Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz tritt am 1. Januar 2025 in Kraft. Der Bundestag hatte das Gesetz am 26. September 2024 beschlossen, der Bundesrat hatte am 18. Oktober 2024 zugestimmt. Eine der zahlreichen Änderungen betrifft das gesetzliche Schriftformgebot für langfristige Mietverhältnisse: Bisher galt für alle Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr das Schriftformerfordernis. Für Mietverhältnisse über Grundstücke und über Räume, die keine Wohnräume sind, soll künftig die Textform ausreichen. Das soll bürokratischen Aufwand reduzieren und die Flexibilität bei der Vertragsgestaltung erhöhen. Gleichzeitig müssen jedoch Vermietende und Mietende sicherstellen, dass die neue Anforderung korrekt umgesetzt wird, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.
Gemäß Art. 14 des Gesetzentwurfs wird § 550 BGB über die gesetzliche Schriftform für langfristige Mietverhältnisse für Grundstücks- und Gewerberaummietverträge durch eine Streichung und Ergänzung in § 578 Abs. 1 BGB modifiziert. Es heißt dort zukünftig: „§ 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.“ Diese Änderung hat weitreichende Folgen für die Mietvertragsparteien, aber auch für die Veräußerer und Erwerber vermieteter Grundstücke und Gewerbeimmobilien.
Textform im Sinne des § 126b BGB bedeutet, dass eine Erklärung in einer lesbaren Form abgegeben werden muss, die den Absender nennt und auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert ist oder werden kann. Dies kann beispielsweise durch eine E-Mail, ein Telefax oder ein anderes elektronisches Dokument erreicht werden. Eine wie bisher von beiden Vertragsparteien unterschriebener Mietvertragsurkunde erfüllt die Anforderungen ebenfalls, da sie die notwendigen Informationen enthält und auf einem dauerhaften Datenträger vorliegt. Weil die Rechtsprechung allerdings zum Schutz potenzieller Immobilienerwerber aus § 550 BGB (über die Unterschriftsform hinaus) auch entnimmt, dass alle inhaltlich nicht ganz unbedeutenden Vereinbarungen der Mietvertragsparteien in einer einzigen einheitlichen Urkunde niedergelegt werden müssen, dürfte beispielsweise der bloße Wechsel von WhatsApp-Nachrichten zum Vertragsinhalt auch in Zukunft nicht genügen, um ein Mietverhältnis mit langer Vertragsdauer zu begründen. Rechtssicherheit darf stattdessen erwartet werden, wenn Mietvertragsparteien ihre elektronischen Signaturen einer Textdatei hinzufügen, die den Mietvertrag mit allen Anlagen enthält; dass der „Drucken“-Button tatsächlich angeklickt wird, ist dann für die Langfristigkeit des Vertragsabschlusses nicht mehr erforderlich.
Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz tritt bezüglich seines hier relevanten Teils am 1. Januar 2025 in Kraft. Das Datum ist wichtig für die in Artikel 15 des Gesetzes enthaltenen Übergangsregelungen: Auf Grundstücks- und Gewerberaummietverhältnisse, die vor dem Tag des Inkrafttretens entstanden sind, ist noch bis zum Ablauf von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten das bisherige Schriftformgebot weiter anzuwenden, während für alle nach dem Inkrafttreten vereinbarten Änderungen auch dieser oder neuer Mietverhältnisse schon die Textform genügt.
Auch für neue Mietverträge werden sich (traditionsliebende) Vertragsparteien darüber einigen können, dass freiwillig weiterhin die Einhaltung des Formerfordernisses aus § 550 BGB für eine mehr als ein Jahr nicht ordentlich kündbare Vertragslaufzeit erforderlich sein soll. Allerdings müssen Vermietende und Mietende dann die Zweifelsregelung des § 125 Satz 2 BGB beachten und eindeutig ausschließen, wenn sie nicht bei einem Schriftformmangel auch die Nichtigkeit des Mietverhältnisses riskieren wollen. Vorsicht ist hier also angebracht.
In verschiedenen Stellungnahmen zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (und zu früheren Entwürfen dazu) wird die Ansicht geäußert, die Aufhebung des gesetzlichen Schriftformgebots für langfristige Grundstücks- und Gewerberaummietverhältnisse werde für weniger bürokratische Entlastung sorgen, als vom Gesetzgeber erhofft. Ob durch die Gesetzesänderung viel gewonnen wird, ist in der Tat fraglich. Denn nach wie vor sollten Vermieter- und Mieterseite ihre vertraglichen Abreden vollständig in einem sorgfältig ausgearbeiteten und gegebenenfalls mit erläuternden Anlagen versehenen Vertragstext niederlegen. In dieser Vertragsvorbereitung liegt der hauptsächliche Aufwand. Wegen der angestrebten langjährigen Bindung an das Mietverhältnis und wegen der oftmals beachtlichen wirtschaftlichen Konsequenzen auch zunächst unbedeutend erscheinender Regelungen ist dieser Aufwand nach wie vor gerechtfertigt. Die Textform spart allerdings im Vertragsabschlussprozess Zeit: Der Gewerberaummietvertrag und zugehörige Anlagen liegen regelmäßig ohnehin als elektronische Dokumente vor; die Verabredung und Durchführung von Unterschriftsterminen bzw. der Versand und die Rücksendung von körperlichen Mietvertragsurkunden entfallen.
Unverändert wichtig bleibt, beim Erwerb eines vermieteten Grundstücks oder einer vermieteten Gewerbeimmobilie die Einhaltung des Schriftformgebots zu überprüfen, soweit es nach bisheriger Rechtslage gilt und solange es nach den dargestellten Übergangsregelungen anwendbar bleibt. Für spätere Änderungen und neue langfristige Mietverhältnisse ist die Beachtung des Textformgebots zu kontrollieren. Das „Ende des Schriftformgebots“ kommt damit nicht schon mit dem Inkrafttreten des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes. Die durch § 550 BGB angelegte Gefahr, dass ein Mietverhältnis wegen eines Formverstoßes vorzeitig beendet werden kann, beseitigt das Gesetz ja eben nicht, sondern es verringert nur die Formanforderung.
In der Praxis kommt es auch nicht selten vor, dass Mietvertragsurkunden verlorengehen oder nicht mehr im Original, sondern nur noch in Kopie auffindbar sind. Umso mehr müssen Vermietende und Verwaltungsunternehmen nun für textförmliche Dokumente sorgfältig darauf achten, dass diese in der finalen Fassung dauerhaft gespeichert werden und gegen nachträgliche Veränderungen (schlimmstenfalls durch Cyberkriminelle) geschützt sind. Dies wird häufig die Abänderung eingeübter Prozesse erfordern und zu einem größeren Aufwand führen, als Mietvertragsurkunden im Unternehmenssafe zu verwahren. Der Legal-Due-Diligence-Aufwand für Immobilienerwerber wird jedenfalls durch die gesetzliche Änderung leider nicht geringer werden.
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