Suche
Contact
04.08.2023 | KPMG Law Insights

LG Karlsruhe: Waldschutz macht Produkte nicht klimaneutral

CO₂-Kompensation ist nicht gleichzusetzen mit den Begriffen „klimaneutral“ oder „umweltneutral“. Eine Klage der Deutschen Umwelthilfe führte zu einem Verbot der Verwendung der Labels „klimaneutral“ und „umweltneutral“.

Das Landgericht (LG) Karlsruhe (Az. 13 O 46/22 KfH) hat entschieden, dass eine Drogeriemarktkette Produkte ihrer Eigenmarke künftig nicht mehr mit Labels wie „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ bewerben darf. Es würden Erwartungen geweckt, die die betroffenen Produkte nicht erfüllten, begründete das Gericht sein Urteil in einem Musterprozess der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Landgericht Karlsruhe: Waldschutz führt nicht zu Klimaneutralität

Neben dem Unterlassungsvorwurf stand auch eine aktive Irreführung gemäß § 5 Abs.1,2 UWG im Raum. Gestützt hat das Gericht seine Entscheidung auf die Begründung, dass das Versprechen eines klimaneutralen Produkts nicht eingelöst wurde. Ein spezialisierter Dienstleister hatte die Produkte als klimaneutral zertifiziert, weil Zahlungen an Baumschutzprojekte getätigt worden waren. Das wurde der Drogeriemarktkette zum Verhängnis. Sie hatte beabsichtigt, die Treibhausgase, die bei der Produktion der betroffenen Produkte entstehen, zu kompensieren, indem sie für Klimaschutz unterstützende Projekte wie etwa zum Waldschutz finanzielle Hilfen beisteuerte. Projekte der Art seien zwar essenzielle Instrumente für den Klimaschutz, aber: „Der Claim der Klimaneutralität des Produkts geht […] prinzipiell über das hinaus, was mittels CO₂-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist“, urteilte das Landgericht.

CO₂ verweilt deutlich länger in der Atmosphäre als derartige Waldschutzprojekte andauern

Der Abbau von Treibhausgasen dauert laut Umweltbundesamt mehrere hunderttausend Jahre. Das konkrete Waldschutzprojekt sei lediglich bis 2040 geplant. Nach Ansicht des Landgerichts werden Verbraucherinnern und Verbraucher, die „normal informiert, angemessen, aufmerksam und am Umweltschutz interessiert sind“, durch das Label „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ getäuscht. Die Labels suggerierten nicht bloß eine Verzögerung der Klimabelastung, sondern einen finalen, dauerhaften Ausgleich. Darüber hinaus fehle es bei dem Label an einem Hinweis auf eine Internetseite, die dem Durchschnittsverbraucher Klarheit verschafft hätte.

Fruchtgummihersteller darf mit „Klimaneutralität“ werben

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Dieser nahm jedoch einen anderen Ausgang. In Düsseldorf stritten ein Fruchtgummihersteller und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs darüber, ob Verbraucherinnen und Verbraucher aus der Behauptung „klimaneutral“ schließen würden, dass bei der Produktionsherstellung im Saldo kein CO₂ emittiert wird. Den OLG-Richtern zufolge kann der Durchschnittsverbraucher den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO₂- Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden kann.

Widerspruch der Gerichte?

Dem Fall des Fruchtgummiherstellers lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Die geschaltete Werbeanzeige enthielt nämlich einen Hinweis auf die Internetseite des zertifizierenden Unternehmens. Dem Zeitungsleser beziehungsweise. der Zeitungsleserin sei zuzumuten, für nähere Informationen eine ohne weiteres abrufbare Website aufzusuchen, so die OLG-Richter. Zudem hatte das OLG Düsseldorf nicht zu entscheiden, ob tatsächlich ausreichende Kompensationsleistungen des Fruchtgummiherstellers erbracht wurden und es somit zu einer Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher kam, da die Wettbewerbszentrale einen substantiierten Vortrag schuldig geblieben war. Das führte letztlich dazu, dass das OLG Düsseldorf den Einwand verwarf.

Die Entscheidung des LG Karlsruhe steht daher nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Es wurde weder im maßgeblichen Verbraucherkreis noch in der gängigen Rechtsprechung des § 5a UWG abgewichen.

Ausblick und Haftungsvermeidung in der Praxis

Die Deutsche Umwelthilfe sieht in dem Urteil einen „Meilenstein für den Verbraucherschutz“. Der Gesetzgeber sei in der Pflicht, klare Vorgaben zur Vermeidung von Greenwashing zu machen. Über 20 weitere Unternehmen wurden von der DUH wegen der Verwendung des Etiketts „Klimaneutralität“ verklagt.

Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sollten Unternehmen ihre Umweltaussagen unter die Lupe nehmen. Denn es gibt weitere Gründe, die gegen „Green Claims“ sprechen:

Am 23.03.2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über umweltbezogene Aussagen („Green Claims“) vorgelegt. Die Richtlinie enthält weitreichende Pflichten für Unternehmen, die ihre Produkte unter umweltbezogenen Angaben bewerben. Es werden neue Mindeststandards bei Umweltaussagen über Produkte oder Dienstleistungen eingeführt. Ziel sei es, gemeinsame Kriterien gegen Greenwashing und irreführenden Umweltaussagen zu schaffen.

Das Haftungsrisiko von Unternehmen verschärft sich durch die Transformation des Wirtschaftslebens in Richtung Nachhaltigkeit immens. In Anbetracht der umfangreichen Pflichten ist bei der Bewerbung von ESG-bezogenen Bestrebungen durch Unternehmen Vorsicht geboten. Neben allgemeinen Schadensersatzansprüchen drohen bei Greenwashing zudem Verstöße gegen den unlautereren Wettbewerb. Unternehmen sollten die für sich einschlägigen ESG-Pflichten identifizieren und frühzeitig Maßnahmen und Prozesse etablieren, um Verstöße zu vermeiden und somit Haftungsrisiken aufgrund von Greenwashing von vornherein zu minimieren.

 

Explore #more

11.10.2024 |

Entwaldungsverordnung: Die häufigsten Irrtümer von Unternehmen

Schon der Name der Verordnung ist irreführend. „Entwaldungsverordnung“ klingt eher nach einem Regelwerk für die Land- oder Forstwirtschaft. Das ist sie aber nicht,…

11.10.2024 | In den Medien

Gastbeitrag im Asset Management Guide 2024: Das Fondsmarktstärkungsgesetz – Flexibilisierung und Debt Fund reloaded

Am 5. August 2024 veröffentlichte das Bundesministerium für Finanzen den Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung des deutschen Fondmarktes und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/927…

07.10.2024 | KPMG Law Insights

Kommunale Wärmeplanung – so gelingt die Umsetzung Schritt für Schritt

Städte und Gemeinden stehen derzeit vor der großen Herausforderung, die Vorgaben der kommunalen Wärmeplanung innerhalb der ambitionierten Fristen umzusetzen. Das Gesetz für die Wärmeplanung und…

04.10.2024 | In den Medien

Gastbeitrag in Der Bauunternehmer zum Thema: Wettbewerb bringt Klimaschutz besser voran als starre Vorgaben“

Regulierung ist einer der maßgeblichen Kostentreiber im Bau. Statt durch starre Vorgaben lassen sich Nachhaltigkeitsziele und Klimaschutz aber besser durch die systematische Nutzung von Daten…

04.10.2024 | Dealmeldungen

KPMG Law begleitet die HWP Handwerkspartner Gruppe beim Erwerb von Manfred Teckenburg Elektroanlagen

KPMG Law hat für die HWP Handwerkspartner Gruppe beim Erwerb von Teckenburg Elektroanlagen eine umfassende Legal Due-Diligence durchgeführt und die Kaufvertragsverhandlungen begleitet. Hierbei arbeitete KPMG…

04.10.2024 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG beraten die Forterro-Gruppe beim Erwerb der alltrotec

KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die Forterro-Gruppe bei der Due Diligence, Strukturierung und Umsetzung im Rahmen des Erwerbs…

04.10.2024 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG beraten HWP Handwerkspartner Gruppe beim Erwerb der Elektro Fastabend-Gruppe

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben gemeinsam die HWP Handwerkspartner Gruppe (HWP) beim Erwerb der Fastabend Elektro-Gebäudetechnik…

02.10.2024 | Dealmeldungen

KPMG Law begleitet die HWP Handwerkspartner Gruppe beim Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der Unternehmensgruppe Schalm

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat die HWP Handwerkspartner Gruppe  beim Erwerb der Schalm Gruppe beraten. KPMG Law hat dabei eine umfassende Legal…

02.10.2024 | KPMG Law Insights

Bürokratieentlastungsgesetz: Textform statt Schriftform für Gewerbemietverträge

Am 26. September 2024 hat der Bundestag das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen. Eine der zahlreichen Änderungen betrifft das gesetzliche Schriftformgebot für langfristige Mietverhältnisse: Bisher galt für…

01.10.2024 | Pressemitteilungen

KPMG Law erneut unter den TOP 5 beim Kanzleimonitor 2024

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) belegt einen hervorragenden fünften Platz in der Gesamtauswertung der TOP-100-Kanzleien im aktuellen Kanzleimonitor des diruj. KPMG Law dominiert…

Kontakt

Isabelle Knoche

Senior Manager

THE SQUAIRE Am Flughafen
60549 Frankfurt am Main

tel: 069 951195200
iknoche@kpmg-law.com

© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll