Suche
Contact
30.11.2022 | KPMG Law Insights

Transparenzregister: EuGH-Urteil – Absage zum öffentlichen Zugriff auf das Transparenzregister?

Ausgangslage:

Mit der Einführung des Transparenzregisters zum Oktober 2017 mussten grundsätzlich sämtliche Unternehmen mit Sitz in Deutschland ihre:n wirtschaftlich Berechtigte:n an das neu geschaffene Register melden. Die zunächst bestehende Erleichterung bei Verfügbarkeit der relevanten Daten z. B. im Handelsregister ist mit der Umstellung des Transparenzregisters auf ein sog. Vollregister spätestens in diesem Jahr entfallen.

Für einen Datenabruf aus dem Transparenzregister musste zunächst noch ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden. Mit einer Neufassung des GwG zum 1. Januar 2020 aufgrund der europäischen Geldwäscherichtlinie ist diese Hürde weggefallen: Seit 1. Januar 2020 hat jede:r die Möglichkeit, in das Transparenzregister Einsicht zu nehmen.

Die hierfür erforderliche Registrierung beim Online-Portal www.transparenzregister.de stellt dabei keine wesentliche Hürde da. Auch die teils anonymisierten Daten (Geburtstag / Wohnort) lassen sich in vielen Fällen über andere Register vervollständigen, zumal seit dem 1. August 2022 auch der elektronische Zugriff auf das Handelsregister (und sämtliche dort hinterlegten historischen Daten und Dokumente) für jede:n ohne Registrierung und kostenfrei möglich ist.

Der Zugriff auf sensible personenbezogene Daten und die Vermögensverhältnisse ist damit deutlich erleichtert worden. Der (nachvollziehbaren) Bestrebung des Gesetzgebers an der Transparenz von Vermögenswerten zum Zwecke der Bekämpfung der Geldwäsche steht allerdings gleichzeitig ein erhebliches Missbrauchsrisiko gegenüber. Daneben besteht ein Geheimhaltungsinteresse bezüglich des Gesellschafterkreises in vielen Fällen auch aus strategischen bzw. wettbewerbstaktischen Gründen.

Auf die entsprechende Kritik von Unternehmensverbänden haben Verwaltung und Gesetzgeber nicht reagiert. Hoffnung gibt daher jetzt die Entscheidung des EuGH zu einem Fall aus Luxemburg.

Aktuelle EuGH Entscheidung

Mit seinem Urteil vom 22.11.2022 (Urt. v. 22.11.2022; Az. C-37/20, C-601/20) stellt der EuGH die Ungültigkeit derjenigen Bestimmung der Geldwäscherichtlinie fest, wonach die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer in allen Fällen allen Mitgliedern der Öffentlichkeit ohne Nachweis eines berechtigten Interesses zugänglich zu machen.

Hintergrund des Urteils sind Klagen einer luxemburgischen Gesellschaft und deren wirtschaftlichem Eigentümer gegen ein nach Maßgabe der 4. und 5. Geldwäscherichtlinie in Luxemburg in Kraft getretenes Gesetz zur Errichtung eines Luxemburger Transparenzregisters. Die Kläger hatten zunächst erfolglos bei dem nationalen Transparenzregister beantragt, den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den sie betreffenden Angaben zu beschränken.

Der EuGH stellt fest, dass der freie Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte auf Achtung des Privatlebens sowie auf den Schutz personenbezogener Daten darstelle.

  • Der EuGH betont explizit, dass die öffentliche Zugänglichmachung dieser Angaben es einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen ermöglichen, ein je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts mehr oder weniger umfassendes Profil mit bestimmten persönlichen Identifizierungsdaten, der Vermögenslage des Betroffenen sowie den Wirtschaftssektoren, Ländern und spezifischen Unternehmen, in die er investiert hat, zu erstellen.
  • Hinzu kommt, dass die möglichen Folgen einer etwaigen missbräuchlichen Verwendung ihrer personenbezogenen Daten für die betroffenen Personen dadurch verschärft werden, dass diese Daten, sobald sie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden seien, nicht nur frei abgerufen, sondern auch auf Vorrat gespeichert und (dauerhaft) verbreitet werden können.

Laut EuGH rechtfertigt auch die Zielsetzung der Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht den Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte. Auch sofern der Zugang zum Transparenzregister von einer Online-Registrierung abhängig gemacht wird (wie in Deutschland), genügt dies nach Ansicht des EuGH nicht, das Bedürfnis der betroffenen Personen ihre personenbezogenen Daten gegen Missbrauchsrisiken zu schützen, zu wahren.

Ausblick

Das Urteil des EuGH ist rechtskräftig und ihm kommt eine umfassende Bindungswirkung – auch auf nationaler Ebene – zu.  Damit wird der Gesetzgeber gezwungen sein, auf die von Unternehmensverbänden und Praktikern geäußerte Kritik an dem niederschwelligen, elektronisch leicht zugänglichen Datenabruf aus Transparenzregister (und ggf. Handelsregister) zu reagieren. Ein Ansatz wäre die Rückkehr zum „alten“ Modell bestehend aus Online-Registrierung und Nachweis eines berechtigten Interesses.

In der Zwischenzeit sollten im Zuge gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen bzw. der Nachfolgeplanung mögliche Auswirkungen auf die Sichtbarkeit der Gesellschafter:innen berücksichtigt werden.

Gerne beraten unsere Experten Sie bei allen Fragen rund um das Transparenzregister.

Explore #more

14.05.2025 | KPMG Law Insights

BGH zu Kundenanlagen: Beschluss ordnet richtlinienkonforme Anwendung an

Mit Beschluss vom 13. Mai 2025 hat der BGH die Versorgunginfrastruktur im konkreten Fall einer Wohnanlage in Zwickau als Verteilernetz eingestuft und damit die Beschwerde…

13.05.2025 | In den Medien

KPMG Law Experte im Spiegel zur aktuellen Energiepolitik

In einem aktuellen Beitrag im Spiegel zur Energiepolitik wird Dirk-Henning Meier, Senior Manager im Bereich Energierecht bei KPMG Law, zitiert. Sie finden den Beitrag…

13.05.2025 | In den Medien, Karriere

azur Karriere Magazin – Alles KI oder was?

Künstliche Intelligenz ist längst in Kanzleien und Rechtsabteilungen angekommen. Doch der Umgang mit ihr will gelernt sein. Viele Arbeitgeber erweitern daher ihre Legal-Tech-Ausbildung um KI-Schulungen…

13.05.2025 | KPMG Law Insights

Erste Erfahrungen mit dem Einwegkunststofffondsgesetz: Das sollten Hersteller beachten

Getränkebecher, Folien und Plastikzigarettenfilter verschmutzen Straßen, Parks und Gehwege. Die Reinigungskosten tragen die Kommunen. Das Einwegkunststofffondsgesetz soll sie finanziell entlasten. Die Idee: Die Hersteller bestimmter…

07.05.2025 | KPMG Law Insights

Kündigung von befristeten Mietverträgen bei der „Vermietung vom Reißbrett“

Bei einer „Vermietung vom Reißbrett“ beginnt das Mietverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt zu laufen, meist dem Übergabetermin. In der Regel gehen die Vertragsparteien in…

06.05.2025 | In den Medien

Wirtschaftswoche zeichnet KPMG Law aus

KPMG Law wurde vom der WirtschaftsWoche als „TOP Kanzlei 2025“ im Bereich M&A ausgezeichnet. Ian Maywald, Partner bei KPMG Law in München, wurde außerdem…

06.05.2025 | KPMG Law Insights

Sozialversicherungspflicht von Lehrkräften – Übergangsregel schafft Klarheit

Lehrkräfte und Dozent:innen werden oft auf selbstständiger Basis engagiert. Diese Praxis lässt die Deutsche Rentenversicherung aufhorchen. Immer öfter überprüft sie den sozialversicherungsrechtlichen Status der Honorarkräfte…

02.05.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im FINANCE Magazin: So können CFOs bis zu 80 Prozent in der Rechtsabteilung einsparen

Der Kostendruck in den Unternehmen steigt – auch in den Rechtsabteilungen. Mittlerweile haben sich zwei Strategien etabliert, um 50 bis 80 Prozent der Kosten einzusparen.…

30.04.2025 | In den Medien

KPMG Law Studie in der Neue Kämmerer: Wie kommt das Sondervermögen in die Kommunen?

Ein Sondervermögen über 500 Milliarden Euro soll in den nächsten zwölf Jahren Investitionen in die Infrastruktur finanzieren. Davon sind 100 Milliarden Euro für die Länder…

29.04.2025 | KPMG Law Insights

Geldwäschebekämpfung und Transparenzregister – was ändert die neue Regierung?

Die künftige Regierung möchte laut Koalitionsvertrag Geldwäsche und Finanzkriminalität „entschieden bekämpfen“. Die Koalitionspartner kündigen an, dass Rechtsgeschäfte juristischer Personen, die den Betrag von 10.000 Euro…

Kontakt

Arndt Rodatz

Partner
Leiter Steuerstrafrecht

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 360994 5081
arodatz@kpmg-law.com

Christian Judis

Senior Manager

Friedenstraße 10
81671 München

Tel.: +49 89 59976061028
cjudis@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll