Suche
Contact
22.12.2022 | KPMG Law Insights

Vergaberechtliche Besonderheiten bei der Zusammenarbeit von Wissenschaftseinrichtungen mit Ihren Ausgründungen (Teil 2)

Rechtspolitische Aktualität:

Wissenschaftseinrichtungen der öffentlichen Hand haben bei der Zusammenarbeit mit ihren Ausgründungen zwei Möglichkeiten, auf welchem Wege sie diese ausgestalten können. Zum einen besteht die Möglichkeit der Weitergabe von Fördermitteln, welche sich nach dem EU-Beihilferecht bestimmt. Diese Thematik wurde bereits im ersten Teil dieser Beitragsreihe erläutert. Die andere Variante ist die Vergabe eines öffentlichen Auftrages. In diesem Fall kommt das Vergaberecht zum Tragen.

Vergaberechtliche Besonderheiten im Einzelnen:

Öffentliche Wissenschaftseinrichtungen müssen bei der Zusammenarbeit mit ihren Ausgründungen im Wege des öffentlichen Auftrages das Vergaberecht berücksichtigen. Allerdings gibt es bestimmte Bereichsausnahmen aus dem Kartellvergaberecht hierzu, welche nachfolgend dargestellt und untersucht werden.

So regelt beispielsweise der § 116 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) für den Oberschwellenbereich, dass das Vergaberecht nicht anzuwenden ist, soweit es sich um Dienstleistungen handelt, die als Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen einzuordnen sind. Sinn und Zweck der Bereichsausnahme ist es, Forschung und Entwicklung durch staatliche und private Investitionen möglichst ungehindert zu fördern. Auf Lieferleistungen ist diese Ausnahme jedoch nicht anwendbar. Unterhalb der Schwellenwerte verweist die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in § 1 Abs. 2 auf die Bereichsausnahmen des Oberschwellenbereiches. Folglich gilt die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB auch im Unterschwellenbereich.

Was jedoch genau unter die Begriffe „Forschung“ und „Entwicklung“ fällt, ist rechtlich nicht klar definiert. Lediglich Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2009/81/EG enthält hierzu einen Hinweis. Danach ist unter Forschung die systematische Suche nach neuen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen unter Verwendung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden in geplanter Form zu verstehen. Der Begriff der Forschung umfasst somit neben der Grundlagenforschung auch die angewandte Forschung. Entwicklung umfasst Arbeiten auf der Grundlage von vorhandenen, aus Forschung und/oder praktischer Erfahrung gewonnenen Kenntnissen zur Initiierung der Herstellung neuer Materialien, Produkte oder Geräte, zur Entwicklung neuer Verfahren, Systeme und Dienstleistungen oder zur erheblichen Verbesserung des bereits Vorhandenen.

Die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB setzt jedoch auch voraus, dass die Rückausnahme des zweiten Halbsatzes nicht greift. Danach dürfen zunächst keine Aufträge nach den dort genannten Referenznummern des „Common Procurement Vocabulary“ vorliegen. Diese Nummern werden in der Verordnung 213/2008/EG definiert und umfassen verschiedene Dienstleistungen und Güter, die im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen vorkommen. Zudem dürfen nicht die beiden Voraussetzungen der Rückausnahme gem. § 116 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz lit. a) und b) GWB vorliegen. Danach dürfen die Ergebnisse nicht ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit werden und die Dienstleistung darf nicht vollständig durch den Auftraggeber vergütet werden. Bei der Definition des Eigentums kommt es hierbei darauf an, ob der Auftraggeber ein ausschließliches Nutzungsrecht erwirbt. Ein reines Informieren der Allgemeinheit über die erlangten Ergebnisse genügt dabei nicht, um den Eigentumsbegriff abzuwenden.

Auch § 108 GWB regelt einen Ausnahmetatbestand, welcher die Anwendung des Vergaberechtes ausschließt. Dort ist die sogenannte öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit („Kooperation“) geregelt. Für die Zusammenarbeit von Wissenschaftseinrichtungen der öffentlichen Hand mit ihren Ausgründungen kann Abs. 6 der vorgenannten GWB-Regelung in Betracht kommen. Jedoch fallen die ausschließlich privatwirtschaftlich tätigen Start-ups, welche nicht durch öffentliche Stellen finanziert werden und auch nicht ihrer Aufsicht unterliegen, nicht unter diese Ausnahmeregelung. Auch eine Vereinsgründung der öffentlichen Wissenschaftseinrichtung mit ihrer Ausgründung führt nur zur Vergabefreiheit, soweit die Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe vorliegen. Danach muss der öffentliche Auftraggeber eine dienstähnliche Kontrolle über den Verein ausüben, der Verein muss zudem mit mehr als 80 % seiner Dienste für den öffentlichen Auftraggeber tätig werden und es darf keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person vorliegen. Zuletzt ist noch die Möglichkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 14 Abs. 4 Nr. 4 Vergabeverordnung (VgV) in Betracht zu ziehen, falls die Ausnahme gem. § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht einschlägig ist.

Die Inanspruchnahme einer Ausnahme der Vergabepflicht birgt jedoch auch das Risiko, dass unberücksichtigte Bewerber ein Nachprüfungsverfahrens bzw. die Feststellung der Nichtigkeit des Vertragsschlusses anstreben. Um dieses Risiko zu minimieren, kommt sowohl die Möglichkeit der freiwilligen ex ante-Transparenzbekanntmachung gem. § 135 Abs. 3 GWB, als auch der ex post-Bekanntmachung gem. § 135 Abs. 2 GWB in Betracht.

 

Explore #more

17.01.2025 | In den Medien, Karriere

KPMG Law bei den azur Awards 2025 nominiert

Die azur-Redaktion verkündet die Nominierten der azur Awards 2025. In diesem Jahr sind juristische Arbeitgeber in vier Kategorien für ihr Engagement im Nachwuchsbereich nominiert. Die…

15.01.2025 | KPMG Law Insights

Gesetzliche Neuerungen im Arbeitsrecht 2025

Seit dem 1. Januar 2025 gelten einige Neuerungen im Arbeitsrecht. Insbesondere das Bürokratieentlastungsgesetz sorgt für viele Erleichterungen und ermöglicht es Personalabteilungen, Prozesse zu digitalisieren. Arbeitgeber…

13.01.2025 | KPMG Law Insights

IED: Erstes Gesetzespaket zur Umsetzung der EU-Richtlinie liegt vor

Die neue EU-Industrieemissionsrichtlinie (Industrial Emissions Directive, IED) ist am 4. August 2024 in Kraft getreten und muss bis Juli 2026 von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.…

12.01.2025 | In den Medien

Podcast zur EU-Entwaldungsverordnung

Entwaldung und Waldschädigung nehmen weltweit mit besorgniserregender Geschwindigkeit zu. Sie sind eng mit der globalen Klimakrise und dem Verlust von Artenvielfalt verknüpft – das sind…

09.01.2025 | In den Medien

KPMG Law stärkt den Bereich Legal Transformation & Managed Services und Legal Corporate Services mit zwei neuen Senior Managerinnen

KPMG Law hat sich zum 1. Januar mit Jana Sichelschmidt im Bereich Transformation Managed Services und mit Dr. Michaela Lenk im Bereich Corporate Services verstärkt.…

07.01.2025 | KPMG Law Insights

Grundsteuer als Betriebskosten: Drei aktuelle Fragen und Antworten

Als Teil der Betriebs- und Nebenkosten kann die für eine vermietete Wohn- oder Gewerbeimmobilie erhobene Grundsteuer regelmäßig an Mieterinnen und Mietern weiterberechnet werden. Zum 1. …

07.01.2025 | KPMG Law Insights

Digitalisierung und Kooperationen – diese Maßnahmen sollten Kommunen im Haushalt einplanen

Mit Maßnahmen der Digitalisierung und mit Kooperationen können Kommunen langfristig erhebliche Kosten und auch Personal sparen. Auch wenn das Geld gerade knapp ist, sollten die…

06.01.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law hat die Flexfy GmbH bei der Ausgründung aus der DAW SE sowie einer anschließenden Finanzierungsrunde beraten

Die DAW SE hat im Rahmen eines Innovationsprogramms einen elektrisch leitfähigen und magnetischen Wandaufbau entwickelt, der eine flexible und neuartige Nutzung von Wänden ermöglicht („FLEXFY…

06.01.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law begleitet den Verkauf der Käppler & Pausch GmbH

Gabriel Pausch, der Mitgründer und Hauptgesellschafter der Käppler & Pausch GmbH, ein Systemlieferant für Metallbaugruppen sowie Metall- und Blechverarbeitung mit 160 Mitarbeitern in Neukirch/Lausitz, hat…

03.01.2025 | In den Medien

Interview in der Betrieb zum EU-Geldwäschepaket und seine Auswirkungen

Das EU-Geldwäschepaket harmonisiert die Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfungsregeln in Europa, bringt neue Maßnahmen wie Bargeld-Obergrenzen von 10.000 €, Identifizierungspflichten ab 3.000 € und eine neue zentrale…

Kontakt

Melis Hacibekiroglu

Senior Associate

Heidestraße 58
10557 Berlin

Tel.: 030 530199 - 548
mhacibekiroglu@kpmg-law.com

© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll