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Symbolbild zum Bauturbo: Wohnblöcke
23.10.2025 | KPMG Law Insights

Das bedeutet der „Bau-Turbo“ für Kommunen und Bauaufsichtsbehörden

Der Bundestag hat den „Bau-Turbo“ beschlossen und Kommunen können bestimmte Bauprojekte jetzt deutlich beschleunigen.

Nach dem am 9. Oktober 2025 beschlossenen Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung können Bauaufsichtsbehörden mit Zustimmung der Gemeinden künftig Wohnbauvorhaben genehmigen, auch wenn sie nicht den bestehenden Bebauungsplänen oder sonstigen Vorgaben des Bauplanungsrechts entsprechen.

Die Neuregelungen im Überblick

Durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung werden auch über den „Bau-Turbo“ hinaus verschiedene Beschleunigungselemente ins BauGB eingefügt.

Neue Abweichungsmöglichkeiten durch § 246e BauGB („Bau-Turbo“)

Die weitreichendsten Beschleunigungsmöglichkeiten bietet jedoch der neue § 246e BauGB. Danach kann von den Vorschriften des BauGB und den auf dessen Grundlage erlassenen Vorschriften abgewichen werden. Das umfasst Bebauungspläne und sonstige Satzungen sowie die Vorgaben der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Allerdings: Die Abweichungen sind nur zulässig für die Schaffung von Wohnraum oder die Errichtung neuer oder die Änderung bestehender baulicher Anlagen, die dem Wohnen dienen.

Die Behörde muss sicherstellen, dass das Vorhaben mit nachbarlichen Interessen und öffentlichen Belangen vereinbar ist. Außerdem muss die Gemeinde zustimmen. Dies richtet sich nach dem neuen § 36a BauGB. Die Zustimmung kann die Gemeinde aufgrund eines angenommenen Rechtsverstoßes gegen das BauGB sowie aus anderen Gründen versagen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen drei Monaten verweigert wird.

Erweiterte Befreiungsmöglichkeiten (§ 31 Abs. 3 BauGB)

Auf Grundlage des neuen § 31 Abs. 3 BauGB können die Bauaufsichtsbehörden beispielsweise zukünftig Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans auch in mehreren vergleichbaren Fällen und unabhängig vom Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes erteilen.

Abweichung vom Einfügungsgebot im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 3b BauGB)

Ein neuer § 34 Abs. 3b BauGB ermöglicht, im unbeplanten Innenbereich von der Voraussetzung des Einfügens abzuweichen, um Wohnbauvorhaben zu erleichtern.

Erleichterungen im Umgang mit Lärmschutzvorgaben (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a, § 216a BauGB)

Weitere Änderungen betreffen Regelungen im Zusammenhang mit Abweichungen von der TA-Lärm, was insbesondere für innerstädtische Verdichtungsvorhaben relevant sein kann.

 

Dies gilt für die praktische Anwendung

Die Neuregelung wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Kommunen und Bauaufsichtsbehörden sollten bei der praktischen Anwendung insbesondere die folgenden Punkte beachten:

  1. Wie Umweltauswirkungen zu berücksichtigen sind: Von den neuen Erleichterungen darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Vorhaben unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sind. Das gilt neben § 246e BauGB auch für §§ 31 Abs. 3, 34 Abs. 3b BauGB. Im Fall des § 31 Abs. 3 BauGB gibt die Regelung ausdrücklich vor, dass es an einer Vereinbarkeit insbesondere dann fehlt, wenn eine überschlägige Prüfung erhebliche Umweltauswirkungen erwarten lässt. Auch im Anwendungsbereich des „Bau-Turbos“ ist eine überschlägige Umweltprüfung nötig. Gegebenenfalls muss hier eine Strategische Umweltprüfung nach §§ 38 bis 46 UVPG durchgeführt werden. Wenn bestehende Wohngebäude nur geändert werden, zum Beispiel durch Aufstockung, müssen nur die Umweltauswirkungen der Änderung berücksichtigt werden, nicht auch die der ursprünglichen Planung. Bei Neubauvorhaben hingegen ist nicht immer ohne Weiteres ersichtlich, welche Umweltauswirkungen in die Betrachtung einfließen sollen und welche nicht. Die Bauaufsichtsämter sollten sich hierzu in Zweifelsfällen mit der obersten Bauaufsichtsbehörden in ihrem Bundesland abstimmen. Zudem bleibt offen, nach welchen Kriterien sich die Beurteilung der Umweltauswirkungen richtet. Eine Orientierung bietet insoweit die Anlage 2 zum BauGB, die Kriterien für die überschlägige Prüfung der Umweltauswirkungen bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB enthält.
  2. Gestaltungsspielraum bei der Ablehnung: Die Gemeinde kann ihre Zustimmung verweigern, wenn das Vorhaben nicht mit ihren Vorstellungen von der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar ist. Dabei hat sie zwar grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie bleibt jedoch an die allgemeinen Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns gebunden, insbesondere an die Anforderungen des Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG.
  3. Erteilung der Zustimmung unter Bedingungen: Die Gemeinde kann ihre Zustimmung nach § 36a Abs. 1 S. 3 BauGB an die Bedingung knüpfen, dass der Vorhabenträger sich verpflichtet, bestimmte städtebauliche Anforderungen einzuhalten. Das kann unter anderem den Abschluss städtebaulicher Verträge betreffen. Dadurch ergeben sich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit den neuen Vorschriften, die jedoch auch mit Unsicherheiten bezüglich des einzuhaltenden Rechtsrahmens einhergehen.
  4. Vorhaben im Außenbereich: Der „Bau-Turbo“ ist vor allem für den Innenbereich vorgesehen. Die Regelung kann darüber hinaus auch für Außenbereichsvorhaben angewendet werden, wenn diese im räumlichen Zusammenhang mit Bebauungsplangebieten oder dem unbeplanten Innenbereich stehen. Wann ein räumlicher Zusammenhang besteht, klärt der Gesetzentwurf nicht. Laut Begründung sollen aber jedenfalls 100 m vom bestehenden Siedlungsrand schon zu weit sein.

So sollten sich Kommunen und Bauaufsichtsbehörden auf den „Bau-Turbo“ vorbereiten

Damit die neuen Befugnisse nicht ihren Zweck verfehlen, den Wohnungsbau zu beschleunigen, sollten Kommunen und Bauaufsichtsbehörden vorbereitende Maßnahmen ergreifen:

  • Gemeinden sollten festlegen, in welchen Bereichen des Gemeindegebiets eine Abweichung zugunsten des Wohnungsbaus möglich ist. Auch kann es sinnvoll sein, abstrakte Leitlinien zu entwickeln. Diese sollten klare Kriterien dafür enthalten, unter welchen Bedingungen Abweichungen befürwortet werden. Eine rechtliche Beratung kann dabei helfen, eine konsistente Entscheidungspraxis unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu gewährleisten.
  • Es kann sich anbieten, die Leitlinien durch einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats zum Umgang mit den neuen Abweichungsbefugnissen abzusichern und zu legitimieren.
  • Gemeinden sollten frühzeitig relevante Fachämter einbinden und interne Abläufe zwischen Bauaufsicht und Stadtplanung klären. So kann die überschlägige Prüfung voraussichtlicher Umweltauswirkungen später erleichtert werden. Eine rechtliche Beratung kann helfen, die Abläufe im Rahmen des Genehmigungsverfahrens anhand des neuen gesetzlichen Rahmens auszurichten.
  • Sinnvoll ist auch, für die von den Kommunen für den „Bau-Turbo“ identifizierten Gebiete schon vorab prüfrelevante Umweltinformationen zu sammeln. So kann eine geeignete Datengrundlage für die kurzfristige Durchführung überschlägiger Umweltprüfungen aufgebaut werden.

Die neuen Regelungen etablieren ein Genehmigungsregime, das an zentralen Punkten von der bisherigen Systematik abweicht. Um sich damit vertraut zu machen und die Zusammenarbeit zwischen Planungsämtern und Bauaufsichtsbehörden neu zu justieren, bedarf es erheblicher Anstrengungen. Die obenstehenden Maßnahmen können dabei eine Hilfestellung bieten. Nachdem nun Klarheit über die gesetzlichen Änderungen besteht, sollten Kommunen und Genehmigungsbehörden keine Zeit verlieren, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen.

 

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