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Symbolbild zu Cannabis bei der Arbeit: verzerrter Blick in Büroküche
22.05.2024 | KPMG Law Insights

High im Job? Das bedeutet die Cannabis-Legalisierung für Arbeitgeber

Seit dem 1. April 2024 sind der Besitz und der Konsum von Cannabis unter Berücksichtigung der Vorschriften des viel diskutierten Cannabisgesetzes legal. Seit Inkrafttreten wird nun über die Einzelheiten des Gesetzes diskutiert, so auch zur Frage, ob man während der Arbeit Cannabis konsumieren darf. Man sollte meinen, dazu würde es eine eindeutige Antwort geben – gibt es aber nicht, sofern man einzig den Wortlaut des Gesetzes liest. Denn tatsächlich hat der Gesetzgeber einige Fragen offengelassen. Nur für wenige Berufe gibt es klare Regeln, wie das Verbot für das Führen oder Bedienen eines Luftfahrzeugs unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen psychoaktiven Substanzen (§ 4a LuftVG) oder die Toleranzgrenze für den Cannabiskonsum im Straßenverkehr. Davon abgesehen ist es – zumindest rein vom Gesetzeswortlaut – nicht ausdrücklich verboten, zum Beispiel im OP, auf der Richterbank, beim Decken von Dächern oder beim Steuern von Maschinen unter Einfluss von Cannabis tätig zu sein. Klar ist allerdings: Kommt es aufgrund des Rauschmittelkonsums zu Fehlern, Minderleistung oder zu Schäden, ist die arbeitsrechtliche Pflicht verletzt.

Arbeitnehmer:innen müssen sicherstellen, dass sie keine anderen Personen gefährden

Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer:innen in der Lage sein, ihre vertragliche Arbeitsleistung zu erbringen. Denn diese schulden sie dem Arbeitgeber uneingeschränkt. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums kann der Konsum von Cannabis unter anderem zu Orientierungslosigkeit, verminderter Reaktionsfähigkeit und Erinnerungslücken führen. Wird die Arbeitsleistung dadurch eingeschränkt, handelt es sich dabei grundsätzlich um einen arbeitsrechtlichen Pflichtverstoß, der eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung nach sich ziehen kann.

Daneben müssen Arbeitnehmende sicherstellen, dass sie bei der Erbringung ihrer Tätigkeit keine anderen Personen gefährden. Inwieweit das in der Praxis überhaupt relevant sein kann, hängt vom Einzelfall ab: Ein Chirurg oder eine Kranführerin laufen diesbezüglich wahrscheinlich eher Gefahr als ein Büromitarbeiter oder eine Radiomoderatorin. Zumindest bei Berufen mit Verantwortung für das Leben oder die Gesundheit anderer Menschen wird man daher wohl die arbeitsvertragliche Nebenpflicht annehmen können, bei der Arbeit nüchtern in Bezug auf jegliche Drogen zu sein. Fraglich ist allerdings, wie man mit Berufen umgeht, die keine solche Verantwortung mit sich bringen. Auch bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung Fälle beurteilen wird, in denen Mitarbeitende ihre Arbeit auch unter Einfluss von Cannabis ohne Beanstandung ausgeführt haben.

Arbeitgeber sollte „bekiffte“ Mitarbeitende nach Hause schicken

Das „Kiffen“ am Arbeitsplatz kann neben der Gefährdung von anderen auch zu einem Risiko für sich selbst führen. Daher sollte der Arbeitgeber schon aus unfallversicherungsrechtlichen Gründen Mitarbeitende, die unter dem Einfluss von Cannabis stehen (vgl. §§ 7, 15 DGUV Vorschrift 1), nach Hause schicken und sie die Arbeit nicht weiter ausüben lassen. Der Arbeitgeber kann dies gegebenenfalls sogar mit der Fürsorgepflicht gegenüber den betroffenen Arbeitnehmer:innen rechtfertigen.

Hier werden sich in der Praxis interessante Rechts- und Tatsachenfragen für Arbeitgeber, Betriebsräte und die Gerichte stellen. Wie kann der Arbeitgeber den Konsum eines Mitarbeitenden nachweisen? Welche Daten darf er diesbezüglich erheben? Darf der Arbeitgeber verdachtsabhängige oder unabhängige Kontrollen durchführen? Und muss er Lohn zahlen, wenn er Mitarbeitende nach dem Konsum von Cannabis nach Hause schickt?

Ein betriebliches Cannabisverbot schafft Klarheit und Sicherheit

Hat der Arbeitgeber den Konsum von Cannabis generell (wirksam) verboten, kommt es für eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung nicht erst auf eine Gefährdung oder gar den Eintritt eines Schadens oder einer Minderleistung an. In dem Fall liegt der arbeitsrechtliche Verstoß bereits in dem Cannabiskonsum während der Arbeitszeit an sich, sodass auch arbeitsrechtliche Folgen wie Abmahnungen oder bei wiederholten Verstößen auch Kündigungen an den Verstoß geknüpft werden können.

Auch aus Gründen des Arbeitsschutzes ist ein betriebliches Verbot von Cannabis empfehlenswert. Dabei muss der Arbeitgeber nicht nur die konsumierenden Mitarbeitenden schützen und dafür sorgen, dass ihre Gesundheit nicht gefährdet wird. Ebenso ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch die nichtrauchenden Arbeitnehmer:innen vor den Folgen des passiven Cannabiskonsums zu schützen.

Achtung: Besteht im Betrieb bereits ein Verbot von Alkohol, so gilt dieses Verbot nicht automatisch auch für einen Cannabiskonsum. Eine bereits vorhandene betriebliche Regelung bzw. Betriebsvereinbarung muss daher angepasst oder neu gefasst werden. Idealerweise wird eine solche Regelung direkt auf sämtliche Rauschmittel ausgedehnt werden.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Besteht ein Betriebsrat, stellt sich die Frage, ob dieser bei einem Cannabisverbot zu beteiligen ist. Es liegt nahe, eine Parallele zu Alkoholverboten bzw. Rauchverboten zu ziehen. Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht ist zunächst, dass es keine gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung dazu gibt. Geht der Anwendungsbereich der gewünschten betrieblichen Regelung über das gesetzliche oder tarifvertragliche Maß hinaus, dürfte das allerdings ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auslösen. Denn ein Cannabisverbot betrifft regelmäßig nicht nur das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten, sondern auch das Ordnungsverhalten.

Denkbar ist auch, dass solche Regelungen als Unfallverhütungsvorschiften bzw. Gesundheitsschutzmaßnahme nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind. Dies gilt vor allem dann, wenn das Cannabisverbot den Zweck hat, Gefährdungen anderer Arbeitnehmer:innen vorzubeugen. Nach § 5 Abs. 1 Arbeitsstättenverordnung ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Rauch und Dämpfe von Tabak- und Cannabisprodukten sowie elektronischen Zigaretten geschützt sind. Ein Mitbestimmungsrecht wird auch in vergleichbaren Fällen des Nichtraucherschutzes bejaht.

Fazit

Die Cannabis-Legalisierung wird wohl auch die Arbeitsgerichte noch beschäftigen. In jedem Fall ist es für den Arbeitgeber ratsam, den Cannabiskonsum im zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeit ausdrücklich zu verbieten. Ein bereits bestehendes Verbot von Alkohol am Arbeitsplatz kann auf Cannabis ausgedehnt werden. Dabei ist allerdings das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten. Trotz betrieblicher Regelung kann es in der Praxis zu Beweisschwierigkeiten kommen.

 

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