unter Vorlage sämtlicher ärztlicher Atteste. Die Antragsgegnerin lehnte die Gewährung eines Nachteilsausgleiches, in Form einer Einzelprüfung, ab. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin nun Beschwerde eingelegt.
Entscheidung:
Das OVG Lüneburg hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. (Beschluss vom 29. Juli 2020, Az.: 2 ME 312/20)
Das Gericht führt an, dass die von der Antragstellerin vorgetragenen Krankheitsbilder nicht zu einem Nachteilsausgleich nach § 10 Abs. 5 PO berechtigen. Bei den vorgetragenen persönlichen Einschränkungen handele es sich um solche, die die Leistungsfähigkeit an sich beeinträchtigen. Die Gewährung eines Nachteilsausgleichs auf Grund einer Behinderung sei jedoch nach dem Sinn und Zweck der Norm gerade dazu da, die Chancengleichheit (Art. 3 I GG) zu gewährleisten, wenn bei grundsätzlicher Leistungsfähigkeit lediglich die Möglichkeit der Darstellung der Leistungsfähigkeit angepasst werden müsse. Hier geht das Gericht jedoch davon aus, dass die Krankheitsbilder der Antragstellerin bereits die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und aus diesem Grund von der Regelung des Nachteilsausgleiches kein Gebrauch gemacht werden kann.
Das von der Antragstellerin vorgelegte Attest genüge den Voraussetzungen, die es für die Erteilung eines Nachteilsausgleiches bedarf, nicht. Es bestätige lediglich die Krankheitsbilder, hingegen keine körperliche oder seelische Behinderung. Auch die bisherigen erfolgreich abgelegten Gruppenprüfungen der Antragstellerin sprechen gegen eine solche Annahme. Es werde nicht deutlich, dass die Gestalt der Gruppenprüfung die Präsentation/Darstellung ihres Wissens erschwere.
Was können die Leser*innen mitnehmen:
Die Gewährung eines Nachteilsausgleiches dient dem Ausgleich der Darstellung der grundsätzlich vorhandenen Leistungsfähigkeit. Er gilt jedoch nicht dem Ausgleich einer durch die Behinderung begründeter geminderten/eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Die persönlichen Belange, die eine Prüfungsunfähigkeit fördern, sind keine Behinderung und unterfallen damit nicht der Nachteilsausgleichsberechtigung im Sinne des § 12 Abs. 5 PO.
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