Suche
Contact
Symbolbild zu Sozialversicherungspflicht Lehrkräfte: Dozent im Hörsaal
06.05.2025 | KPMG Law Insights

Sozialversicherungspflicht von Lehrkräften – Übergangsregel schafft Klarheit

Lehrkräfte und Dozent:innen werden oft auf selbstständiger Basis engagiert. Diese Praxis lässt die Deutsche Rentenversicherung aufhorchen. Immer öfter überprüft sie den sozialversicherungsrechtlichen Status der Honorarkräfte und fordert die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen von den Auftraggebern, häufig Musik- und Volkshochschulen. Dabei bekommt sie von den Sozialgerichten immer wieder Recht.

Die Praxis nach dem „Herrenberg-Urteil“

Eine Weichenstellung in der sozialrechtlichen Rechtsprechung war das „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juni 2022 (B 12 R 3/20 R). Eine Musiklehrerin arbeitete auf Honorarbasis für eine Musikschule. Sie unterrichtete in festgelegten Räumen und war in die Organisationsabläufe der Musikschule eingebunden. Das BSG sah in der Tätigkeit trotz der vertraglichen Vereinbarung der Selbstständigkeit ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Wesentliche Merkmale eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses waren aus Sicht des BSG: die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung, festgelegte Unterrichtszeiten und -räume, das Fehlen unternehmerischer Gestaltungsmöglichkeiten und die Verpflichtung zur Teilnahme an schulischen Veranstaltungen.

Für Unternehmen in der Bildungsbranche ergab sich aus diesem Urteil bisher vor allem eins: Lehrkräfte werden in der Regel bereits als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und nicht als Selbstständige angesehen, wenn sie in die Arbeitsorganisation integriert sind und den Weisungen des Unternehmens folgen. Das bedeutet, dass Unternehmen für ihre Honorarkräfte Sozialversicherungsbeiträge abführen müssen, was erhebliche finanzielle Belastungen für sie bedeuten kann.

Als Reaktion auf das „Herrenberg-Urteil“ berieten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung am 4. Mai 2023 über die versicherungsrechtliche Beurteilung von Lehrkräften und Dozenten und legten präzisierte Beurteilungsmaßstäbe fest. Die Rechtsunsicherheit blieb jedoch bestehen. Träger von Bildungseinrichtungen mussten seitdem weiterhin mit Nachforderungen der Sozialversicherungsträger wegen Scheinselbständigkeit rechnen; ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko.

Übergangsregelung in „letzter Minute“

Rechtliche Klarheit soll nunmehr – jedenfalls vorerst – eine Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten in § 127 SGB IV bringen, die im Rahmen einer der letzten Gesetzesänderungen des letzten Bundestags verabschiedet wurde und seit dem 1. März 2025 in Kraft ist.

Wesentlicher Inhalt dieser Übergangsregelung ist: Selbst bei einer abweichenden Statusfeststellung durch einen Versicherungsträger tritt bis zum 31. Dezember 2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht ein, sofern die Vertragsparteien bei Vertragsschluss

  1. übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind und
  2. die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, dem zustimmt.

Die Parteien haben also bis Ende 2026 Zeit, das Beschäftigungsverhältnis umzustellen. Auch wenn noch keine Statusfeststellungsentscheidung ergangen ist, sind die Parteien bis zu dem Stichtag geschützt.

Bildungseinrichtungen bekommen Zeit für Anpassungen

Die Übergangsregelung des § 127 SGB IV ist zu begrüßen, weil die Schulen nun bis zum 31. Dezember 2026 Planungssicherheit haben und vor Nachzahlungsforderungen der Sozialversicherungsträger geschützt sind. Ziel des Gesetzgebers war es, Bildungseinrichtungen und Lehrkräften ausreichend Zeit geben, die notwendigen Anpassungen ihrer Organisations- und Geschäftsmodelle vorzunehmen, sodass Lehrtätigkeiten auch unter den veränderten Rahmenbedingungen weiterhin sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch selbständig ausgeübt werden können.

Die Übergangsregelung ist noch auslegungsbedürftig

So knapp die Regelungen des § 127 SGB IV auch sind, sind sie dennoch auslegungsbedürftig. Dem Wortlaut ist beispielsweise nicht zu entnehmen, wem gegenüber die Lehrkraft die Zustimmung erklären muss. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien ist Adressat der Erklärung entweder der Versicherungsträger (wenn ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt wurde) oder die Bildungseinrichtung (wenn kein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt wurde). Unklar ist auch, was Gegenstand der Zustimmung sein muss – die Übereinstimmung von Vertragssituation und gelebtem Vertragsverhältnis oder der Verzicht auf die Sozialversicherungspflicht. Eine klare Festlegung bleibt der Gesetzgeber an dieser Stelle schuldig.

Bildungseinrichtungen sollten die Voraussetzungen des § 127 SGB IV überprüfen

Bildungseinrichtungen und Schulen ist daher dringend anzuraten, die Übergangsfrist zu nutzen, um bestehende Vertragsverhältnisse zu überprüfen und sich für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2027 rechtssicher aufzustellen. Insbesondere sollten sie auch die Voraussetzungen des § 127 SGB IV überprüfen. Sie sollten sicher sein, dass es sich um eine Lehrtätigkeit handelt und dass die Lehrkraft weiterhin zugestimmt hat, dass keine Sozialversicherungseiträge abgeführt werden. Die Versicherungsträger werden voraussichtlich ein besonderes Augenmerk auf die Überprüfung dieser Fälle legen. Es empfiehlt sich daher zur Nachweisbarkeit, schriftlich die Zustimmung der Honorar-Lehrkräfte zu dokumentieren. Gleichzeitig sollten sie Einzelumstände des konkreten Falls prüfen und die Rechtsprechung zur Statusbeurteilung im Auge behalten, da mit Klarstellungen des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung zu rechnen ist. Dies gilt gerade deshalb, weil sich die Koalitionsparteien auch im aktuellen Koalitionsvertrag dazu verpflichtet haben, sich in der neuen Legislaturperiode dem Statusfeststellungsverfahren zu widmen und dieses unter anderem durch eine Genehmigungsfiktion schneller, rechtssicherer und transparenter zu machen.

 

Explore #more

12.11.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im In-house Counsel: Mehr Stabilität unter dem Dach der Corporate Governance

Über „Corporate Governance“ wird angesichts multipler Krisen und Regulierungstendenzen der Gesetzgeber viel gesprochen. Was ist das eigentlich – eine „gute“ Corporate Governance? Wie lässt sich…

07.11.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG beraten Diehl Defence beim Kauf der Tauber Unternehmensgruppe

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die Diehl Defence beim Erwerb der Tauber Unternehmensgruppe beraten. KPMG Law…

07.11.2025 | KPMG Law Insights

Änderungen beim H-1B-Visum und die Folgen für USA-Einsätze

Die Regierung von Präsident Trump hat zwei wesentliche Änderungen an dem sehr beliebten H-1B-Visaprogramm für Fachkräfte eingeführt: Die bisherige – zufallsgetriebene – Lotterie wird durch…

07.11.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement auf HAUFE: Wirrwarr um die EU-Entwaldungsverordnung – und was Unternehmen jetzt tun sollten

Eventuell, vielleicht, unter bestimmten Umständen wird die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) nicht wie längst beschlossen am 30. Dezember 2025 für große und mittlere Unternehmen und am 30.…

06.11.2025 | KPMG Law Insights

Fremdpersonal: Behörden verschärfen Prüfung mit KI-Unterstützung

KI ist für viele Unternehmen ein Segen, sie kann aber auch schnell zum Fluch werden, gerade dann, wenn Behörden die Technik nutzen, um Rechtsverstöße von…

06.11.2025 | KPMG Law Insights

Entwaldungsverordnung – Vereinfachung statt Verschiebung?

Im September wollte die EU-Kommission die Entwaldungsverordnung EUDR noch verschieben. Am 21. Oktober 2025 hat sie einen umfassenden Vorschlag für eine Vereinfachung der EUDR veröffentlicht.…

05.11.2025 | KPMG Law Insights

Employer of Record nun doch nicht erlaubnispflichtig – Sinneswandel bei der BA

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat am 1. Oktober 2025 ihre fachlichen Weisungen aktualisiert und im Hinblick auf das sogenannte Employer-of-Record-Modell eine Kehrtwende vollzogen: Die…

03.11.2025 | KPMG Law Insights

CO₂-Differenzverträge: Teilnahme am Vorverfahren ist Voraussetzung für Förderung

Bis zum 1. Dezember 2025 können sich Unternehmen im Vorverfahren für das Programm Klimaschutzverträge um Fördermittel bemühen. Die Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie…

29.10.2025 | KPMG Law Insights

Fondsrisikobegrenzungsgesetz und Standortfördergesetz schaffen neue Spielräume für Infrastrukturfonds

Da das Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes in Höhe von 500 Milliarden Euro voraussichtlich nicht ausreichen wird, um Deutschlands Straßen, Netze und die Energiewende zu finanzieren, setzt…

29.10.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG beim Verkauf an Vienna Insurance Group

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft (KPMG Law) hat den Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG während des gesamten öffentlichen Übernahmeprozesses durch die Vienna Insurance Group (VIG) durchgehend rechtlich…

Kontakt

Dr. Sebastian Ulbrich, LL.M.

Senior Manager

THE SQUAIRE Am Flughafen
60549 Frankfurt am Main

Tel.: 069 - 951195 185
sulbrich@kpmg-law.com

Friederike Begemann

Senior Associate

Münzgasse 2
04107 Leipzig

Tel.: +49 341 22572 581
fbegemann@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll