Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD markiert einen grundlegenden Neubeginn in der deutschen Infrastrukturpolitik. Angesichts eines erheblichen Investitionsstaus setzen die Koalitionspartner auf ein umfassendes Maßnahmenpaket, das sowohl finanzielle als auch strukturelle Reformen umfasst. Im Zentrum steht das Sondervermögen Infrastruktur, das mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro zentrale Zukunftsinvestitionen ermöglichen soll. Flankiert wird dieses Vorhaben durch tiefgreifende Reformen im Planungs-, Genehmigungs- und Vergaberecht, um Projekte schneller, effizienter und nachhaltiger umsetzen zu können.
Mit dem Sondervermögen Infrastruktur wird ein zentrales Finanzierungsinstrument bereitgestellt, um den über Jahre aufgelaufenen Investitionsstau in Deutschland substanziell abzubauen und gleichzeitig die Grundlage für künftiges wirtschaftliches Wachstum, Klimaneutralität und gesellschaftliche Resilienz zu legen. Im Koalitionsvertrag ist dieses Sondervermögen mit einem Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro fest verankert. Davon sind 100 Milliarden Euro für Investitionen der Länder und Kommunen vorgesehen, ein weiterer gleich hoher Betrag wird über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für strukturwirksame Maßnahmen bereitgestellt.
Doch die bloße Bereitstellung finanzieller Mittel reicht nicht aus. Die Koalitionspartner erkennen an, dass die schleppende Umsetzung von Infrastrukturvorhaben häufig an einem überkomplexen Planungs- und Genehmigungswesen scheitert. Deshalb setzen CDU/CSU und SPD auf eine tiefgreifende Reform aller planungsrelevanten Rechtsbereiche. Deutschland soll zu einem Land schnellerer Entscheidungen und effizienterer Umsetzung werden. Ziel ist ein einheitliches, flexibles Verfahrensrecht mit klaren Zuständigkeiten und deutlich verkürzten Abläufen.
Konkret sollen Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und Verwaltungsverfahrensrecht tiefgreifend überarbeitet werden. Auf europäischer Ebene soll eine Initiative zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung gestartet werden. National soll der bereits bestehende „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ fortgeführt werden. Die Ansatzpunkte der Koalitionspartner sind vielfältig:
Zu den zentralen Vorhaben zählt die Einführung eines „one-for-many“-Verfahrensrechts. Dabei sollen formalisierte Verfahren flexibilisiert und Verfahrensstufen reduziert werden. Doppelprüfungen sollen wegfallen, Erörterungstermine sollen fakultativ, Beteiligungsprozesse gebündelt und Umweltprüfungen nur einmalig durchgeführt werden. Ersatzneubauten sollen künftig keiner Planfeststellungspflicht mehr unterliegen. Die Plangenehmigung wird zum Regelfall erklärt. Die Einführung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns bei bedeutenden Projekten wird ausdrücklich ermöglicht, um wichtige Infrastrukturmaßnahmen nicht unnötig aufzuschieben. Durch ein Naturflächenbedarfsgesetz sollen die Ausweisung sowie die Vernetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (Biotopverbund) erleichtert werden. Im Arten- und Naturschutz soll bundeseinheitlich der Populationsansatz zur Anwendung kommen.
Gemeinsam mit den Ländern wollen die Koalitionspartner die Planungs- und Genehmigungsverfahren vollständig digitalisieren. Der Ausbau der Planungskapazitäten soll vorangetrieben werden.
Ein weiterer unverzichtbarer Baustein für schnelle und wirtschaftliche Infrastrukturprojekte ist ein darauf ausgerichtetes Vergaberecht. Die Koalition erkennt die bisherigen Vergabestrukturen als zu komplex und hemmend für eine schnelle Umsetzung an. Daher wird eine grundsätzliche Reform des Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und Verwaltungsverfahrensrechts angekündigt. Die Koalition wird sich dafür einsetzen, das Vergaberecht auf nationaler und europäischer Ebene für Lieferungen und Leistungen aller Art für Bund, Länder und Kommunen zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren. Dabei sollen die Interessen des Mittelstands gewahrt bleiben.
Als wichtige konkrete Maßnahme ist im Koalitionsvertrag festgehalten, dass die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten künftig entfallen soll. Damit werden nachprüfungsbedingte Projektstillstände verhindert.
Die erfolgreiche Umsetzung dieser ambitionierten Reform- und Investitionsstrategie hängt darüber hinaus aber auch maßgeblich davon ab, ob es gelingt, die erforderlichen organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen bei den mit der Umsetzung betrauten öffentlichen Bauherren zu schaffen. Es bedarf tauglicher Strukturen, klarer Verantwortlichkeiten und verlässlicher Projektsteuerung durch die öffentliche Hand.
Hierzu finden sich im Koalitionsvertrag keine konkreten Vorgaben. In der Verantwortung stehen neben dem Bund auch die Länder und Kommunen. Gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. hat KPMG Law in einem aktuellen Papier vom 4. April 2025 „Sondervermögen Infrastruktur – 7 Instrumente, um die Kommunen zu stärken“ Instrumente beschrieben, die es schon im heutigen Recht ermöglichen, Projektrealisierungen durch Kommunen zu beschleunigen. Hierzu gehören neben der Planungsbeschleunigung und schnelleren Vergabe auch die Aufstellung passender Projektorganisationsstrukturen, die frühzeitige Einbindung von Bauunternehmen in die Planung, die Bündelung von Leistungen durch Generalunternehmervergaben, die Nutzung von Partnerschaftsmodellen und Förderprogrammen.
Als weitere Hebel nennt das Papier den Einsatz externer Projektmanager, die Nutzung künstlicher Intelligenz zur Prozessoptimierung und die Flexibilisierung der Vergabe- und Beteiligungsprozesse.
Insbesondere auf der kommunalen Ebene – wo Investitionsbedarfe groß, personelle Ressourcen aber oft begrenzt sind – wird es darauf ankommen, gezielt Know-how aufzubauen, Verfahren zu vereinfachen und administrative Hürden abzubauen. Nur so lässt sich die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden sicherstellen und gewährleisten, dass die Mittel des Sondervermögens nicht nur verplant, sondern tatsächlich wirksam verausgabt werden.
Zusammengefasst schafft der Koalitionsvertrag den politischen und rechtlichen Rahmen für eine infrastrukturelle Erneuerung auf breiter Front. Das Sondervermögen Infrastruktur ist dabei das zentrale finanzielle Instrument. Daneben treten Planungsbeschleunigung und Reformen des Vergaberechts. Entscheidend wird die konsequente Umsetzung in der Praxis durch den Bund, die Länder und Kommunen. Erfolgreiche Infrastrukturprojekte erfordern, dass beide Ebenen – die politische Steuerung und die praktische Umsetzung – zielgerichtet miteinander verzahnt werden. Nur dann kann das Sondervermögen sein Potenzial entfalten: als Hebel für zukunftsfähige, resiliente und klimaneutrale Infrastrukturen in ganz Deutschland.
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