Wegfall der Hinterbliebenenversorgung durch ablösende Tarifregelung (BAG Urt. v. 31.07.2018, 3 AZR 731/16)
Von Christine Hansen und Jean-Baptiste Abel
Im vorliegenden Fall erhielt der Arbeitnehmer seit Juni 2001 – im Alter von 63 Jahren – eine Altersrente. Die bei Renteneintritt maßgebliche Versorgungsordnung sah einen Ausschluss der Witwen-rente für den Fall vor, dass die Ehe nach Eintritt des Versorgungsfalls geschlossen wurde und der Arbeitnehmer bei der Eheschließung das 65. Lebensjahr vollendet hatte. Die Versorgungsordnung wurde später – unter ausdrücklicher in Bezugnahme aktiver oder ehemaliger Mitarbeiter, die An-sprüche nach einer anderen Versorgungsordnung erworben haben – von einer tariflichen Neureg-lung abgelöst, wonach für die Gewährung einer Witwenrente unter anderem erforderlich ist, dass die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen wurde. Der Arbeitnehmer, der nach Eintritt des Versorgungsfalles und vor dem Erreichen des 65. Lebensjahres geheiratet hat, begehrt die Feststel-lung, dass seine Witwe Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente hat.
Das BAG hat entscheiden, dass der Anspruch auf Witwenrente nicht durch die Neuregelung der Versorgungsordnung beseitigt worden ist. Da zum Zeitpunkt der Eheschließung noch ein anderes Versorgungswerk gegolten habe, widerspräche es den Grundsätzen von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit, wenn die Absicherung der Ehegatten vollständig rückwirkend entfalle. Daran seien auch die Tarifvertragsparteien gebunden. Verschlechternde Eingriffe in Versorgungsanwartschaften durch tarifliche Regelungen bedürften besonderer legitimierender Gründe. Der vollständige und ersatzlose Entfall einer zugesagten Hinterbliebenenversorgung, die bei oder nach Eintritt des Versorgungsfalls bestanden habe, sei grundsätzlich unzulässig, da dadurch die bereits vollständig er-brachte Gegenleistung des Versorgungsberechtigten nachträglich entwertet werde. Da es ihm nur schwer möglich sei, nach Eintritt des Versorgungsfalls Ersatz für die wegfallende Hinterbliebenenversorgung zu schaffen, seien allenfalls geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt. Mit der Versorgungsordnung schafften die Tarifvertragsparteien einen Vertrauenstatbestand, der sie auch bei ablösenden Tarifregelungen binde.
Fazit: Mit dieser Entscheidung bestätigt das BAG zunächst, dass sich die Änderung tariflicher Versorgungsregelungen grundsätzlich auch auf Versorgungsverhältnisse erstreckt, in denen der Versorgungsfall bereits eingetreten ist, da sich die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien auch auf Versorgungsempfänger erstreckt. Das BAG bestätigt, dass Eingriffe in Versorgungsanwartschaften nur unter engen Voraussetzungen möglich sind. Das gilt auch für tarifliche Regelungen, auf die das dreistufige Prüfungsschema (BAG Urt. v. 17.04.1985, 3 AZR 72/83) keine Anwendung findet. Die Prüfung hat sich hier auf Verstöße gegen höherrangiges Recht zu beschränken.
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