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06.11.2019 | KPMG Law Insights

Neuregelung der Grunderwerbsteuer bei Share Deals aus steuerstrafrechtlicher Sicht

Neuregelung der Grunderwerbsteuer bei Share Deals aus steuerstrafrechtlicher Sicht

Die geplante Neuregelung zu Share-Deals ist äußerst komplex und führt im Ergebnis zu einer Verschärfung der Besteuerung. Damit nicht genug: Auch aus steuerstrafrechtlicher Sicht ergeben sich neue Herausforderungen. Diese sind nicht nur auf die gesetzliche Neuregelegung, sondern auch auf verstärkte Ermittlungshandlungen der Finanzverwaltung zurückzuführen.

I. Task-Force Grunderwerbsteuer bei der Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen
Bereits seit Ende 2017 führen die Steuerfahndungsstellen in Nordrhein-Westfalen bundesweit systematische Vorfeldermittlungen zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Grunderwerbsteuerfälle durch. Hierzu wurde zunächst beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Hagen eine Task-Force gegründet, die anhand von öffentlich zugänglichen Daten M&A- Transaktionen und Reorganisationen der letzten Jahre dahingehend auswertet, ob Grunderwerbsteuer durch Anteilsübertragungen oder Anteilsvereinigungen ausgelöst wurde, weil mindestens 95% der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar übertragen oder vereinigt werden. Im Zuge dessen wurden und werden Unternehmen im Rahmen von (steuerlichen) Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) um Auskunft zu identifizierten Transaktionen aufgefordert.
Sofern sich dabei herausstellt, dass für solche Transaktionen keine Grunderwerbsteuer angemeldet und abgeführt wurde, erfolgt neben dem Besteuerungsverfahren regelmäßig die Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder Bußgeldverfahren nach §§ 30, 130 OWiG. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Steuerfahndung dabei sehr hohe Anforderungen an die grunderwerbsteuerlichen Compliance-Prozesse stellt.
Die Geschäftsführer der (oft ausländischen) Erwerbergesellschaften sehen sich in solchen Fällen dem Vorwurf ausgesetzt, die Grunderwerbsteueranzeigen vorsätzlich nicht bzw. nicht rechtzeitig erstattet zu haben. Neben dem erheblichen persönlichen Strafbarkeitsrisiko für Leitungsorgane erfolgt regelmäßig jedenfalls die Festsetzung erheblicher Bußgelder nebst Ab-schöpfung des wirtschaftlichen Vorteils – wobei die Finanzverwaltung dabei regelmäßig eine pauschale Verzinsung der Steuerforderung mit 0,5% im Monat annimmt.
Zwischenzeitlich wurde aufgrund der Vielzahl der Fälle zusätzlich das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Essen mit der Ermittlung solcher Fälle betraut.
Es ist daher mit einer weiteren Zunahme von Anfragen – und damit ggf. auch Ermittlungs- und Bußgeldverfahren zu rechnen.

II. Geplante Neuregelung der Grunderwerbsteuer auf Share-Deals
Werden im Rahmen von Share-Deal-Transaktionen Anteile an Kapitalgesellschaften mit deutschem Grundbesitz übertragen, löst dies in aller Regel Grunderwerbsteuer auf Ebene der am Share-Deal beteiligten Akteure aus (§ 1 Absatz 3 GrEStG). Zur Vermeidung dieser Grunderwerbsteuer werden akquisitionsseitig bisweilen sogenannte RETT-Blocker-Strukturen eingesetzt. Ver-einfacht ausgedrückt erwirbt der Käufer in diesen Fällen nur etwas weniger als 95% der Anteile (z.B. 94%) während ein unabhängiger Co-Investor die übrigen 6% als RETT-Blocker erwirbt. Diese Vorgehensweise sorgt in der Politik bereits seit Jahren für eine Diskussion zur Neuregelung der Grunderwerbsteuer bei Share-Deals. Zum 1. Januar 2020 sollen diese Forderungen nun Gesetz werden.

III. Ausgewählte wesentliche Aspekte der Neuregelung
Die relevante Beteiligungsschwelle wird von 95% auf 90% gesenkt. Der Erwerber von Anteilen an einer immobilienbesitzenden Kapitalgesellschaft muss künftig also weniger als 90% der Anteile erwerben (z. B. 89%), damit keine Grunderwerb-steuer (auf 100% des Grundbesitz-wertes) ausgelöst wird. Nach derzeitiger Rechtslage konnte ein Co-Investor die übrigen Anteile erwerben, ohne dass Grunderwerb-steuer anfällt. Dieser Gestaltung wird jedoch mit dem geplanten § 1 Absatz 2b GrEStG ein Riegel vorgeschoben. Diese Spezialregelung für grundbesitz-haltende Kapitalgesellschaften ist dem bereits seit 1997 existierenden und nur für Personengesellschaften geltenden § 1 Absatz 2a GrEStG nachgebildet. § 1 Absatz 2b GrEStG fingiert eine Grundstücksübereignung auf eine „neue“ Kapitalgesellschaft, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90% der Gesellschaftsanteile an neue Anteilseigner übertragen werden.
§ 1 Absatz 2b GrEStG erfasst daher künftig sowohl die zuvor dargestellte Anteilsveräußerung an zwei Investoren (z. B. 89% und 11%) als auch den „gewöhnlichen“ Share-Deal, bei dem 100% der Anteile an einer Gesellschaft an einen neuen Erwerber übertragen werden. Bisher löste ein solcher Share-Deal Grunderwerb-steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG aus.
Zudem ergibt sich eine Vielzahl hochkomplexer Fragestellungen zu den geplanten Übergangsregelungen.
Vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risiken ist nicht davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung ihre hohen Anforderungen an die Grunderwerbsteuer-Compliance reduziert, nur weil sich die Komplexität des materiellen Grunderwerbsteuerrechts weiter erhöht. Die Finanzverwaltung dürfte weiterhin davon ausgehen, dass Unternehmenstransaktionen nur unter Beachtung aller geltenden Rechtsvorschriften durch-zuführen sind und die dazu notwendige Expertise im In- und Ausland vorzuhalten ist. Insofern ist auch von Bedeutung, dass sich künftig der Steuerschuld-ner und somit auch der Anzeige-pflichtige im Sinne der §§ 19, 20 GrEStG bei Share-Deals ändern wird. Bisher fiel die Steuer immer auf Ebene der am Share-Deal beteiligten Vertragspartner an (in der Regel beim Erwerber der Anteile), sodass die Geschäftsführung der Erwerbergesellschaft anzeigepflichtig war. Im Fall des § 1 Absatz 2b GrEStG fällt die Grunderwerbsteuer aber auf Ebene der grundbesitzenden Gesellschaft (Target) an, sodass künftig die Geschäftsführung des Targets die grunderwerbsteuerliche Anzeige erstatten muss.

IV. Handlungsempfehlung
Aufgrund der Änderung des Steuerschuldners im Zusammenhang mit einem Share-Deal rücken in Zukunft vermehrt inländische gesetzliche Vertreter in den Fokus der Steuerfahndung.
Bei Unternehmenstransaktionen sollte im Rahmen einer Buyer-Due-Diligence sichergestellt werden, dass erforderliche Grunderwerbsteueranzeigen in der Vergangenheit vorgenommen wurden, da ansonsten ggf. erhebliche finanzielle (und mögliche bußgeldrechtliche) Risiken drohen. Bei Transaktionen und Umstrukturierungen unter Beteiligung von Tochter- oder Enkelge-sellschaften mit inländischem Grundbesitz sollte rechtzeitig grunderwerbsteuerliche Expertise hinzugezogen werden.
Wenn ein Unternehmen feststellt, dass die Frist für die grunderwerbsteuerliche Anzeige bereits verstrichen ist, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Pflicht zur Abgabe. Gleichzeitig sollte in diesen Fällen sorgfältig geprüft werden, ob die grunderwerbsteuerliche Anzeige zugleich als straf- oder bußgeldbefreiende Selbstanzeige ausgestaltet werden kann bzw. sollte.
Wenn die Finanzverwaltung auf den Fall aufmerksam geworden ist, bevor eine Anzeige fristgerecht erstattet wurde, sollte die weitere Korrespondenz mit den Behörden besonders sorgfältig geführt werden. Im Falle einer (steuerlichen) Anfrage durch die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO besteht grundsätzlich noch die Möglichkeit, die (verspätete) Anzeige nach § 19 GrEStG derart abzugeben, dass diese auch die Voraussetzungen einer straf- und bußgeldbefreienden Selbstanzeige erfüllt.
Wir stehen Ihnen sowohl in der prä-ventiven Beratung mit Blick auf eine sicherheitshalber platzierte Selbst-anzeige als auch im Rahmen der Verteidigung in bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahren gemeinsam mit unseren Steuerexperten der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Verfügung.

Bitte sprechen Sie uns bei Fragen zu diesen Themen gerne an.

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