Im aktuellen Koalitionsvertrag wird das Umwelt- und Planungsrecht übergreifend an verschiedenen Stellen im Koalitionsvertrag genannt und verdeutlicht dessen großen Stellenwert. In der Vereinbarung erfolgt aber auch ein klares Bekenntnis zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS), die die Transformation zu einem nachhaltigen Kreislaufwirtschaftsmodell weiter vorantreiben will. Hier wird es in dieser Legislaturperiode und auch darüber hinaus entscheidend darauf ankommen, erforderliche Investitionen und Vorhaben in verschiedenen Bereichen – beispielsweise bei der Infrastruktur – auszubauen und zu beschleunigen, ohne die Zielsetzungen der Transformation zur Klimaneutralität aus den Augen zu verlieren.
Das sind die aktuellen Pläne der Koalitionspartner in Bezug auf das Umwelt- und Planungsrecht, die es nun zeitnah und pragmatisch in die Praxis umzusetzen gilt:
CDU/CSU und SPD möchten die Zulassung von Anlagen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren insgesamt vereinfachen. Die Koalitionsparteien planen eine Entbürokratisierung des Umweltgenehmigungsrechts. Im Bereich des Immissionsschutzes lautet das erklärte Ziel, Beschleunigungspotenziale zu heben, ohne die Schutzziele des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zu gefährden.
Um Nutzungskonflikte zwischen Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft aufzulösen, sollen die TA-Lärm und die TA-Luft weiterentwickelt werden. Im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung soll das BImSchG praxistauglich umgestaltet werden. Genehmigungsrechtliche Hürden beim Stallbau sollen abgeschafft werden. Für neu- und umgebaute Tierwohlställe soll es Bestandsschutz für mindestens 20 Jahre geben. Zudem soll der Wechsel einer Tierart innerhalb bestehender Stallanlagen erleichtert werden.
Die künftige Regierung beabsichtigt zudem, nach EU-Recht zulässige Spielräume im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu nutzen und diese zu vereinfachen, unter anderem indem Schwellenwerte für Vorhaben mit UVP-Pflicht angehoben werden. Zudem soll geprüft werden, ob bei Änderungsgenehmigungen auf eine UVP-Vorprüfung verzichtet werden kann.
Die Koalition will in einem Naturflächenbedarfsgesetz die Ausweisung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die Vernetzung von Ausgleichsmaßnahmen (Biotopverbund) erleichtern.
Beim Arten- und Naturschutz soll bundeseinheitlich der Populationsansatz angewendet werden. So könnten Vorhaben auch dann ermöglicht werden, wenn das Vorhaben einzelne Individuen einer Art beeinträchtigt.
Die künftige Regierung möchte insbesondere wichtige Infrastrukturvorhaben vorantreiben. Daher hat sie sich auf Maßnahmen zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung geeinigt. Die Koalition beabsichtigt, eine Europäische Initiative zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung zu starten und den nationalen Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung der vorherigen Bundesregierung und der Länder fortzusetzen. Gemeinsam mit den Ländern sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren vollständig digitalisiert werden.
Bedeutende Änderungen strebt die künftige Regierung im Fachplanungsrecht an. Sie möchte unter anderem ein einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturvorhaben einführen („one for many“). Verfahrensstufen sollen reduziert und Doppelprüfungen abgebaut werden. Ebenso soll es keine mehrfachen Beteiligungsrunden von Trägern öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit mehr geben. Erörterungstermine sollen fakultativ werden.
Die Koalitionspartner möchten des Weiteren eine verbindliche Stichtagsregelung zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Planungsprozess einführen. Verfahren würden dann ohne Berücksichtigung von Rechtsänderungen mit dem Recht beendet werden, mit dem sie begonnen wurden. Eine weitere Erleichterung betrifft den identischen und den erweiterten Ersatzneubau sowie die Errichtung eines Ersatzbauwerks parallel zum Bestandsbauwerk: Diese sollen von der Pflicht eines Planfeststellungsverfahrens ausgenommen werden. Die Plangenehmigung soll das Planfeststellungsverfahren als Regelverfahren ablösen. Dadurch käme es insbesondere zu einer signifikanten Verschlankung der Öffentlichkeitsbeteiligung, da nur noch die von der Planung Betroffenen beteiligt werden müssten.
Für wesentliche Infrastrukturvorhaben soll ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn im laufenden Planverfahren zugelassen werden. Mit einem Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz will die künftige Regierung bau- und umweltrechtliche Ausnahmeregelungen für Bauvorhaben im Bereich der verteidigungsrelevanten Infrastruktur schaffen.
Die künftige Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Primärrohstoffverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren und heimische wie europäische Ressourcen besser zu nutzen. Dazu bedarf es einer weiteren Stärkung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
Die noch von der Ampel-Koalition aufgestellte Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) soll beibehalten und auf „pragmatische“ Weise umgesetzt werden. Um Stoffkreisläufe zu schließen, sieht der Koalitionsvertrag eine Digitalisierungsinitiative vor.
Die künftige Bundesregierung will § 21 Verpackungsgesetz reformieren. Danach sind Systeme verpflichtet, über die Beteiligungsentgelte Anreize dafür zu schaffen, dass bei der Herstellung von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen möglichst nachhaltige Materialien sowie Rezyklate und nachwachsende Rohstoffe verwendet werden. Die EU-Verpackungsverordnung soll praktikabel umgesetzt werden.
Auch über den Bereich des Verpackungsrechts hinaus ist insgesamt eine Stärkung von Strategien zur Abfallvermeidung, zum Rezyklateinsatz und zur Etablierung einer Shared Economy beabsichtigt. Die neue Bundesregierung will nachhaltigen Konsum nach dem Grundsatz „Reparieren statt wegwerfen“ erleichtern. Dazu sollen bestehende Regelungen zur Sammlung von Altbatterien und Elektrogeräten optimiert werden.
Speziell mit Blick auf die chemische Industrie sieht der Koalitionsvertrag vor, das chemische Recycling von Kunststoffen zu unterstützen und dieses in die bestehende Abfallhierarchie einzufügen, wobei keine Aussagen getroffen werden, an welcher Stelle das chemische Recycling in der Abfallhierarchie verankert werden soll.
Für den Baubereich ist die bereits seit längerem geplante Einführung einer Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung angekündigt. Die Koalition will zudem notwendige Anlagen für die verstärkte Nutzung von Recycling-Baustoffen ermöglichen. Für biobasierte und energieintensive Baustoffe sollen Aktionspläne aufgestellt werden.
Zur Umsetzung dieser Punkte sowie weiterer kurzfristig realisierbarer Maßnahmen soll auf Grundlage der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ein Eckpunktepapier ausgearbeitet werden.
Über die vorgenannten Punkte hinaus enthält der Koalitionsvertrag einige Aussagen zu weiteren Umweltthemen. So sollen mit der in Kraft getretenen Industrieemissions-Richtlinie (Industrial Emissions Directive – IED) und der EU-Luftqualitäts-Richtlinie zwei zentrale Vorhaben des Umweltunionsrechts 1:1 und so schlank wie möglich in nationales Recht umgesetzt werden. Im Bereich des Chemikalienrechts will sich die neue Bundesregierung für einen ausgewogenen europäischen Regulierungsrahmen mit einem risikobasierten Ansatz einsetzen, zum Beispiel bei der EU-REACH-Verordnung. Ein Totalverbot ganzer chemischer Stoffgruppen wie Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) wird im Koalitionsvertrag abgelehnt. Forschung und Entwicklung von Alternativstoffen sollen forciert werden. Wo der Einsatz von gleichwertigen Alternativen möglich ist, sollen PFAS zeitnah ersetzt werden.
Im Bereich des Meeresschutzes liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Kampf gegen Verschmutzung, dem Erhalt der Biodiversität und der Beseitigung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee. Letztere ist als vom Klimawandel besonders betroffenes Binnenmeer aus Sicht der künftigen Bundesregierung besonders zu schützen.
Der Abbau und die Gewinnung heimischer Rohstoffe sollen auf pragmatische Weise unter Wahrung der Umwelt- und Sozialstandards erleichtert werden.
Die künftige Regierung will zudem das Umweltinformationsgesetz verschlanken und das Informationsfreiheitsgesetz mit einem Mehrwert für Bürger:innen und Verwaltung reformieren.
Die Zielsetzungen des Koalitionsvertrages und der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sollten zeitnah und mit Tempo umgesetzt werden, damit das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 nicht gefährdet wird. Hierfür sind zahlreiche gesetzliche Anpassungen im Umwelt- und Planungsrecht essenziell. Ohne diese Rechtssicherheit können erforderliche Investitionen nicht getätigt und dringend erforderliche Vorhaben nicht realisiert werden.
So wurde auch auf der NKWS-Fachkonferenz des Bundesumweltministeriums am 11. April 2025 mit über 200 Teilnehmenden folgendes deutlich:
Der Startschuss ist gesetzt, nun sollte der Marathon auch zeitnah erfolgreich gelaufen werden.
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