Suche
Contact
02.09.2016 | KPMG Law Insights

Immobilienrecht im Lichte des neuen Widerrufsrechts

Immobilienrecht im Lichte des neuen Widerrufsrechts

Am 13. Juni 2014 ist das „Gesetz zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie“ (Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011) in Kraft getreten. Hierdurch wurden das Fernabsatzrecht und das Recht der Haustürgeschäfte umfassend neu geregelt. Mit dem neuen Widerrufsrecht sind Rechtsfolgen und Risiken verbunden.

Die Ausgangslage

Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie am 13. Juni.2014 wurde diskutiert, ob dem Verbraucher auch im Falle eines Maklervertrages ein Widerrufsrecht zusteht, der unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist (Fernabsatzvertrag). Streit bestand darüber, ob es sich bei einem Maklervertrag um einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des § 312b BGB handelt. Nur dann stünde dem Verbraucher nach § 312d BGB a.F. ein Widerrufsrecht zu.

Das Bundesverfassungsgericht hielt die Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften über Fernabsatzverträge auf Maklerverträge im Urteil vom 17. Juni 2013 (1 BvR 2246/11) noch für klärungsbedürftig.

Veränderungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie

Nun hat das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie Klärung herbeigeführt. Es erweitert den Anwendungsbereich für das Widerrufsrecht erheblich. Gemäß den §§ 312, 312b BGB n.F. besteht ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nunmehr bei sämtlichen Verbraucherverträgen, die „eine entgeltliche Leistung“ eines Unternehmers zum Gegenstand haben und die außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers oder unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln unter Nutzung eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurden.

Nur in der Gesetzesbegründung wird erneut darauf abgestellt, dass die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer Dienstleistung Gegenstand des Verbrauchervertrages sein müssen. Es spricht aber einiges dafür, dass der Begriff der „Dienstleistung“ nach der europarechtlichen Definition weit zu fassen ist und nahezu alle Verträge betrifft, die keine Lieferung von Waren zum Gegenstand haben.

Ausnahmen bei Grundstücksverträgen und Verträgen über Umbaumaßnahmen

Gemäß § 312 Abs. 2 BGB sind beispielsweise Verträge über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Eigentum oder anderen Rechten an Grundstücken sowie über den Bau von neuen Gebäuden oder erhebliche Umbaumaßnahmen teilweise vom Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB ausgenommen. Danach ist nur § 312a Abs. 1, 3, 4 und 6 BGB, der diverse In-formationspflichten betrifft, anwendbar. Ein Widerrufsrecht besteht bei solchen Verträgen nicht.

Wohnraummietverträge

  • 312 Abs. 4 BGB nimmt Verträge über die Vermietung von Wohnraum weitgehend von den Vorschriften der §§ 312 ff. BGB aus. Bei solchen Verträgen besteht hingegen neben zahlreichen Informationspflichten ein Widerrufsrecht, es sei denn, der Mieter hat die Wohnung vor Abschluss des Mietvertrages besichtigt. Dies dürfte der Regelfall sein.

Widerruffrist und Widerrufserklärung

Die Widerrufsfrist beträgt für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge 14 Tage ab Vertragsabschluss. Voraussetzung für den Beginn der Frist ist jedoch, dass der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie das Muster-Widerrufsformular informiert hat. Andernfalls verlängert sich die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts auf bis zu ein Jahr und 14 Tage seit dem Vertragsabschluss.

Der Unternehmer kann seine Belehrungsflicht dadurch erfüllen, dass er dem Verbraucher das in Anlage 1 zu Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGBEG vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß ausgefüllt in Textform übermittelt. Das Formular ist auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (www.bmjv.de) abrufbar.

Auch für die Widerrufserklärung wurde ein EU-weit einheitliches Musterformular entwickelt.

Erlöschen des Widerrufsrechts

Das Widerrufsrecht erlischt außer nach Fristablauf bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass er mit der Ausführung der Leistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, § 356 Abs. 4 BGB. Bislang war eine vollständige Erfüllung der Pflichten beider Parteien erforderlich, § 312d Abs. 3 BGB a.F.

In Bezug auf einen Maklervertrag stellt sich die Frage, wann genau der Makler seine „Dienstleistung“ vollständig erfüllt hat. Hier wird es maßgeblich darauf ankommen, ob der Unternehmer nach den getroffenen Vereinbarungen lediglich als Nachweismakler oder auch als Vermittlungsmakler tätig werden sollte.

Vergütung des Unternehmers bei Widerruf des Vertrages

Bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages durch den Unternehmer ist ein Widerruf des Vertrages innerhalb der Widerrufsfrist möglich. Widerruft der Verbraucher den geschlossenen Vertrag, steht dem Unternehmer kein Vergütungsanspruch zu.

Der Unternehmer hat jedoch Anspruch auf Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen, wenn der Verbraucher von ihm ausdrücklich verlangt hat, mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen und der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGBEG informiert hat. Bei einem außerhalb der Geschäftsräume geschlossenen Vertrag muss der Verbraucher zudem sein Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt haben.

Bei der Berechnung der Höhe des Wertersatzes ist der vereinbarte Gesamtpreis zugrunde zu legen. Nur dann, wenn dieser unverhältnismäßig hoch ist, kommt es auf den Marktwert der erbrachten Leistung an. Der Schutz des Verbrauchers wird nunmehr durch die Belehrungspflicht des Unternehmens gewährleistet.

Explore #more

15.12.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag im Tagesspiegel Background: Was der Digital-Omnibus heute für Unternehmen bedeutet

Die Debatte zum Digital-Omnibus ist gerade erst eröffnet. Unternehmen sollten im laufenden Verfahren ihre Expertise einbringen und ihre internen Grundlagen stärken – also bessere Governance,…

14.12.2025 | In den Medien

KPMG Law Interview in Versicherungsmonitor: Das bedeutet das entschärfte EU-Lieferkettengesetz für die Branche

Nach wochenlangen Debatten wurde jetzt die abgeschwächte Form der CSDDD in Brüssel beschlossen. Damit kommen neue, komplexe rechtliche Unsicherheiten, meint Thomas Uhlig, KPMG Law…

12.12.2025 | KPMG Law Insights

Fokus Offshore: NRW kauft umfangreiche Steuerdaten zu internationalen Steueroasen

Nach aktuellen Presseberichten vom 11. Dezember 2025 hat das Land Nordrhein-Westfalen über das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) einen umfangreichen Datensatz mit steuerlich…

12.12.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät The Chemours Company bei der Implementierung und dem Abschluss einer großvolumigen Factoring Finanzierung

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH (KPMG Law) hat die US-amerikanische Chemours Company bei der Umsetzung einer grenzüberschreitenden Factoring Finanzierung beraten. Die rechtliche Umsetzung wurde durch…

11.12.2025 | KPMG Law Insights

Erstes Omnibus-Paket soll Pflichten der CSDDD, CSRD und EU-Taxonomie lockern

Unterhändler des EU-Parlaments und des Rats haben sich nun bezüglich der noch offenen Punkte des ersten Omnibus-Pakets geeinigt. Der Inhalt der Einigung geht in weiten…

11.12.2025 | KPMG Law Insights

IPCEI-AI: Voraussetzungen für die Förderung und Bewertungskriterien

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 5. Dezember 2025 das Interessenbekundungsverfahren für die Förderung „IPCEI Künstliche Intelligenz“ (IPCEI-AI) gestartet. Unternehmen aller Größen sind…

11.12.2025 | In den Medien

Interview in der TextilWirtschaft – Das bedeutet das entschärfte EU-Lieferkettengesetz für die Branche

Nach wochenlangen Debatten wurde jetzt die abgeschwächte Form der CSDDD in Brüssel beschlossen. Damit kommen neue, komplexe rechtliche Unsicherheiten auf Unternehmen zu, meint KPMG Law…

02.12.2025 | KPMG Law Insights

Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie: Das empfiehlt die Expertenkommission

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist seit Juni 2023 in Kraft und muss nun in deutsches Recht umgesetzt werden. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD eine „bürokratiearme“ Umsetzung…

28.11.2025 | In den Medien

KPMG Law Gastbeitrag Expertenforum Arbeitsrecht: Zwischen Theorie und Praxis: Die Blaue Karte EU und das Recht auf kurzfristige Mobilität im EU-Raum

Heutzutage wünschen sich nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber, attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Beliebt in diesem Zusammenhang sind seit einiger Zeit sogenannte Workations / „Work-from-Anywhere…

26.11.2025 | KPMG Law Insights

Die Entwaldungsverordnung der EU zwingt Unternehmen zum Handeln

Wer mit den Rohstoffen Soja, Ölpalme, Rinder, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie bestimmten daraus hergestellten Erzeugnissen handelt oder diese verwendet, sollte schnellstmöglich aktiv werden.…

Kontakt

Dr. Matthias Aldejohann

Partner
Standortleiter Dresden
Leiter Litigation & ADR

Galeriestraße 2
01067 Dresden

Tel.: +49 351 21294411
maldejohann@kpmg-law.com

Inke Reuter

Partner

Galeriestraße 2
01067 Dresden

Tel.: +49 351 21294423
ireuter@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll