Aufgrund des anhaltenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine möchte die EU die Strafverfolgung von Verstößen gegen EU-Sanktionen erleichtern. Die entsprechende Richtlinie (EU) 2024/1226 war im 19. Mai 2024 in Kraft getreten und ist bis 20. Mai 2025 in deutsches Recht umzusetzen. Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften liegt aktuell im Bundestag. Die Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) sieht insgesamt härtere Strafen für Sanktionsverstöße vor. Außerdem soll die bisherige „Karenzzeit“ von zwei Tagen nach dem Inkrafttreten neuer Sanktionen gestrichen werden. Hier ein Überblick über die wichtigsten geplanten Neuerungen:
Strafvorschriften sind in § 18 AWG geregelt. Nach § 18 Abs. 1 AWG sind grundsätzlich Freiheitsstrafen möglich zwischen drei Monaten bis fünf Jahren. Nach dem neuen § 18 Abs. 6a AWG-E droht in besonders schweren Fällen eines Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1a, 4a AWG-E eine Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Ein besonders schwerer Fall wird angenommen, wenn bestimmte Handlungen erfolgen, um einen Sanktionsverstoß zu verschleiern. Konkret sind folgende Regelbeispiele genannt:
Praxisrelevant ist vor allem der zweite Fall, die Nutzung von Unternehmen in Drittstaaten zur Verschleierung. Dies können Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigung oder Vermögensmassen sein, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in Drittstaaten haben. Ein bestimmender oder beherrschender Einfluss kann aus einer Kapitalbeteiligung oder aus Stimmrechten resultieren. Er ist auch dann anzunehmen, wenn die Drittstaat-Gesellschaft bzw. ihre Geschäftsführung von der EU-Gesellschaft finanziell oder tatsächlich abhängig ist. Ein beherrschender oder bestimmender Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Gesellschaft äußert sich insbesondere in der Möglichkeit, alle wesentlichen Entscheidungen der Geschäftsführung, der Geschäftspolitik sowie sonstige wesentliche unternehmerische Entscheidungen zu treffen.
Auch leichtfertige, also grob fahrlässige Handlungen sollen künftig strafbar sein. Dies betrifft die leichtfertige Begehung von bestimmten Sanktionsverboten bezüglich Dual-Use-Gütern, das heißt Güter, Software und Technologien, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Darunter fallen die in Anhang I und Anhang IV der Verordnung (EU) 2021/821 aufgeführten Güter. Verhängt werden kann eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Leichtfertiges Handeln in Bezug auf die in der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union aufgeführten Waren ist bereits in § 17 Abs. 5 AWG kriminalisiert.
Gegen juristische Personen und Personenvereinigungen sowie Inhaber:innen eines Betriebs kann nach § 19 Abs. 7 und 8 AWG-E ein Bußgeld von bis zu 40 Millionen Euro verhängt werden. Bislang liegt die Obergrenze für Bußgelder bei 10 Millionen Euro.
Strafbar sein soll gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 c) AWG-E künftig auch die Erbringung von Finanzdienstleistungen oder die Ausübung von sonstigen Finanztätigkeiten, einschließlich der Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen sein.
Unter den Tatbestand fallen einige Handlungen, die bislang in § 82 AWV als Ordnungswidrigkeiten verfolgt wurden. Zum Beispiel
Natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen in der EU sind gemäß Art. 6b VO (EU) 833/2014 darüber hinaus verpflichtet, Informationen, die die Umsetzung des Russland-Embargos erleichtern, den zuständigen Behörden zu übermitteln (sogenannte Jedermannspflicht). Auch ein Verstoß gegen diese Pflicht war bislang nur als Ordnungswidrigkeit von § 19 Absatz 5 Nummer 1 AWG erfasst. Im neuen § 18 Absatz 5a Nummer 2 AWG wird die Meldepflicht für jedermann im Umfang der zwingenden Vorgaben der Richtlinie Sanktionsstrafrecht strafbewehrt.
Nach aktueller Rechtslage wird nicht bestraft, wer eine Handlung, welchen einen Verstoß begründet bis zum Ablauf des zweiten Werktages nach Veröffentlichung der Sanktion begeht und von dem Verbot oder Genehmigungserfordernis zum Tatzeitpunkt keine Kenntnis hat.
Folglich haben Unternehmen aktuell noch zwei Tage Zeit, sich auf neue Sanktionen einzustellen. Diese Frist fällt nun weg. Unternehmen müssen neue Sanktionslisten ab dem Moment beachten, in dem sie veröffentlicht werden.
Dies stellt hohe Anforderungen an Unternehmen, da sie nun schnellstmöglich eine Beachtung ggf. vollkommen neuer Sanktionsvorgaben sicherstellen müssen.
Auch bisher war das Risiko groß, relevante Erweiterungen der Embargovorgaben zu übersehen und dadurch nicht rechtzeitig zu berücksichtigen. Bislang haben die Unternehmen zwei Tage Zeit, um zu reagieren. Diese Karenzzeit soll wegfallen. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass sie von neu eingeführten restriktiven Maßnahmen sofort Kenntnis erlangen und die Neuerungen sofort umsetzen können. Ansonsten drohen nach dem aktuellen Gesetzentwurf noch härtere Folgen als bisher.
Besonders vorsichtig sollten auch Unternehmen mit Tochterunternehmen in Embargoländern wie zum Beispiel Russland sein. Verstößt die Tochtergesellschaft gegen eine (für sich nicht geltende) EU-Sanktion, kann dies der europäischen Muttergesellschaft zugerechnet werden. Wenn der Verdacht entsteht, dass die Tochtergesellschaft genutzt wird, um Sanktionen zu umgehen oder zu verschleiern, kann nach den Vorgaben der AWV-Novelle schnell ein besonders schwerer Fall angenommen werden, für den Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren drohen.
Endverbleibserklärungen des Empfängers können dazu beitragen das Risiko für Unternehmen, die Güter in Drittländer exportieren, zu mitigieren.
Bei der Ausfuhr bestimmter Güter ist eine „No-Russia“ bzw. „No Belarus“-Klausel in den Vertrag aufzunehmen.
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