Vorstände einer Aktiengesellschaft können sich nicht selbst zu Geschäftsführer:innen einer Tochter-GmbH bestellen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 17.01.2023 (Az. II ZB 6/22) beschlossen und damit eine seit längerem umstrittene Frage entschieden. Nun wurde der Beschluss veröffentlicht.
Zwei von drei Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft sollten in einer neu zu gründenden hundertprozentigen Tochtergesellschaft die Geschäftsführung übernehmen. Die beiden bevollmächtigten einen Rechtsanwalt, der dann die Geschäftsführerbestellung vornahm. Dieser Umweg nutzte den Vorstandsmitgliedern jedoch nichts. Das Registergericht lehnte die Eintragung der GmbH mit der Begründung einer mangelhaften Geschäftsführerbestellung ab. Das akzeptierte die GmbH in Gründung nicht und verfolgte ihr Anliegen weiter bis zum BGH. Der BGH sah in der Bestellung ein sogenanntes Insichgeschäft gemäß § 181 Fall 1 BGB. Die Vorschrift verbietet es Vertreter:innen, im Namen eines anderen mit sich selbst Geschäfte abzuschließen. Genau das passierte aber, denn die fraglichen Vorstandsmitglieder handelten auf der einen Seite im Namen der AG als Gesellschafterin der GmbH und auf der anderen Seite in eigenem Namen.
Das Registergericht hatte außerdem eine Genehmigung der Geschäftsführerbestellung durch den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft verlangt. Dies bestätigte der BGH nicht. Die Geschäftsführerbestellung hätte auch das dritte Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen vornehmen können, meinten die Richter.
Vorstandsmitglieder einer Konzernmutter werden üblicherweise dann zu Geschäftsführer:innen von Tochter-GmbHs bestellt, wenn die Kontrolle und Leitungsbefugnis innerhalb des Konzerns über das Handeln dieser Personen sichergestellt werden soll. Allerdings geraten in solchen Konstellationen häufig die Fallstricke von Vollmachts- und Vertretungsbefugnissen aus dem Blick: Insbesondere bei § 181 BGB handelt es sich um eine komplizierte Vorschrift mit vielen Streitfällen und Ergebnissen, die teilweise dem ersten Bauchgefühl widersprechen und daher überraschen.
Der Umweg über die Bevollmächtigung einer dritten Person, die die fraglichen Handlungen vornimmt, war bisher eine gern gewählte Strategie, um ein Insichgeschäft zu vermeiden. Diese Lösung funktioniert nach der BGH-Entscheidung nicht mehr. Der BGH stellt dabei auf den Zweck der Vorschrift ab und stellt klar, dass die (Unter-)Vertretung durch die dritte Person nichts daran ändert, dass das Vorstandsmitglied bei einer Selbstbestellung zugleich für sich selbst als auch in Vertretung der Gesellschaft handelt.
Der BGH-Beschluss zeigt damit deutlich auf, dass bei Bestellungen von Vorstandsmitgliedern der Konzernmutter zu Geschäftsführer:innen von Tochter-GmbHs besonderes Augenmerk auf die Beschlussfassung und die Vertretungsbefugnisse gelegt werden muss. Dies gilt im Übrigen auch bei Konzerngesellschaften anderer Rechtsform und vor allem auch dann, wenn gegebenenfalls ausländische Gesellschaftsformen hinzutreten, in deren Rechtsordnungen mit § 181 BGB vergleichbare Normen möglicherweise nicht vorhanden sind.
Möchte das Geschäftsführungsorgan der Muttergesellschaft eigene Mitglieder zu Geschäftsführer:innen einer Tochtergesellschaft bestellen, sollten idealerweise auf Seiten der Muttergesellschaft andere Personen handeln als die zu bestellenden Personen. Wenn das nicht möglich ist, zum Beispiel weil alle vorhandenen Vorstandsmitglieder Geschäftsführer:innen werden sollen, ist zu prüfen, ob der Aufsichtsrat die handelnden Personen von der Beschränkung des § 181 BGB befreien kann.
Alternativ ist an eine Genehmigung der Geschäftsführerbestellung durch den Aufsichtsrat zu denken. Vorbeugend kann bei der Besetzung von Gremien und bei der weiteren Ausgestaltung der Führungsstrukturen auch darauf geachtet werden, dass gegebenenfalls Prokura bei der Muttergesellschaft erteilt wird. Die Prokura sollte dann ausreichen, um gemeinsam mit nur einem Mitglied der Geschäftsführung der Muttergesellschaft die entsprechenden Handlungen im Rahmen der Beteiligungsverwaltung bei der Tochtergesellschaft vornehmen zu können.
Sowohl die Gestaltung des rechtlichen Dürfens als auch die sinnvolle Besetzung von Geschäftsführungsgremien innerhalb von Konzernen sollte mit der notwendigen Genauigkeit vorgenommen werden: § 181 BGB kann nicht nur bei Geschäftsführerbestellungen ein unerwartetes Hindernis darstellen. Auch bei späteren Entlastungsbeschlüssen oder Transaktionen zwischen zwei Konzerngesellschaften können sich Probleme auftun, wenn Gremien beispielsweise personenidentisch besetzt wurden oder nicht konsequent auf Befreiungen von den Beschränkungen des § 181 BGB geachtet wurde. Eine frühzeitige sinnvolle Ausgestaltung der jeweiligen Vertretungsbefugnisse – soweit rechtlich möglich – und vorausschauende Zusammensetzung von Gremien kann derlei Probleme zu einem großen Teil ersparen.
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