Viele Unternehmen erfassen ihre Lobbying-Aktivitäten nicht oder nicht hinreichend systematisch im Rahmen der präventiven Compliance. Bezieht ein Unternehmen das Thema aber nur punktuell in die Compliance mit ein, so läuft es Gefahr, Risiken nicht zu erkennen und zu spät auf mögliches Fehlverhalten zu reagieren.
Die Wahrnehmung von Unternehmensinteressen nach außen im Rahmen von Lobbyismus ist in unserem politischen System fest verankert und fördert die demokratische Diskursfähigkeit. Obwohl Lobbyismus Compliance-relevant ist, beziehen viele Unternehmen die Thematik aber nur in klassischen Risikofeldern in die Unternehmens-Compliance mit ein, etwa lediglich bei Zuwendungen wie Bewirtungen von und Einladungen an Amtsträger.
Eine solche punktuelle Erfassung wird der Vielfalt der Lobby-Akteure und Aktivitäten jedoch nicht gerecht und greift zu kurz.
Typischerweise sind die unterschiedlichsten Abteilungen im Unternehmen im Rahmen des Lobbyismus tätig, so zum Beispiel Technik, Entwicklung, Recht, Marketing, Unternehmenskommunikation oder Corporate Social Responsibility (CSR). Beispiele: In einem öffentlichen Verfahren können Prozessstrategie und Litigation PR eines Unternehmens politische Auswirkungen haben. Technischer Fortschritt kann Standortentscheidungen beeinflussen, die immer hochpolitisch sind.
Die verschiedenen Abteilungen nehmen dabei allerdings ganz unterschiedliche Aufgaben wahr und nutzen oft getrennte Strukturen, etwa im Datenmanagement. Die Unterschiede zwischen den Abteilungen erschweren interdisziplinäre Arbeitsweisen und damit eine einheitliche und professionelle Positionierung.
Code of Conduct als Basis
Als Grundlage für das Lobbying eines Unternehmens empfiehlt sich der Code of Conduct, der ein klares, transparentes und wertebasiertes Grundverständnis schafft. Der Code sollte unsaubere Lobby-Praktiken definieren und von vornherein sanktionieren. Eine Übersicht sollte außerdem festlegen, an welchen Stellen in der Ablauforganisation Lobbyfunktionen eingebunden sind und welche operativen und strategischen Einheiten des Unternehmens diese Aufgaben wahrnehmen.
Die betreffenden Mitarbeiter sollten entsprechend geschult werden und in der Lage sein, politisch relevante Themen selbstständig identifizieren zu können. Zudem müssen sie sensibilisiert werden, wie sie sich auf Verbandstreffen zu verhalten haben.
Von zunehmender Bedeutung für das Lobbying sind digitale Tools, etwa Newsletter, Social Media, Blogs, Monitoring-Crawler oder CRM- und Eventsoftware. Sie helfen bei der effizienten und fallbezogenen Umsetzung von Maßnahmen, etwa wenn in einer Krisensituation aktuelle Informationen über den Stand der öffentlichen Diskussion gefragt sind, oder wenn man auf Aussagen von Teilnehmern der Diskussion individuell reagieren möchte. Digitale Tools bringen allerdings auch neue Gefahren mit sich; Datenschutz und Persönlichkeitsrechte müssen beim Einsatz digitaler Tools beachtet werden.
Klare Governance-Vorgaben können gewährleisten, dass Gesetze und unternehmenseigene Guidelines eingehalten werden. Die moderne Interessensvertretung sieht die Öffentlichkeit und das Unternehmen als Teil einer Gesellschaft, die sich immer mehr vernetzt.
Unternehmen als Ganzes betrachten
Alle Regeln und Vorgaben müssen sich auf das gesamte Unternehmen beziehen, sowohl räumlich, also weltweit, als auch zeitlich, morgen genauso wie heute. Deshalb sollte eine eigenständige Guidance mit Gültigkeit für die ganze Unternehmensgruppe klare und eindeutige Regelungen aufstellen, etwa zu Veranstaltungen, Einladungen und Geschenken an Amtsträger. Eine laufend und gewissenhaft aktualisierte Dokumentation aller bereits durchgeführten Maßnahmen ist unerlässlich und hilft zudem dabei, Lobby-Aktivitäten auch über einen langen Zeitraum hinweg konsistent zu gestalten.
Unternehmen sollten außerdem ein einheitliches Daten- und Knowledge-Management mit klaren Stellvertreterregelungen und eindeutige Regeln für Ablage und Zugriffsberechtigungen vertraulicher Dokumente sicherstellen.
Je größer das Unternehmen, desto wichtiger ist insbesondere eine einheitliche Sprachregelung zu wichtigen politischen Positionen und Themen – wiederum sowohl geografisch als auch zeitlich gesehen.
Zusätzlich zu internen Regeln und Abläufen, mit denen ein Unternehmen sicherstellen kann, dass Lobbying Compliance-konform abläuft, gibt auch das EU-Transparenzregister auf EU-Ebene entsprechende Prozesse vor, an denen man sich orientieren kann. Mit der Registrierung im Transparenzregister verpflichten sich die Unternehmen, den Verhaltenskodex einzuhalten, der bei der Ausübung der Lobby-Tätigkeiten unter anderem die Prinzipien der Transparenz und Offenlegung der Interessen vorgibt. Eine weitere Anforderung des EU-Transparenzregisters ist eine jährlich aktualisierte prozentuale Angabe aller Personen, die für das Unternehmen Lobby-Aktivitäten wahrnehmen. Dokumentations- und Transparenzregeln des Unternehmens sollten diesen Standard einhalten.
Wer seine Lobbying-Aktivitäten professionell strukturiert, umsetzt und dokumentiert, der genügt nicht nur den nationalen und übernationalen Anforderungen. Er schafft damit auch die besten Voraussetzungen dafür, dass ein etwaiges Fehlverhalten schnell aufgedeckt werden kann und eine umgehende Reaktion den möglichen Schaden begrenzt. Nicht zuletzt ist stringenter und konsequent an klaren Leitlinien ausgerichteter Lobbyismus auch wirkungsvoller, effizienter und schafft Vertrauen bei Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit.
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