Suche
Contact
Symbolbild zum Koalitionsvertrag Umweltrecht: Windräder in der Abendsonne
14.04.2025 | KPMG Law Insights

Koalitionsvertrag 2025 und NKWS: Booster fürs Umwelt- und Planungsrecht?

Im aktuellen Koalitionsvertrag wird das Umwelt- und Planungsrecht übergreifend an verschiedenen Stellen im Koalitionsvertrag genannt und verdeutlicht dessen großen Stellenwert. In der Vereinbarung erfolgt aber auch ein klares Bekenntnis zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS), die die Transformation zu einem nachhaltigen Kreislaufwirtschaftsmodell weiter vorantreiben will. Hier wird es in dieser Legislaturperiode und auch darüber hinaus entscheidend darauf ankommen, erforderliche Investitionen und Vorhaben in verschiedenen Bereichen – beispielsweise bei der Infrastruktur – auszubauen und zu beschleunigen, ohne die Zielsetzungen der Transformation zur Klimaneutralität aus den Augen zu verlieren.

Das sind die aktuellen Pläne der Koalitionspartner in Bezug auf das Umwelt- und Planungsrecht, die es nun zeitnah und pragmatisch in die Praxis umzusetzen gilt:

Änderungen bei der Vorhabengenehmigung

CDU/CSU und SPD möchten die Zulassung von Anlagen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren insgesamt vereinfachen. Die Koalitionsparteien planen eine Entbürokratisierung des Umweltgenehmigungsrechts. Im Bereich des Immissionsschutzes lautet das erklärte Ziel, Beschleunigungspotenziale zu heben, ohne die Schutzziele des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zu gefährden.

Um Nutzungskonflikte zwischen Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft aufzulösen, sollen die TA-Lärm und die TA-Luft weiterentwickelt werden. Im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung soll das BImSchG praxistauglich umgestaltet werden. Genehmigungsrechtliche Hürden beim Stallbau sollen abgeschafft werden. Für neu- und umgebaute Tierwohlställe soll es Bestandsschutz für mindestens 20 Jahre geben. Zudem soll der Wechsel einer Tierart innerhalb bestehender Stallanlagen erleichtert werden.

Die künftige Regierung beabsichtigt zudem, nach EU-Recht zulässige Spielräume im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu nutzen und diese zu vereinfachen, unter anderem indem Schwellenwerte für Vorhaben mit UVP-Pflicht angehoben werden. Zudem soll geprüft werden, ob bei Änderungsgenehmigungen auf eine UVP-Vorprüfung verzichtet werden kann.

Die Koalition will in einem Naturflächenbedarfsgesetz die Ausweisung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die Vernetzung von Ausgleichsmaßnahmen (Biotopverbund) erleichtern.

Beim Arten- und Naturschutz soll bundeseinheitlich der Populationsansatz angewendet werden. So könnten Vorhaben auch dann ermöglicht werden, wenn das Vorhaben einzelne Individuen einer Art beeinträchtigt.

Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung soll vorangetrieben werden

Die künftige Regierung möchte insbesondere wichtige Infrastrukturvorhaben vorantreiben. Daher hat sie sich auf Maßnahmen zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung geeinigt. Die Koalition beabsichtigt, eine Europäische Initiative zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung zu starten und den nationalen Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung der vorherigen Bundesregierung und der Länder fortzusetzen. Gemeinsam mit den Ländern sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren vollständig digitalisiert werden.
Bedeutende Änderungen strebt die künftige Regierung im Fachplanungsrecht an. Sie möchte unter anderem ein einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturvorhaben einführen („one for many“). Verfahrensstufen sollen reduziert und Doppelprüfungen abgebaut werden. Ebenso soll es keine mehrfachen Beteiligungsrunden von Trägern öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit mehr geben. Erörterungstermine sollen fakultativ werden.

Die Koalitionspartner möchten des Weiteren eine verbindliche Stichtagsregelung zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Planungsprozess einführen. Verfahren würden dann ohne Berücksichtigung von Rechtsänderungen mit dem Recht beendet werden, mit dem sie begonnen wurden. Eine weitere Erleichterung betrifft den identischen und den erweiterten Ersatzneubau sowie die Errichtung eines Ersatzbauwerks parallel zum Bestandsbauwerk: Diese sollen von der Pflicht eines Planfeststellungsverfahrens ausgenommen werden. Die Plangenehmigung soll das Planfeststellungsverfahren als Regelverfahren ablösen. Dadurch käme es insbesondere zu einer signifikanten Verschlankung der Öffentlichkeitsbeteiligung, da nur noch die von der Planung Betroffenen beteiligt werden müssten.
Für wesentliche Infrastrukturvorhaben soll ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn im laufenden Planverfahren zugelassen werden. Mit einem Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz will die künftige Regierung bau- und umweltrechtliche Ausnahmeregelungen für Bauvorhaben im Bereich der verteidigungsrelevanten Infrastruktur schaffen.

Nachhaltige Kreislaufwirtschaft soll gestärkt werden

Die künftige Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Primärrohstoffverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren und heimische wie europäische Ressourcen besser zu nutzen. Dazu bedarf es einer weiteren Stärkung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.

Die noch von der Ampel-Koalition aufgestellte Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) soll beibehalten und auf „pragmatische“ Weise umgesetzt werden. Um Stoffkreisläufe zu schließen, sieht der Koalitionsvertrag eine Digitalisierungsinitiative vor.

Die künftige Bundesregierung will § 21 Verpackungsgesetz reformieren. Danach sind Systeme verpflichtet, über die Beteiligungsentgelte Anreize dafür zu schaffen, dass bei der Herstellung von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen möglichst nachhaltige Materialien sowie Rezyklate und nachwachsende Rohstoffe verwendet werden. Die EU-Verpackungsverordnung soll praktikabel umgesetzt werden.

Auch über den Bereich des Verpackungsrechts hinaus ist insgesamt eine Stärkung von Strategien zur Abfallvermeidung, zum Rezyklateinsatz und zur Etablierung einer Shared Economy beabsichtigt. Die neue Bundesregierung will nachhaltigen Konsum nach dem Grundsatz „Reparieren statt wegwerfen“ erleichtern. Dazu sollen bestehende Regelungen zur Sammlung von Altbatterien und Elektrogeräten optimiert werden.

Speziell mit Blick auf die chemische Industrie sieht der Koalitionsvertrag vor, das chemische Recycling von Kunststoffen zu unterstützen und dieses in die bestehende Abfallhierarchie einzufügen, wobei keine Aussagen getroffen werden, an welcher Stelle das chemische Recycling in der Abfallhierarchie verankert werden soll.
Für den Baubereich ist die bereits seit längerem geplante Einführung einer Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung angekündigt. Die Koalition will zudem notwendige Anlagen für die verstärkte Nutzung von Recycling-Baustoffen ermöglichen. Für biobasierte und energieintensive Baustoffe sollen Aktionspläne aufgestellt werden.

Zur Umsetzung dieser Punkte sowie weiterer kurzfristig realisierbarer Maßnahmen soll auf Grundlage der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ein Eckpunktepapier ausgearbeitet werden.

Weitere Umwelt-Themen im Koalitionsvertrag

Über die vorgenannten Punkte hinaus enthält der Koalitionsvertrag einige Aussagen zu weiteren Umweltthemen. So sollen mit der in Kraft getretenen Industrieemissions-Richtlinie (Industrial Emissions Directive – IED) und der EU-Luftqualitäts-Richtlinie zwei zentrale Vorhaben des Umweltunionsrechts 1:1 und so schlank wie möglich in nationales Recht umgesetzt werden. Im Bereich des Chemikalienrechts will sich die neue Bundesregierung für einen ausgewogenen europäischen Regulierungsrahmen mit einem risikobasierten Ansatz einsetzen, zum Beispiel bei der EU-REACH-Verordnung. Ein Totalverbot ganzer chemischer Stoffgruppen wie Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) wird im Koalitionsvertrag abgelehnt. Forschung und Entwicklung von Alternativstoffen sollen forciert werden. Wo der Einsatz von gleichwertigen Alternativen möglich ist, sollen PFAS zeitnah ersetzt werden.

Im Bereich des Meeresschutzes liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Kampf gegen Verschmutzung, dem Erhalt der Biodiversität und der Beseitigung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee. Letztere ist als vom Klimawandel besonders betroffenes Binnenmeer aus Sicht der künftigen Bundesregierung besonders zu schützen.
Der Abbau und die Gewinnung heimischer Rohstoffe sollen auf pragmatische Weise unter Wahrung der Umwelt- und Sozialstandards erleichtert werden.

Die künftige Regierung will zudem das Umweltinformationsgesetz verschlanken und das Informationsfreiheitsgesetz mit einem Mehrwert für Bürger:innen und Verwaltung reformieren.

Unternehmen brauchen schnell Rechtssicherheit

Die Zielsetzungen des Koalitionsvertrages und der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sollten zeitnah und mit Tempo umgesetzt werden, damit das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 nicht gefährdet wird. Hierfür sind zahlreiche gesetzliche Anpassungen im Umwelt- und Planungsrecht essenziell. Ohne diese Rechtssicherheit können erforderliche Investitionen nicht getätigt und dringend erforderliche Vorhaben nicht realisiert werden.
So wurde auch auf der NKWS-Fachkonferenz des Bundesumweltministeriums am 11. April 2025 mit über 200 Teilnehmenden folgendes deutlich:

  • Wir müssen bei den anstehenden Herausforderungen zur Umsetzung der Zielsetzungen des Koalitionsvertrages und der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie über die anstehende Legislaturperiode hinaus europäisch denken mit einer auch internationalen Ausrichtung.
  • Wir brauchen eine schnelle und pragmatische Umsetzung.
  • Bei der Umsetzung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bedarf es einer Verknüpfung mit allen Bereichen einschließlich Digitalisierung unter Einbindung der verschiedenen Stakeholder beim Lebenszyklus von Produkten und Primär- und Recyclingrohstoffen unter Einbeziehung auch von Logistik und Transport.
  • Die Umsetzung ist Aufgabe der gesamten Bundesregierung, der Länder als auch der gesamten Wirtschaft.

Der Startschuss ist gesetzt, nun sollte der Marathon auch zeitnah erfolgreich gelaufen werden.

 

Explore #more

07.08.2025 | KPMG Law Insights

NIS2: So müssen sich Energieversorger vor Cyberangriffen schützen

Im Juli 2025 meldete der Militärische Abschirmdienst Medienberichten zufolge einen deutlichen Anstieg von Ausspähversuchen und Störmaßnahmen durch den russischen Geheimdienst. Dass auch die deutsche Energieinfrastruktur…

06.08.2025 | KPMG Law Insights

Steueroasen: Wenn Geschäftsbeziehungen ein Strafverfahren auslösen

Ein deutsches Tech-Unternehmen zahlte seit Jahren Lizenzgebühren an einen Vertragspartner in Panama, ohne je Probleme gehabt zu haben. Nur wenige wussten jedoch, dass Panama seit

06.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law, KPMG in Germany and KPMG in Switzerland advised Bureau Veritas on the acquisition of Dornier Hinneburg and its Swiss subsidiary Hinneburg Swiss

KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) together with KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) and KPMG AG Switzerland advised Bureau Veritas group (Bureau Veritas) on the acquisition…

05.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät Athagoras Holding GmbH beim Erwerb der IGES Gruppe

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat die Athagoras Holding GmbH, eine Plattform des Münchener PE Hauses Greenpeak Partners, bei der Akquisition der IGES…

05.08.2025 | In den Medien

Wirtschaftswoche zeichnet KPMG Law als Top Kanzlei im Vergaberecht aus

Das aktuelle Ranking des Handelsblatt Research Instituts in Kooperation mit der WirtschaftsWoche hat die Top Kanzleien sowie Top-Anwält:innen in den Rechtsgebieten „Vergaberecht“, „Umwelt- und Bauplanungsrecht“…

04.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG AG beraten NMP Germany bei dem Kauf der DESMA Schuhmaschinen GmbH

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat die NMP Germany GmbH (NMP) bei dem Kauf der DESMA Schuhmaschinen GmbH (DESMA) rechtlich beraten. KPMG Law…

02.08.2025 | In den Medien

KPMG Law Experte in der Rheinischen Post zum Thema Influencer Steuerhinterziehung

Das nordrhein-westfälische Landesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (LBF NRW) wertet derzeit ein Datenpaket aus. Es soll 6000 Datensätze umfassen. Der Verdacht: Influencer sollen diese Vergütungen…

31.07.2025 | In den Medien

KPMG Law Experte im Handelsblatt: Neue EU-Verordnung betrifft 370.000 Firmen

Zum Jahresende verbietet die EU Erzeugnisse, die mit der Zerstörung von Wäldern in Verbindung stehen. Die Hoffnung vieler Importeure, die darauf gesetzt hatten, dass die…

29.07.2025 | KPMG Law Insights

Die Spar- und Investitionsunion (SIU) – das sind die Pläne der EU

In der EU fehlt an vielen Stellen Geld, unter anderem für die Infrastruktur, den Ausbau der Digitalisierung und die Verteidigung. Gleichzeitig verfügen Europäer über hohe…

28.07.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät den Gesellschafter der Schubert Touristik GmbH bei der Verhandlung und Umsetzung einer strategischen Partnerschaft mit dem österreichischen Private Equity Unternehmen AG Capital

Die Schubert-Gruppe mit Hauptsitz in Aschersleben ist spezialisiert auf organisierte und begleitete Bus-, Flug- und Kreuzfahrtreisen weltweit, speziell zugeschnitten auf Senioren ab 60 Jahren. Mit…

Kontakt

Dr. Simon Meyer

Partner

Friedenstraße 10
81671 München

Tel.: +49 89 5997606 5021
simonmeyer@kpmg-law.com

Dr. Florian Gonsior

Senior Manager

Tersteegenstraße 19-23
40474 Düsseldorf

Tel.: +49 211 4155597-217
fgonsior@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll