mit der September-Ausgabe unseres Newsletters Wissenschaft und Recht möchten wir Sie über Neuigkeiten rund um die Geschehnisse im Forschungs- und Entwicklungsbereich auf EU-Ebene informieren. Es gibt eine erfreuliche Nachricht: Erstmalig hat die EU-Kommission im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens eine konkrete Fördermaßnahme eines Mitgliedstaats EU-beihilfenrechtlich anhand des neuen Unionsrahmens für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation genehmigt. Wie die Prüfung konkret ausgegangen ist, lesen Sie in unserem ersten Beitrag.
Dieser guten Nachricht folgt leider eine unerfreuliche. Um den künftigen EU-Haushalt 2015 für Forschung und Entwicklung ist es nicht gut bestellt, glaubt man dem Europäischen Rat. Dieser hat drastische Kürzungen im Forschungsbereich vorgeschlagen, was wiederum dem EU-Parlament missfällt. Hintergrundinformationen dazu finden Sie in unserem zweiten Beitrag.
In der August-Ausgabe hatten wir bereits über die Vorgaben geschrieben, die das Bundesverfassungsgericht aus der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit für die Legitimation der Leitungsorgane von Hochschulen entwickelt hat. Nun musste sich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zur Frage Stellung nehmen, wer letztendlich die Entscheidung über die Abwahl von Präsidiumsmitgliedern treffen darf: Der Hochschulrat oder der Senat? Die Antwort auf diese Frage sowie die rechtliche Begründung finden Sie in unserem dritten Beitrag.
Vorenthalten wollen wir Ihnen auch nicht, dass es dem Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen an den Kragen geht. Der EuGH hat einzelne gesetzliche Regelungen zum Mindestlohn für unvereinbar mit der EU-primärrechtlichen Dienstleistungsfreiheit erklärt. Zudem berichten wir darüber, ob und inwieweit ein „Nullsummenspiel“ bei der Angabe von Umsatzzahlen der letzten drei Geschäftsjahre zulässig ist. Lesen Sie dazu unsere beiden letzten Beiträge.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.
Herzlichst Ihr
Public Sector-Team der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Mathias Oberndörfer
Rechtsanwalt
Dr. Anke Empting
Rechtsanwältin
Erstmalig hat sich die EU-Kommission mit Beihilfen zugunsten des europäischen Forschungsprogramms „SuperGrid“ befasst. F&E-Fördermaßnahmen Frankreichs wurden nach ca. einjähriger Prüfung auf der Grundlage des neuen Unionsrahmens für beihilfenrechtskonform erklärt. Damit hat die Kommission auch aufgezeigt, welche Aspekte aus ihrer Sicht entscheidend für Genehmigung entsprechender Maßnahmen in anderen Mitgliedstaaten sind.
„SuperGrid“ basiert auf der Maßnahme „Connecting Europe Facility (CEF)“ der EU-Kommission, die den EU-weiten Ausbau der Energie-Infrastruktur zum Ziel hat. Schwerpunkt der ersten Phase sind Projekte zur Förderung des Strom- und Gassektors. Energienetze sollen helfen, flexibler das schwankende Angebot an erneuerbaren Energien zu steuern.
Frankreich hatte mit dem Start-up-Unternehmen S.A.S SuperGrid eine öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) gegründet, deren alleiniger Zweck die Umsetzung des „SuperGrid“-Programms in Frankreich ist. Die Fördermaßnahme in Höhe von 86,6 Millionen Euro wurde in Form eines direkten Zuschusses gewährt und 2013 bei der EU-Kommission förmlich angemeldet („notifiziert“).
Die EU-Kommission entschied: Zwar erfülle die geplante Zuschussgewährung sämtliche Merkmale des EU-Beihilfentatbestands. Sie sei aber gemäß Ziffer 3 ff. des Unionsrahmens mit dem EU-Beihilfenrecht vereinbar und damit genehmigungsfähig. Mit der Maßnahme würden nämlich wichtige europäische Ziele wie Energieunabhängigkeit verfolgt, ohne dass es dabei zu einer übermäßigen Verzerrung des Wettbewerbs komme.
Der Europäische Rat schlägt im ersten Entwurf für den EU-Haushalt 2015 Kürzungen in Höhe von über 1 Milliarde Euro im Bereich Forschung und Innovation vor. Dies betrifft in erster Linie das Budget des EU-weiten Förderprogramms „Horizon 2020“. Damit wird das im Jahr 2010 festgelegte Ziel der EU, jährlich mindestens 3 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes für Forschung auszugeben, voraussichtlich auch im Jahr 2020 nicht erreicht.
Das EU-Parlament bezeichnete den Vorschlag als falsches Signal. FuE-Projekte könnten verlangsamt werden und es drohe die Abwanderung von Top-Wissenschaftlern.
Die Verhandlungen zum Haushaltsjahr 2015 sollen Ende November abgeschlossen sein.
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in seinem Beschluss vom 2. September 2014 (Az. 5 ME 104/14) die Stellung des Senats bei der Abberufung einzelner Mitglieder des Präsidiums gestärkt.
Nach erheblichen Kontroversen zwischen dem Präsidium und Hochschulangehörigen wählte der Senat alle Präsidiumsmitglieder mit der bundeslandspezifischen, hochschulrechtlich vorgesehenen Dreiviertel-Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder ab. Der Hochschulrat beschloss jedoch mehrheitlich, die Abwahlvorschläge des Senats nicht zu bestätigen. Die Vizepräsidentin wehrte sich gegen die Entlassung aus dem Funktionsamt.
Die Frage nach der Zuständigkeit gestaltete sich im vorliegenden Fall schwierig.
Mit Blick auf die grundgesetzlich geschützte Wissenschaftsfreiheit entschied das OVG Lüneburg jedoch: Je mehr Befugnisse einem Präsidium zugesprochen werden, desto ausschlaggebender ist es, seine Besetzung sowie Abwahl von Mitgliedern dem ausschlaggebenden Einfluss des Senats als dem hier wesentlich mit Hochschullehrern besetzten Gremium zu unterstellen.
Ob die Entscheidung des OVG Lüneburg auch im Hauptsacheverfahren Bestand hat, ist noch offen.
Der EuGH hat den im Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalens (TVgG NRW) verankerten Mindestlohn teilweise als unvereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit eingestuft.
Bieter müssen laut Regelung des § 4 Abs. 3 TVgG NRW erklären, ihren Angestellten bei der Durchführung des öffentlichen Auftrags einen Mindeststundenlohn von 8,62 Euro pro Stunde zu zahlen.
Der EuGH entschied: Dadurch werde der Bieter zusätzlich wirtschaftlich belastet und die Erbringung von Dienstleistungen im Ausland deutlich unattraktiver gemacht. Zudem sei ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit aufgrund des Arbeitnehmerschutzgedankens dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn dieser Schutz ohne besondere Begründung nur Arbeitnehmern bei einem öffentlichen, nicht aber bei einem privaten Auftrag, zugute käme.
Eine Mindestlohnvorgabe könnte – je nach Interpretation der Entscheidung des EuGH – allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn sie einen konkreten und nachvollziehbar in den Vergabeunterlagen dargestellten Bezug zu den spezifischen, im jeweiligen EU-Mitgliedstaat üblichen Lebenshaltungskosten aufweist.
Ob diese mögliche Interpretation tatsächlich Spielraum für öffentliche Auftraggeber bietet, ist allerdings noch offen.
Die 1. Vergabekammer des Bundes stellt in ihrem Beschluss vom 13. Juni 2014 (Az. VK 1-34/14) klar, dass in einem Formblatt auch die Eintragung einer Null ausreichend ist, wenn lediglich die getrennten Angaben für die letzten drei Geschäftsjahre vorgesehen sind.
Im vorliegenden Fall war die Bieterin erst Anfang 2014 gegründet worden und hatte dementsprechend im Formblatt keine Angaben zu Umsatz, erbrachten Leistungen und Personal in den vergangenen letzten drei Geschäftsjahren zu machen. Die Newcomerin sollte den Zuschlag erhalten. Die Antragstellerin machte geltend, diese habe schon die Eignungsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Die Vergabekammer entschied, die Newcomerin sei zu Recht nicht ausgeschlossen worden. Mit dem Formblatt sei keine Mindestanforderung dahingehend aufgestellt worden, dass eine mindestens dreijährige Geschäftstätigkeit bestehen oder vom Bieter Angaben „größer Null“ getätigt werden müsse.
Die Entscheidung zeigt: Öffentliche Auftraggeber müssen die von ihnen aufgestellten Mindestanforderungen an die Eignung eindeutig zum Ausdruck bringen.
Geschäftsführer
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