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02.09.2016 | KPMG Law Insights

Schriftformheilungsklauseln im Gewerbemietrecht – Vertragsgestaltung und Rechtsprechung

Schriftformheilungsklauseln im Gewerbemietrecht – Vertragsgestaltung und Rechtsprechung

Die Kündbarkeit eines langfristigen Gewerberaummietvertrages wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Schriftform bildet seit jeher einen Schwerpunkt in der mietrechtlichen Beratungspraxis. In diesem Zusammenhang hat die Verwendung von sogenannten Schriftformheilungsklauseln an Bedeutung gewonnen. Zwei aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofes bringen weitere Rechtssicherheit und Anregungen zu einer eindeutigen Vertragsgestaltung.

Mit Schriftformheilungsklauseln wird in vielen Mietverträgen versucht, Schriftformverstößen zu begegnen. Hierdurch soll die Laufzeitabrede erhalten und eine vorzeitige Kündigung wegen eines Schriftformmangels nach Maßgabe der §§ 578, 550 BGB verhindert werden.

Die Wirksamkeit sogenannter Schriftformheilungsklauseln ist bisher nicht abschließend geklärt.

Wirksamkeit und Streitstand

Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine Schriftformheilungsklausel grundsätzlich unwirksam ist. So hat insbesondere das Oberlandesgericht Rostock (Urteil vom 10. Juli 2008, Az. 3 U 108/07) die Auffassung vertreten, sie würden gegen zwingendes Recht verstoßen. Das gesetzlich vorgeschriebene Schriftformerfordernis könne nämlich mit einer vertraglichen Regelung nicht generell außer Kraft gesetzt werden.

Meist werden Schriftformheilungsklauseln jedoch als wirksam angesehen, auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das Argument: Die Bestimmung sei weder überraschend, noch sei erkennbar, worin eine unangemessene Benachteiligung liegen solle. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 11. Mai 2004, Az. 24 U 24603) wird mit einer solchen Klausel lediglich die Verpflichtung geregelt, auf Verlangen der anderen Vertragspartei das Schriftformerfordernis einzuhalten. Hierdurch werde der Grundsatz, dass die Vertragsparteien sich an geschlossene Verträge zu halten haben („pacta sunt servanda“), lediglich verstärkt.

In der Rechtsprechung und in der Literatur wurde bisher ebenfalls nicht einheitlich beantwortet, ob eine Klausel nur die ursprünglichen Vertragsparteien hindern kann, den Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen oder ob ihr auch gegenüber dem Erwerber des Grundstücks Rechtswirkung zukommt.

Keine Bindung des Grundstückserwerbers an eine Schriftformheilungsklausel

Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Frage nun mit Urteilen vom 22. Januar 2014, Az. XII ZR 68/10, und 30. April 2014, Az. XII ZR 146/12, entschieden, dass sich ein Kündigungsrecht des Grundstückserwerbers nicht mit einer Schriftformheilungsklausel ausschließen lässt. Mit dem gesetzlichen Schriftformerfordernis aus § 550 BGB solle erreicht werden, dass der Erwerber die Bedingungen, zu denen er in ein Mietverhältnis eintritt, im Grundsatz aus der Mietvertragsurkunde ersehen kann.

Ist dies infolge formunwirksamer, beispielsweise bloß mündlicher Abreden nicht der Fall, so kann er sich vorzeitig durch ordentliche Kündigung vom Mietvertrag lösen. Diese Möglichkeit darf ihm nicht genommen und darf durch eine Schriftformheilungsklausel nicht umgangen werden. Die Berufung des Erwerbers auf einen Schriftformmangel kann somit – von besonderen Ausnahmefällen abgesehen – trotz Heilungsklausel nicht treuwidrig sein.

Vertragsgestaltung und Due Diligence

Im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Änderung von langfristigen Gewerberaummietverhältnissen sollte stets größte Sorgfalt auf die Einhaltung der gesetzlich notwendigen Schriftform aufgewandt werden. § 550 BGB verlangt, dass die vertragswesentlichen Vereinbarungen zum Mietgegenstand, der Miethöhe usw. vollständig und eindeutig schriftlich niedergelegt werden. Dies gilt auch für Vereinbarungen, aus denen sich einseitige Vertragsänderungsbefugnisse für eine Partei ergeben können.

Die Praxis zeigt jedoch, dass häufig gerade bei sehr lange bestehenden Mietverhältnissen sowie Eigentümer- und Verwalterwechseln die notwendige Formenstrenge aus dem Blick gerät.

Aus Sicht des Vermieters

Jeder Erwerber eines Grundstücks sollte daher mit Blick auf seine Stellung als „Neu-Vermieter“ im Rahmen der Ankaufsprüfung darauf achten, dass der betreffende Mietvertrag eine solche Schriftformheilungsklausel enthält, die ihn ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausschließt. Es steht ihm dann nämlich offen, unter Berufung auf die Wirksamkeit der Heilungsverpflichtung vom Mieter den Abschluss eines Mietvertragsnachtrages zu verlangen, der Formmängel durch mündliche Abreden beseitigt.

Auch ist es dann möglich, sich mit einer Kündigung unter Berufung auf einen festgestellten Schriftformmangel vom Vertrag zu lösen, ohne zuvor einer Verpflichtung nachkommen zu müssen, selbst auf eine Heilung des Formmangels hinzuwirken. Letzteres wird dann zu empfehlen sein, wenn der Mieter beispielsweise die Existenz einer mündlichen Abrede mit dem „Vor-Vermieter“ beweisen kann, die sich für den Erwerber nachteilig auswirkt, wie etwa eine dauerhafte Mietreduzierung.

Aus Sicht des Mieters

Ein Mieter, der an einer langfristigen Bindung und Laufzeit des Vertrages interessiert ist, sollte sich bereits vor Abschluss des Mietvertrages über einen eventuell anstehenden Eigentümerwechsel erkundigen. Bei Anzeichen für einen Verkauf der Immobilie ist dem Mieter dringend zu empfehlen, von sich aus alles zu unternehmen, um zu einem schriftformgerechten Mietvertragsabschluss beizutragen und nachträgliche Schriftformverstöße zu vermeiden.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass das gesetzliche Schriftformerfordernis mit seiner Warn- und Beweisfunktion nicht allen denkbaren Risiken begegnen und der Schutz des § 550 BGB nicht umfassend sein kann.

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung langfristiger Mietverträge im gewerblichen Bereich sollte jeder derartige Mietvertrag zur Unterschrift sorgfältig mit allen Bestandteilen zu einer Urkunde gebunden sein und eine Schriftformheilungsklausel enthalten, welche die Erwerberthematik ausdrücklich anspricht.

Auch im Laufe eines Mietverhältnisses ist eine regelmäße Überprüfung der Formgerechtigkeit und nötigenfalls Anpassung der mietvertraglichen Regelungen empfehlenswert. Schriftformheilungsklauseln machen eine rechtliche Prüfung der Mietvertragssituation nicht überflüssig.

Für Erwerber besteht nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die komfortable Situation, einen festgestellten Schriftformmangel wenn gewünscht zum Ausgangspunkt der Kündigung eines langfristigen Mietvertrages nehmen zu können, ohne dass der Erwerber sich insofern vorwerfen lassen müsste, treuwidrig zu handeln.

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