CO₂-Kompensation ist nicht gleichzusetzen mit den Begriffen „klimaneutral“ oder „umweltneutral“. Eine Klage der Deutschen Umwelthilfe führte zu einem Verbot der Verwendung der Labels „klimaneutral“ und „umweltneutral“.
Das Landgericht (LG) Karlsruhe (Az. 13 O 46/22 KfH) hat entschieden, dass eine Drogeriemarktkette Produkte ihrer Eigenmarke künftig nicht mehr mit Labels wie „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ bewerben darf. Es würden Erwartungen geweckt, die die betroffenen Produkte nicht erfüllten, begründete das Gericht sein Urteil in einem Musterprozess der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Neben dem Unterlassungsvorwurf stand auch eine aktive Irreführung gemäß § 5 Abs.1,2 UWG im Raum. Gestützt hat das Gericht seine Entscheidung auf die Begründung, dass das Versprechen eines klimaneutralen Produkts nicht eingelöst wurde. Ein spezialisierter Dienstleister hatte die Produkte als klimaneutral zertifiziert, weil Zahlungen an Baumschutzprojekte getätigt worden waren. Das wurde der Drogeriemarktkette zum Verhängnis. Sie hatte beabsichtigt, die Treibhausgase, die bei der Produktion der betroffenen Produkte entstehen, zu kompensieren, indem sie für Klimaschutz unterstützende Projekte wie etwa zum Waldschutz finanzielle Hilfen beisteuerte. Projekte der Art seien zwar essenzielle Instrumente für den Klimaschutz, aber: „Der Claim der Klimaneutralität des Produkts geht […] prinzipiell über das hinaus, was mittels CO₂-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist“, urteilte das Landgericht.
Der Abbau von Treibhausgasen dauert laut Umweltbundesamt mehrere hunderttausend Jahre. Das konkrete Waldschutzprojekt sei lediglich bis 2040 geplant. Nach Ansicht des Landgerichts werden Verbraucherinnern und Verbraucher, die „normal informiert, angemessen, aufmerksam und am Umweltschutz interessiert sind“, durch das Label „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ getäuscht. Die Labels suggerierten nicht bloß eine Verzögerung der Klimabelastung, sondern einen finalen, dauerhaften Ausgleich. Darüber hinaus fehle es bei dem Label an einem Hinweis auf eine Internetseite, die dem Durchschnittsverbraucher Klarheit verschafft hätte.
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Dieser nahm jedoch einen anderen Ausgang. In Düsseldorf stritten ein Fruchtgummihersteller und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs darüber, ob Verbraucherinnen und Verbraucher aus der Behauptung „klimaneutral“ schließen würden, dass bei der Produktionsherstellung im Saldo kein CO₂ emittiert wird. Den OLG-Richtern zufolge kann der Durchschnittsverbraucher den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO₂- Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden kann.
Dem Fall des Fruchtgummiherstellers lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Die geschaltete Werbeanzeige enthielt nämlich einen Hinweis auf die Internetseite des zertifizierenden Unternehmens. Dem Zeitungsleser beziehungsweise. der Zeitungsleserin sei zuzumuten, für nähere Informationen eine ohne weiteres abrufbare Website aufzusuchen, so die OLG-Richter. Zudem hatte das OLG Düsseldorf nicht zu entscheiden, ob tatsächlich ausreichende Kompensationsleistungen des Fruchtgummiherstellers erbracht wurden und es somit zu einer Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher kam, da die Wettbewerbszentrale einen substantiierten Vortrag schuldig geblieben war. Das führte letztlich dazu, dass das OLG Düsseldorf den Einwand verwarf.
Die Entscheidung des LG Karlsruhe steht daher nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Es wurde weder im maßgeblichen Verbraucherkreis noch in der gängigen Rechtsprechung des § 5a UWG abgewichen.
Die Deutsche Umwelthilfe sieht in dem Urteil einen „Meilenstein für den Verbraucherschutz“. Der Gesetzgeber sei in der Pflicht, klare Vorgaben zur Vermeidung von Greenwashing zu machen. Über 20 weitere Unternehmen wurden von der DUH wegen der Verwendung des Etiketts „Klimaneutralität“ verklagt.
Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sollten Unternehmen ihre Umweltaussagen unter die Lupe nehmen. Denn es gibt weitere Gründe, die gegen „Green Claims“ sprechen:
Am 23.03.2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über umweltbezogene Aussagen („Green Claims“) vorgelegt. Die Richtlinie enthält weitreichende Pflichten für Unternehmen, die ihre Produkte unter umweltbezogenen Angaben bewerben. Es werden neue Mindeststandards bei Umweltaussagen über Produkte oder Dienstleistungen eingeführt. Ziel sei es, gemeinsame Kriterien gegen Greenwashing und irreführenden Umweltaussagen zu schaffen.
Das Haftungsrisiko von Unternehmen verschärft sich durch die Transformation des Wirtschaftslebens in Richtung Nachhaltigkeit immens. In Anbetracht der umfangreichen Pflichten ist bei der Bewerbung von ESG-bezogenen Bestrebungen durch Unternehmen Vorsicht geboten. Neben allgemeinen Schadensersatzansprüchen drohen bei Greenwashing zudem Verstöße gegen den unlautereren Wettbewerb. Unternehmen sollten die für sich einschlägigen ESG-Pflichten identifizieren und frühzeitig Maßnahmen und Prozesse etablieren, um Verstöße zu vermeiden und somit Haftungsrisiken aufgrund von Greenwashing von vornherein zu minimieren.
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