Suche
Contact
09.03.2020 | KPMG Law Insights

Verbraucherschutz und unternehmerische Compliance

Verbraucherschutz und unternehmerische Compliance

Die EU modernisiert den Verbraucherschutz. Die betreffende Richtlinie justiert an vielen Stellen den bisherigen EU-Verbraucherschutz nach und unterwirft ihn der behördlichen Kontrolle. Die Einführung von Sanktionen und die damit einhergehende Verortung im Ordnungswidrigkeitsrecht macht den Verbraucherschutz Compliance-relevant. Für Unternehmen und Gewerbetreibende empfiehlt es sich, ihre Compliance-Management-Systeme anzupassen und ihre Angebotspraktiken und AGB im B2C-Bereich auf Konformität zu überprüfen.

Die EU ordnet mit der Änderungsrichtlinie EU 2019/2161 (nachfolgend „Verbraucherschutz-Compliance-Richtlinie“, kurz: „VC-RL“) den Verbraucherschutz neu. Die Richtlinie zielt darauf ab, nationale Verbraucherrechte zu modernisieren, im E-Commerce zu stärken und mittels Bußgeldern durchzusetzen. Sie ist am 7. Januar 2020 in Kraft getreten, und muss bis zum 28. November 2021 von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei muss der deutsche Gesetzgeber die in der Richtlinie vorgeschriebene Mindestharmonisierung beachten, darf aber im Schutzniveau über die Regeln der Richtlinie auch hinausgehen.

Der EU-Verbraucherschutz im deutschen Recht
Die VC-RL ändert und ergänzt mehrere bestehende EU-Verbraucherschutz-Richtlinien, im Einzelnen die Richtlinien zum Schutz des Verbrauchers vor missbräuchlichen Klauseln (RL93/13/EWG), bei Angabe von Preisen (RL98/6/EG), gegen unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) und bei Darlehen-, Fernabsatz-, und Haustürgeschäften (RL 2011/83/EU). Im deutschen Recht finden diese Richtlinien ihren Niederschlag unter anderem in den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen, über Widerrufsrechte, über Informationspflichten bei Haustür- oder Fernabsatzgeschäften, über kaufrechtliche Regelungen und über Verbraucherdarlehen. Weitere Beispiele sind das Gesetz gegen unerlaubten Wettbewerb (UWG) und die Preisangabenverordnung (PangV).

Der Anwendungsbereich der VC-RL beschränkt sich auf den B2C-Bereich. Unternehmen, die ausschließlich im B2B-Bereich tätig sind, sind also grundsätzlich nicht von den Änderungen betroffen. Geografisch ist der Anwendungsbereich auf die EU-Mitgliedsstaaten beschränkt – darunter fallen einerseits Unternehmen, die in einem Mitgliedsstaat ihren Sitz haben, andererseits aber auch nicht EU-Unternehmen, die ihren Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen in einem Mitgliedsstaat der EU anbieten.

Die Richtlinie führt eine Reihe neuer Regeln in den Verbraucherschutz ein, zum Beispiel:

• Unterschiedliche Produkte dürfen nicht als identische Produkte vermarktet werden.
• Aggressive oder irreführende Vermarktungs- und Verkaufspraktiken bei Haustürgeschäften und „Kaffeefahrten“ sind verboten.
• Über atypische Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen muss der Anbieter besonders informieren.
• Die Informationspflichten für Online-Märkte werden ausgeweitet.
• Preisermäßigungen und personalisierte Preise müssen angegeben werden.
• Für unlautere Geschäftspraktiken werden Rechtsbehelfe wie Reparatur oder Ersatzlieferung neu geregelt.

Auch für die Rankings in Online-Suchmaschinen und für Verbraucherbewertungen auf Angebotsseiten führt die Richtlinie neue Regeln ein. Die Anbieter und Betreiber sollen weitreichende Offenlegungs- und Nachprüfungspflichten treffen.

Einführung von Sanktionen
Ein Paradigmenwechsel für das deutsche Recht ist die Einführung von Sanktionen. Das deutsche Recht legt bislang für Verstöße gegen Verbraucherschutznormen nur zivilrechtliche Rechtsfolgen fest: Unterlassungsverfahren und Abmahnungen. Bespiel: Verstoßen Allgemeine Geschäftsbedingungen gegen Verbraucherschutzrechte, so sind sie lediglich unwirksam, § 305 f. BGB. Das ändert sich mit der VC-RL.
So wie auch schon im Fall der DSGVO fordert sie nun von den Mitgliedsstaaten, angemessene und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen Vorschriften einzuführen, die nach den Richtlinien in nationales Recht schon umgesetzt sind oder noch umgesetzt werden.

Im Rahmen der sogenannten Mindestharmonisierung muss der deutsche Gesetzgeber deshalb sicherstellen, dass weitreichende Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften mit einem Höchstbetrag von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden geahndet werden können. Wenn der Jahresumsatz als Bemessungsgrundlage nicht ermittelt werden kann, so muss stattdessen ein Maximalbußgeld von mindestens zwei Millionen Euro vorgesehen werden. Die VC-RL führt auch einen Katalog von Umständen ein, die bei der Festlegung des Bußgeldes zu berücksichtigen sind. Dazu gehören Art, Schwere und Dauer des Verstoßes ebenso wie Wiederholungstäterschaft, Wiedergutmachung und erlangte finanzielle Vorteile. Der nationale Gesetzgeber muss diesen Katalog als Minimum gewährleisten, darf aber darüber hinausgehen.

Einbindung von Verbraucherschutz in die Compliance
Die VC-RL rückt den Verbraucherschutz in das deutsche Ordnungswidrigkeitsrecht (OWiG) und damit in den Kernbereich der unternehmerischen Compliance. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie den Verbraucherschutz in Zukunft in ihrem Compliance-Management-System verankern sollten. Insbesondere werden die neuen Vorschriften bei der Schulung und Überwachung von Vertrieb und Marketing im E-Commerce Beachtung finden.

Die Richtlinie erfordert die Anpassung bisher typischer Prozesse und Kompetenzzuteilungen. So war bislang die Einhaltung des Verbraucherschutzes und insbesondere der Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen die Angelegenheit der Vertragserstellung in der Rechtsabteilung. Infolge der Richtlinie sollten Unternehmen diese Aufgaben nun in die Überwachungs- und Kontrollmechanismen aller operativ relevanten Geschäftsprozesse integrieren, um eine bußgeldpflichtige Aufsichtsrechtsverpflichtung (§ 130 OWiG) zu verhindern.

Explore #more

25.09.2025 | KPMG Law Insights

MaGo-Update – Fahrplan für die Umsetzung der neuen Anforderungen

Die BaFin hat am 14. Juli 2025 das Rundschreiben „Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen unter Solvabilität II“ (MaGo für SII-VU) überarbeitet und als Rundschreiben

25.09.2025 | KPMG Law Insights

Stiftungsregister – Start soll von 2026 auf 2028 verschoben werden

Mit der Stiftungsrechtsrechtreform, die im Juli 2023 in Kraft trat, wurde ein an das Handelsregister angelehntes bundesweites Stiftungsregister geschaffen. Dieses sollte eigentlich im Januar 2026

24.09.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im In-house Counsel: Potenziale heben

Die Rolle der Rechtsabteilung im Unternehmen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Ihr Stellenwert ist hoch. Damit rückt sie aber auch zunehmend in…

24.09.2025 | In den Medien

Aufsatz von KPMG Law in der CCZ: Der Leitfaden für Compliance-Management Systeme in kleinen und mittleren Unternehmen

Compliance im Mittelstand ist herausfordernd: Die gesetzliche Verantwortung für Compliance ist unbestritten, die konkreten Aufgaben dagegen sind unklar und abhängig von der konkreten Situation eines…

17.09.2025 | KPMG Law Insights

Kreislaufwirtschaft: Der Bausektor braucht neue rechtliche Rahmenbedingungen

Der Bausektor ist bereit für Kreislaufwirtschaft, doch ohne praxistaugliche rechtliche Rahmenbedingungen bleibt sein Engagement im Stillstand stecken. Was fehlt, sind klare und praxistaugliche Regeln, etwa…

15.09.2025 | KPMG Law Insights

Bundestag beschließt neues Batterierecht

Der Bundestag hat am 11. September 2025 die Anpassung des deutschen Batterierechts an die EU-Batterieverordnung 2023/1542 in Form des Batterierecht-EU-Anpassungsgesetzes beschlossen. Unter anderem werden Hersteller…

15.09.2025 | In den Medien

Gastbeitrag in AssCompact: Embedded Insurance: Perspektiven, Pflichten, Potenziale

Embedded Insurance ist auf dem Vormarsch. Für die Versicherungsbranche bringt sie zwar große Potenziale, aber gleichzeitig auch Herausforderungen mit sich. Was bei dem Trend zu…

12.09.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät geschäftsführende Gesellschafter der Deutschen Werkstätten Beteiligungs GmbH bei Verkauf an Ateliers de France

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat den geschäftsführenden Gesellschafter der Deutschen Werkstätten Beteiligungs GmbH, Herrn Fritz Straub, bei dem Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung an…

12.09.2025 | KPMG Law Insights

Der Data Act gilt. Das sind die Eckpunkte

Ab dem 12. September 2025 gilt der EU Data Act.  Das Gesetz soll Innovation durch die bessere Verfügbarkeit von Daten fördern. Betroffene Unternehmen befürchten jedoch,

09.09.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und Tax beraten Adiuva Capital GmbH mit Fact Books beim Verkauf der KONZMANN Gruppe

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die Adiuva Capital GmbH, eine Hamburger Private-Equity-Gesellschaft (Adiuva), im Rahmen des…

Kontakt

Dr. Philipp Asbach

Senior Manager

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 3609945170
pasbach@kpmg-law.com

Dr. Bernd Federmann, LL.M.

Partner
Standortleiter Stuttgart
Leiter Compliance & Wirtschaftsstrafrecht

Theodor-Heuss-Straße 5
70174 Stuttgart

Tel.: +49 711 781923 418
bfedermann@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll