02.09.2016 | KPMG Law Insights
Steuerstrafrecht – Bundestag: Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
Bundestag: Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
Verlängerung der Festsetzungsverjährung
Der Beginn der steuerlichen Festsetzungsfrist für nicht deklarierte ausländische Kapitalerträge soll deutlich hinausgeschoben werden. Die Frist beginnt frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
Dies gilt allerdings nur für Kapitalerträge aus Staaten, die nicht Mitglieder der EU oder der Europäischen Freihandelsassoziation (Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein) sind sowie für Kapitalerträge, die nicht automatisch an Deutschland mitgeteilt werden.
Für den Wegfall eines etwaigen Vorbehalts der Nachprüfung, der den gesamten Steuerfall erfasst, sollen hingegen weiterhin die regulären Festsetzungsfristen gelten.
Erweiterung des Berichtigungszeitraums
Künftig soll Straffreiheit nur noch eintreten, wenn Angaben zu allen strafrechtlich unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang berichtigt werden, mindestens jedoch zu allen Steuerstraftaten innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre.
Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt in besonders schweren Fällen zehn Jahre, in allen anderen Fällen fünf Jahre. Die steuerliche Festsetzungsfrist beträgt hingegen stets zehn Jahre.
Sperrgründe
- Eine Straffreiheit tritt nicht ein, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung eine Prüfungsanordnung oder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben wurde. Diese Sperrwirkung galt bislang nur für die Bekanntgabe an den Täter oder seinen Vertreter. Durch das Gesetz wird der bisherige Begriff des „Täters“ durch den Begriff des „an der Tat Beteiligten“ ersetzt. Die Sperrwirkung gilt auch für einen (zwischenzeitlich ausgeschiedenen) Mitarbeiter als einen an der Tat Beteiligten, der zugunsten des Unternehmens (Begünstigter) eine Steuerhinterziehung begangen hat.
- Eine strafbefreiende Selbstanzeige soll nicht in der Zeit möglich sein, in der ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Umsatzsteuer- oder Lohnsteuer-Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausweist.
- Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist vorbehaltlich § 398a AO grundsätzlich nur möglich, wenn der nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 € je Tat nicht übersteigt. Das Gesetz sieht eine Absenkung dieser Grenze auf 25.000 € vor.
- Ein neuer Sperrgrund soll künftig auch bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 AO vorliegen (§ 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO-E). Ein „Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen“ nach § 398a AO soll aber möglich sein.
- Das Gesetz sieht eine Sonderregelung im Bereich der strafbefreienden Selbstanzeige für Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen vor, soweit es sich nicht um eine Jahresanmeldung handelt. Korrigierte oder verspätete Anmeldungen sollen wieder als wirksame Teilselbstanzeige gelten. Abweichend vom Vollständigkeitsgebot und der Höchstbetragsregelung soll bei korrigierten Anmeldungen Straffreiheit in dem Umfang eintreten, in dem Angaben berichtigt, ergänzt oder nachgeholt werden.
- Neben der Zahlung der hinterzogenen Steuern soll künftig auch die rechtzeitige Zahlung der Hinterziehungszinsen und Nachzahlungszinsen, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, Voraussetzung für die Straffreiheit sein (§ 371 Abs. 3 Satz 1 AO-E). Dies soll nicht für Umsatzsteuervoranmeldungen (mit Ausnahme der Umsatzsteuerjahreserklärung) und Lohnsteueranmeldungen gelten. Straffreiheit soll in diesen Fällen unabhängig von der fristgemäßen Entrichtung der Zinsen eintreten.
Absehen von Strafverfolgung in besonderen Fällen
- Nach bisheriger Rechtslage wird in Fällen, in denen eine Straffreiheit nur nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt, von der Verfolgung abgesehen, wenn der Täter die hinterzogenen Steuern und zusätzlich einen Zuschlag von 5 % der hinterzogenen Steuern entrichtet. Künftig soll auch bei Vorliegen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 AO ein „besonderer Fall“ vorliegen, der zum Absehen einer Strafverfolgung bei Zahlung der Steuer und des Zuschlags führen kann.
- Künftig sollen auch Hinterziehungszinsen und Nachzahlungszinsen, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, rechtzeitig entrichtet werden müssen.
- Der Zuschlag von 5 % der hinterzogenen Steuern soll deutlich erhöht werden und künftig von der Höhe der hinterzogenen Steuer abhängen:
Zuschlag | Hinterziehungsbetrag |
10 % | ≤ 100.000 € |
15 % | 100.000 €; ≤ 1.000.000 € |
20 % | > 1.000.000 € |
- Die Bemessung des Hinterziehungsbetrags soll sich nach den Grundsätzen in § 370 Abs. 4 AO richten (§ 398a Abs. 2 AO-E). Dabei soll es unerheblich sein, ob die Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können (sog. Kompensationsverbot).
- Die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens ist laut dem Gesetz möglich, wenn die Finanzbehörde erkennt, dass die Angaben im Rahmen einer Selbstanzeige unvollständig oder unrichtig waren.
- Wird das Strafverfahren trotz Zahlung des Zuschlags nicht eingestellt oder kommt es zu einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens und endet dieses mit einer Verurteilung, soll der gezahlte Zuschlag zwar vom Gericht auf eine Geldstrafe angerechnet werden können. Eine Erstattung des Zuschlags erfolgt in diesen Fällen allerdings nicht.