Im Koalitionsvertrag bekennen sich Union und SPD zu den deutschen und europäischen Klimazielen und der Klimaneutralität Deutschlands bis 2045. Dafür möchten die Koalitionspartner insbesondere den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben und halten am EU-Emissionshandel fest. Gleichzeitig sollen die Kosten für Unternehmen und Bürger gesenkt werden.
Im Einzelnen hat sich die Koalition auf eine Reihe von Zielbildern festgelegt, deren Umsetzung und Ausgestaltung noch abzuwarten bleibt. Viele bisher bereits unter der alten Regierung angestoßene Maßnahmen werden durch die Koalition fortgesetzt und nachjustiert:
Die Koalitionspartner möchten das Energieangebot steigern und dadurch die Stromkosten stabilisieren, ja sogar reduzieren. Hierfür sollen alle Potenziale der erneuerbaren Energien genutzt werden: Sonnen- und Windenergie, Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, klimaneutrale Moleküle sowie Speicherkapazitäten. Bei klimaneutralen Molekülen handelt es sich um feste, flüssige und gasförmige Energieträger, die insbesondere in Sektoren zum Einsatz kommen, die nur schwer oder gar nicht elektrifiziert werden können wie zum Beispiel im Luft- und Schiffverkehr. Außerdem beabsichtigt die künftige Bundesregierung die Stärkung innovativer Technologien wie Abwasserwärme, Wärmerückgewinnung und Flugwindkraft bzw. Höhenwindenergie. In Bezug auf Solarenergie sollen Betreibern von Bestandsanalgen Anreize für eine netz- und systemdienliche Einspeisung gesetzt und die Doppelnutzung von Sonne und Fläche, zum Beispiel durch Parkplatz-, Agri- und Floating-PV, erleichtert werden. All diese Vorhaben sowie die vollständige Umsetzung der dritten Erneuerbaren Energien Richtlinie (RED III) werden weitere (umfangreiche) Novellen des EEG erforderlich machen.
In diesem Zusammenhang soll auch die Kraftwerksstrategie im künftigen Kraftwerkssicherheitsgesetz überarbeitet werden: Bis 2030 sollen bis zu 20 GW Gaskraftwerksleistung errichtet werden. Ein Anteil an H2-ready-Kraftwerken ist im Koalitionsvertrag nicht mehr vorausgesetzt. Neue Gaskraftwerke sollen in erster Linie an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen. Außerdem sollen die Potenziale inländischer Gasförderung genutzt werden. Die Synchronisation von Windkraft- und Netzausbau soll zudem verbessert werden, zum Beispiel durch die Ausweisung von befristeten Engpassgebieten. Dem Grunde nach ist dies jedoch bereits im Netzausbauplan § 14d Abs. 4 Nr. 1 EnWG vorgesehen.
Die Koalitionspartner möchten den Strommarkt zudem durch den Speicherausbau flexibilisieren. Der Speicherausbau soll systemdienlich ausgestaltet werden und es sollen Rechenzentren, Speicher sowie große Erzeuger erneuerbarer Energien netzdienlich angesiedelt werden. Energiespeicher sollen als im überragenden öffentlichen Interesse anerkannt und im Zusammenhang mit privilegierten Erneuerbaren-Energien-Erzeugungsanlagen ebenfalls privilegiert werden (sog. Co-Location-Projekte). Dies steht allerdings bereits in § 11c EnWG für Energiespeicheranlagen und in § 2 EEG für EE-Anlagen.
Der Koalitionsvertrag wirft erhebliche Fragen zur Finanzierung auf. Laut einer Studie des BDEW besteht bis 2030 ein Investitionsbedarf von 721 Milliarden Euro, um die Energiewende zu erreichen. Aufgabenträger können dies allein nicht stemmen. Wie das Sondervermögen umgesetzt und auf die verschiedenen Bereiche aufgeteilt wird, bleibt abzuwarten. Eine mögliche Umsetzung könnte hier die Schaffung, Aufstockung und Erweiterung von Förderprogrammen sein. Fest steht, dass ein Großteil der Summe für die Energiewirtschaft aus dem Sondervermögen bereits durch die angekündigten Kostenentlastungen aufgezerrt wäre. Denn die Absenkung der Stromsteuer, die Kosten für den Industriestrompreis wie auch die Reduzierung der Netzentgelte und die Abschaffung der Gasspeicherumlage werden enorme Kosten verursachen. Ob weitere Investitionen für die Energieinfrastruktur aus dem Sondervermögen und dem Investitionsfonds neben den Kostensenkungen hierfür ausreichen, ist mehr als fraglich.
Die künftige Regierung möchte auch den Netzausbau und die Netzmodernisierung vorantreiben und an die Erneuerbaren Energien anpassen. Erreichen will sie das durch
Die Union hat sich am Ende der Koalitionsverhandlungen bei der Ausgestaltung von HGÜ-Übertragungsnetzen zugunsten von Freileitungen durchgesetzt. Eine entsprechende gesetzgeberische Klarstellung sollte zeitnah umgesetzt werden.
Um die Energiewende voranzutreiben, haben sich die Koalitionäre eine Entbürokratisierung, insbesondere die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vorgenommen. Folgende Maßnahmen sollen dies ermöglichen:
Derzeit stellen lange Planungs- und Genehmigungsverfahren noch ein großes Hemmnis beim Ausbau von Erneuerbaren Energien dar. Hinzu kommen lange Wartezeiten auf den Netzanschluss. Auf diese Probleme geht der Koalitionsvertrag nicht explizit ein. Die Umsetzung des Beschleunigungspaketes könnte zeitnah gelingen, da circa 90 Prozent der Vorhaben schon umgesetzt oder in Arbeit sind (Stand 28. Februar 2025). Einen Gesetzesentwurf „zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze und zur Änderung des Bundesbedarfsgesetzes“ hatte die Ampel bereits eingebracht. Gleiches gilt für den Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2413 in den Bereichen Windenergie an Land und Solarenergie sowie für Energiespeicheranlagen am selben Standort.
Die künftige Regierungskoalition spricht sich für die Kraft-Wärme-Kopplung aus. Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) soll noch 2025 an die „Herausforderungen einer klimaneutralen Wärmeversorgung, an Flexibilitäten sowie hinsichtlich eines Kapazitätsmechanismus“ angepasst werden. Das Gesetz wurde zuletzt zum 1. April 2025 geändert, um die Förderung für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu verlängern.
Beim Thema Wärme haben sich Union und SPD auf folgende Maßnahmen geeinigt:
Um den Wasserstoffhochlauf zu ermöglichen, streben die Koalitionspartner eine zügige gesetzliche Umsetzung der europäischen Wasserstoffstrategie an. Zudem soll der Wasserstoffimport durch den Ausbau der grenzüberschreitenden und inländischen Infrastruktur verbessert, Förderinstrumente wie H2-Global und IPCEI-Projekte genutzt und vertrauenswürdige Zertifizierungssysteme für klimafreundliche Energieträger eingeführt werden.
Beim Thema Kernenergie erwog die Union in den Koalitionsverhandlungen, den Rückbau der Reaktoren vorläufig zu stoppen und prüfen zu lassen, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist. Dieser Vorschlag hat sich im Koalitionsvertrag jedoch nicht durchgesetzt.
Durch den Einsatz von CCS und CCU kann CO2 aus industriellen Abgasen oder direkt aus der Atmosphäre abgetrennt und unterirdisch gespeichert werden. Ein Gesetzespaket zu CO2-Abscheidungs- und Speicherungstechnologien (Carbon Capture and Storage, CCS) und Nutzungstechnologien (Carbon Capture and Utilization, CCU) soll umgehend nach Beginn der Wahlperiode vorgelegt werden. Ein überragendes öffentliches Interesse für den Bau von CCS/CCU-Anlagen und Leitungen soll festgestellt werden. Außerdem soll das London-Protokoll ratifiziert und bilaterale Abkommen mit den Nachbarländern angestrebt werden.
Die genannten Technologien können einen maßgeblichen Beitrag zur Verringerung von CO2-Emissionen in die Atmosphäre leisten. Wünschenswert wäre eine Regelung zur Schaffung eines CO2-Leitungsnetzes, da die Branche bislang auf den Transport per Zug, LWK oder Schiff angewiesen ist. Ende September 2024 hatte der Bundestag bereits über einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) beraten. Dieser wurde jedoch nicht mehr verabschiedet.
Die Koalitionäre möchten die Energiepreise dauerhaft um mindestens 5 Ct/kWh senken. Vorgesehen ist das folgende Maßnahmenpaket:
Die Reduzierung der Energiepreise ist besonders für energieintensive Unternehmen wichtig. Allerdings beträfe die geplante Stromsteuersenkung jetzt in erster Linie Privathaushalte, da viele energieintensive Unternehmen durch bereits geltende Entfaltungsmöglichkeiten von abgesenkten Stromsteuersätzen profitiert hatten.
Wichtige Aspekte der Energiewirtschaft werden zwar adressiert, aber wie genau die konkrete Ausgestaltung aussehen wird, ist vielfach noch offen. Einige Gesetzentwürfe der letzten Regierung möchte die neue Koalition weiterverfolgen, wobei offen ist, wie sehr sie die Entwürfe noch abändert.
Unternehmen können mit sinkenden Energiepreisen rechnen, wenn die geplanten Maßnahmen umgesetzt werden.
Schließlich wäre auch aus Sicht der Städte und Gemeinden eine konkretere Positionierung in Bezug auf Investitionstätigkeiten wünschenswert. Schließlich tragen diese auch hinsichtlich energiebezogener Umstrukturierungsvorhaben große Verantwortung, die mit Blick auf die schwache kommunale Haushaltssituation kaum ohne weitreichende Unterstützung durch den Bund möglich sein wird. Beispielhaft seien an dieser Stelle nur anstehende Investitionsmaßnahmen in die kommunale Wärmeplanung genannt.
Partner
Tersteegenstraße 19-23
40474 Düsseldorf
Tel.: +49 211 4155597 976
marcgoldberg@kpmg-law.de
© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.
KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.