Der Bausektor ist bereit für Kreislaufwirtschaft, doch ohne praxistaugliche rechtliche Rahmenbedingungen bleibt sein Engagement im Stillstand stecken. Was fehlt, sind klare und praxistaugliche Regeln, etwa bei der Ersatzbaustoffverordnung, der Ausschreibungspraxis für Sekundärrohstoffe und beim längst überfälligen Verfahren zum Ende der Abfalleigenschaft mineralischer Bau- und Abbruchabfälle.
Wenn Deutschland das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen will, braucht es deshalb auch in der Bauwirtschaft eine konsequente Transformation hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Und selbst jenseits der Klimaziele ist Handeln unumgänglich: Die Ressourcen werden knapp und der Einsatz von Sekundärrohstoffen wird zur Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Bauens.
Insbesondere zwei Regelungsbereiche stellen die Baubranche in der Praxis derzeit vor erhebliche und kaum lösbare Herausforderungen. Sie müssten daher dringend angepasst werden.
So sollten beispielsweise mit der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) bundeseinheitliche und rechtsverbindliche Anforderungen an den Einsatz von Ersatzbaustoffen geschaffen werden. In der Praxis ist allerdings festzustellen, dass die Regelungen in den 16 Bundesländern zum Teil unterschiedlich vollzogen werden, zumal mehrere Bundesländer Vollzugsempfehlungen und Erlasse zur EBV veröffentlicht haben, die sich erheblich unterscheiden. Auch die FAQs über die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hierzu Auslegungsspielräume gibt, die in der Anwendung in den Bundesländern auch unterschiedlich genutzt werden. Zu nennen sind darüber hinaus die neuen Analysenmethoden, die von den in der Praxis anerkannten nach der LAGA Mitteilung M 20 erheblich abweichen und Unternehmen in der Praxis vor erhebliche Herausforderungen stellen, zumal die LAGA M 20 durch die Einführung der EBV abgelöst wurde. Dies führt in der Praxis auch dazu, dass mineralische Bau- und Abbruchabfälle in Deponien abgesteuert werden und nicht, wie es die Zielsetzung der EBV vorgibt, zu Sekundärrohstoffen recycelt werden.
Für mineralische Sekundärrohstoffe ist zudem die Frage, ob sie als Abfälle gelten oder als Produkte eingestuft werden können, nach wie vor von großer Bedeutung für die Akzeptanz. So kann die Produkteigenschaft bestehenden Vorurteilen und Hemmnissen der Auftraggeber entgegenwirken und der Entfall spezifischer abfallrechtlicher Verpflichtungen die Nutzung zum Beispiel beim Transport oder bei der Zwischenlagerung vereinfachen. Im aktuellen Koalitionsvertrag wird für den Baubereich unter anderem die bereits seit längerem geplante Einführung einer Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung angekündigt. Dies ist auch zwingend und zeitnah erforderlich, um die mit der EBV verbundenen Zielsetzungen umzusetzen. Bei Gestaltung der Verordnung sollten ergebnisoffen alle mineralischen Bau- und Abbruchabfälle diskutiert werden, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen diese das Ende der Abfalleigenschaft erreichen können. Hier hat sich in zahlreichen Verfahren zur Einstufung von Abfällen als Nebenprodukt und nicht als Abfall sowie bei den Voraussetzungen des Endes der Abfalleigenschaft gezeigt, dass es nicht allein abstrakt auf die stofflichen Eigenschaften an sich ankommt, sondern immer auch auf die konkrete Art der Verwendung. Insoweit ist es in der Praxis und auch in der Rechtsprechung, beispielsweise des Europäischen Gerichtshofes, anerkannt, dass Stoffe oder Gegenstände die Einstufung als Nebenprodukt oder das Ende der Abfalleigenschaft erreichen können, auch wenn sie bei abfallrechtlicher Wertung aufgrund abstrakter Stoffeigenschaften gefährlicher Abfall wären. Im Ergebnis kann ein Stoff oder Gegenstand gefährlicher Abfall sein, unter bestimmten Voraussetzungen aber auch als Nebenprodukt eingestuft werden oder das Ende der Abfalleigenschaft erreichen. Und diese ergebnisoffene Betrachtung gilt es nun, im Rahmen einer zügigen Verabschiedung einer Abfallende-Verordnung für mineralische Bau- und Abbruchabfälle zu implementieren.
Bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand werden mineralische Sekundärrohstoffe immer noch ausgeschlossen. Und das obwohl § 45 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) die Grundverpflichtung der genannten Stellen des Bundes enthält, durch ihr Verhalten zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Schonung der natürlichen Ressourcen und zur Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen beizutragen. Insoweit wird den Dienststellen des Bundes sowie den der Aufsicht des Bundes unterstehenden Körperschaften, Anstalten, Stiftungen des öffentlichen Rechts eine Vorbildfunktion für die Erreichung der Ziele des KrWG zugewiesen. Darüber hinaus enthält § 45 Abs. 2 KrWG zu dieser sehr allgemein gehaltenen Förderpflicht eine konkretisierende Spezialregelung. Danach haben die Verpflichteten nach § 45 Abs. 1 KrWG, insbesondere unter Berücksichtigung der §§ 6 und 8 KrWG, bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen, bei der Beschaffung oder Verwendung von Material und Gebrauchsgütern, bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen bestimmten Erzeugnissen den Vorzug zu geben.
Rechtsansprüche Dritter werden hierdurch aber nicht begründet. Auch gilt die Priorisierungsverpflichtung nur, soweit die Erzeugnisse für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet sind, durch ihre Beschaffung oder Verwendung keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen, ein ausreichender Wettbewerb gewährleistet wird und keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen. Soweit vergaberechtliche Bestimmungen anzuwenden sind, sind diese zu beachten. Der Begriff des Erzeugnisses soll nach der Gesetzesbegründung alle Stoffe und Gegenstände erfassen, die kein Abfall sind oder nicht mehr sind. Erfasst werden daher nicht nur gezielt hergestellte Produkte, sondern auch Nebenprodukte, die die Anforderungen des § 4 KrWG erfüllen, und Stoffe und Gegenstände, deren Abfalleigenschaft nach § 5 KrWG beendet ist.
Im Ergebnis führen die auslegungsbedürftigen Regelungen dazu, dass im Rahmen von Ausschreibungen mineralische Sekundärrohstoffe nicht akzeptiert werden. Hier wären neben Anpassungen bei § 45 KrWG insbesondere auch die Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung zum Ende der Abfalleigenschaft mehr als zielführend, um die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Erzeugnisses zu schaffen, was einen Grundpfeiler der Anwendbarkeit des § 45 Abs. 2 KrWG darstellt.
Eine zirkuläre Kreislaufwirtschaft kann im Bausektor nur dann gelingen, wenn hierfür praxistaugliche rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierzu bieten sich insbesondere die Regelungen in § 45 KrWG an. Darüber hinaus sollte zeitnah das bereits seit längerem angekündigte Verfahren zum Ende der Abfalleigenschaft von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen angestoßen werden, um eine klare bundeseinheitliche Regelung zur Einstufung von Stoffen als Sekundärrohstoff zu schaffen. Diese sollten dann als Erzeugnis in Ausschreibungen zwingend zu bevorzugen sein. Bei der Ausgestaltung einer solchen Verordnung sollte dringend und ergebnisoffen über alle möglichen Abfallfraktionen diskutiert werden, um hier die Chance zu nutzen, die Verordnung auf eine breite Basis zu stellen. Neben den abstrakten Stoffeigenschaften ist hier insbesondere auch die Art der Verwendung in den Blick zu nehmen, um sinnvolle und rechtlich zulässige Verwendungsmöglichkeiten nicht von vorneherein auszuschließen. Und hier drängt die Zeit erheblich, da die aktuellen Regelungen, zum Beispiel in der EBV, dringend und zwingend reformbedürftig sind. Ohne solche zeitnahen Veränderungen der bestehenden Rahmenbedingungen kann das Ziel einer Klimaneutralität nicht erreicht werden.
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