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Symbolbild zu BAG-Urteil zum Paarvergleich: Frau rechnen mit Taschenrechner
29.10.2025 | KPMG Law Insights

BAG zum Paarvergleich: Wie Arbeitgeber mit Gehaltsunterschieden umgehen sollten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine weitere richtungsweisende Entscheidung zur Entgeltgleichheit gefällt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az 8 AZR 300/24) hat es den Anspruch einer Abteilungsleiterin auf höhere Vergütung im Wege des Paarvergleichs bejaht. Damit hat das BAG die Hürden für Beschäftigte, die eine geschlechtsbezogene Benachteiligung beim Gehalt vermuten und deren Beseitigung bzw. Entschädigung geltend machen, deutlich gesenkt.

 

Hintergrund des BAG-Urteils vom 23. Oktober 2025 (8 AZR 300/24)

Geklagt hatte eine weibliche Abteilungsleiterin, die über Jahre hinweg weniger verdiente als ein männlicher Kollege in vergleichbarer Position. Die Klägerin verglich ihr Gehalt direkt mit dem eines einzelnen, besser bezahlten Kollegen (Paarvergleich). Sie machte dann die Entgeltdifferenz gerichtlich geltend.

Die Vorinstanz hatte den Vergleich mit einem einzelnen Mitarbeiter abgelehnt und gefordert, dass sich die Entschädigung am Median der männlichen Kollegen orientieren müsse und verneinte eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Das BAG sah hingegen die Vermutung für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als gegeben an. Bereits der Vergleich mit einem einzigen besser bezahlten Kollegen des anderen Geschlechts begründet die gesetzliche Vermutung einer Entgeltbenachteiligung. Der Arbeitgeber muss in der Folge beweisen, dass die Differenz sachlich und nicht geschlechtsbezogen ist.

Das BAG verwies die Entscheidung zurück ans Landesarbeitsgericht (LAG). Dort hat der Arbeitgeber nun Gelegenheit, die Vermutung der Benachteiligung zu widerlegen.

Aus dem Urteil ergeben sich einige praktische Fragen.

 

Wie können Mitarbeitende an die Gehaltsdaten der Vergleichsgruppe gelangen?

Nach § 10 Entgelttransparenzgesetz können Arbeitnehmer:innen Auskunft über das durchschnittliche Gehalt der vergleichbaren Beschäftigten des anderen Geschlechts verlangen. Nicht vorgesehen ist eine Auskunft über das Gehalt einzelner Mitarbeitender. Natürlich können Beschäftigte auf andere Weise Kenntnis von der Vergütung ihrer Kolleg:innen erhalten. Viele Arbeitgeber möchten dies vermeiden und nehmen diesbezügliche Verschwiegenheitsklauseln in ihre Arbeitsverträge auf. Dies ist aber bereits heute in der Regel unwirksam und mit der Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie wird dieses Recht weiter gestärkt, da dann eine Offenlegung des Entgelts im Einklang mit der europäischen Richtlinie gesetzlich verankert sein wird. Arbeitgeber müssen also noch mehr als vorher damit rechnen, dass sich Informationen über einzelne Gehälter in der Belegschaft verbreiten, ohne dass diese durch den Arbeitgeber verhindert werden kann.

 

Wer zur Vergleichsgruppe zählt

Welche Beschäftigten zum Vergleich herangezogen werden können, legt § 4 Abs. 2 EntgTranspG fest. Danach gilt eine Tätigkeit als gleichwertig, wenn sie auf Grundlage objektiver Kriterien wie Ausbildungsanforderungen oder Arbeitsbedingungen mit einer anderen Tätigkeit vergleichbar ist. Hierbei kommt es nicht nur auf die Tätigkeitsbezeichnung und die Jobbeschreibung an, sondern auch auf die tatsächliche Ausgestaltung. Grundsätzlich empfiehlt es sich, Vergleichsgruppen frühzeitig zu bilden – nicht erst, wenn Arbeitnehmer:innen Ansprüche geltend machen.

 

Was rechtfertigt eine höhere Vergütung – und was nicht?

Spannend wird die Frage, ob es dem Arbeitgeber im weiteren Verfahren vor dem LAG gelingt, die Vermutung der Diskriminierung zu widerlegen, indem er objektive und sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung darlegt und beweist. Doch was zählt als objektiver Grund – und was nicht?

 

Diese Gründe können Gehaltsunterschiede für vergleichbare Tätigkeiten rechtfertigen

Zulässige Gründe für Gehaltsunterschiede können sein:

Leistung und individuelle Zielerreichung

Unterschiedliche Boni oder Gehaltserhöhungen können gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiv messbaren Leistungskennzahlen beruhen, die transparent dokumentiert und nachvollziehbar sind. Nicht ausreichend dürfte in der Praxis eine einfache Leistungsbeurteilung sein.

Beispiel: Mitarbeiter A hat im letzten Jahr objektiv nachweisbar 20 Prozent mehr Umsatz erzielt als Mitarbeiterin B in vergleichbarer Position, sodass hier eine höhere variable Vergütung gerechtfertigt werden kann.

Berufserfahrung und Qualifikation
Höhere Vergütung kann sachlich begründet sein, wenn ein(e) Beschäftigte(r) über mehr einschlägige Berufserfahrung, Zusatzqualifikationen oder Fachkenntnisse verfügt, die für die Tätigkeit relevant sind. Allerdings: Die Unterschiede müssen sich auf die Qualität oder Quantität der Arbeitsleistung auswirken. Ein höheres Dienstalter allein genügt nicht.

Beispiel: Ein Projektleiter mit 15 Jahren Erfahrung leitet regelmäßig größere und komplexere Projekte, auch als Gesamtprojektleiter, ein Projektleiter mit fünf Jahren Berufserfahrung leitet kleinere Projekte oder Teilprojekte.

Markt- und Standortfaktoren
In bestimmten Fällen können regionale Arbeitsmarktbedingungen oder unterschiedliche Kostenstrukturen eine abweichende Vergütung rechtfertigen. Voraussetzung ist aber, dass dies im Unternehmen systematisch und nachvollziehbar angewendet und dokumentiert wird.

Beispiel: Alle Beschäftigten am Standort München erhalten eine Zulage, die die höheren Lebenshaltungskosten in dieser Stadt ausgleicht.

 

Denkbar wären auch geldwerte Vorteile für Beschäftigte mit Kindern oder Förderungen von Weiterbildungen im Rahmen von Förderprogrammen. Wichtig ist jedoch immer, dass für solche Zusatzleistungen objektive und geschlechtsneutrale Kriterien aufgestellt werden.

Diese Gründe rechtfertigen keine ungleiche Bezahlung

In der Praxis gibt es viele weitere Gründe für ungleiche Vergütungen, die jedoch nicht herangezogen werden können, um die Vermutung der Diskriminierung zu widerlegen.

Reines Verhandlungsgeschick

Das bessere Verhandlungsgeschickt rechtfertigt keine ungleiche Bezahlung, wie das BAG bereits im Jahr 2023 entschieden hat. Allein darauf basierende Unterschiede sind nicht zulässig.

Beispiel: Mitarbeiter A handelt ein Grundgehalt in Höhe von 80.000 Euro p.a. aus; seine Kollegin hat eine Basisvergütung von 65.000 Euro akzeptiert.

Persönliche Lebensumstände

Unterschiede wegen Familienstand, Unterhaltspflichten oder privater Situation sind nicht zulässig, außer es handelt sich um objektiv gleiche, geschlechtsneutrale Zusatzleistungen.

Beispiel: Ein Mitarbeiter erhält eine Gehaltserhöhung, weil seine Frau arbeitslos geworden ist.

Historisch gewachsene Ungleichheiten ohne Begründung

Die Gehaltshistorie allein rechtfertigt keine Fortsetzung der Unterschiede.

Beispiel: Die X-GmbH wurde von der Gesellschaft Y-AG übernommen. Mitarbeitende der X-GmbH erhalten ihr ursprünglich höheres Gehalt weiter, obwohl sich die Belegschaft inzwischen komplett vermischt hat.

 

Arbeitgeber sollten ihre Vergütungsstruktur überprüfen

Unternehmen sollten ihre Vergütungsstruktur überprüfen. Sämtliche Vergütungsbestandteile – also Grundgehalt, Zulagen, Boni und Sonderzahlungen – müssen diskriminierungsfrei sein. Jeder Lohnbestandteil muss für sich betrachtet auf objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien basieren. Es reicht nicht aus, etwaige Unterschiede beim Grundgehalt durch höhere Boni oder andere Zusatzleistungen auszugleichen.

Für die Prüfung eignet sich eine Stellenbewertung, bei der die Anforderungen, die Verantwortung und die Arbeitsbedingungen einer Position unabhängig von der jeweiligen Person eingeordnet und rechtlich bewertet werden. Auf dieser Grundlage können transparente Gehaltsbänder entwickelt werden, die als Orientierung für die Vergütung dienen. Falls es zu Abweichungen von diesen Gehaltsbändern kommt, müssen diese objektiv begründet und sorgfältig dokumentiert werden, sodass alle Vergütungsentscheidungen nachvollziehbar und rechtssicher sind.

 

Darauf ist bei leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen zu achten

Bei Zielvereinbarungen sollten Unternehmen zur rechtssicheren und diskriminierungsfreien Vergütungsfindung objektive und standardisierte Bewertungsverfahren einsetzen. Hierzu empfiehlt sich die Nutzung klar definierter KPIs sowie einheitlicher Beurteilungsbögen, die für alle Beschäftigten verbindlich sind und die Bewertungskriterien transparent machen. Um subjektive Einflüsse zu minimieren, sollten mehrere Personen an der Bewertung beteiligt werden. Die Ergebnisse müssen nachvollziehbar dokumentiert und die Verfahren regelmäßig auf ihre Diskriminierungsfreiheit überprüft werden. So wird sichergestellt, dass qualitative Zielvereinbarungen rechtlich wirksam, fair und objektiv in die leistungsabhängige Vergütung einfließen.

 

Berater:innen und KI können bei der Umsetzung von Equal Pay unterstützen

Berater:innen und künstliche Intelligenz (KI) können bei der Umsetzung von Equal Pay unterstützen. Externe Berater:innen bringen Fachwissen ein und unterstützen Unternehmen beispielsweise bei der Durchführung von Equal-Pay-Prüfungen, der Entwicklung diskriminierungsfreier Stellenarchitekturen sowie bei der Schulung von Führungskräften im Hinblick auf faire Vergütungsentscheidungen. Moderne KI-Tools können große Mengen an Gehaltsdaten analysieren, mögliche Diskrepanzen und Muster von unbewusster Voreingenommenheit aufdecken und so frühzeitig auf Handlungsbedarf hinweisen. Darüber hinaus können KI-Systeme dabei helfen, faire und objektiv begründete Gehaltsvorschläge zu generieren und Abweichungen transparent zu dokumentieren. Sie können zudem als neutrale Instanz die Kommunikation mit dem Betriebsrat begleiten.

 

Wie Arbeitgeber auf das BAG-Urteil zum Paarvergleich reagieren sollten

Das BAG-Urteil zeigt, wie gefährlich ungleiche Bezahlung inzwischen ist. Die Zulassung des Paarvergleichs eröffnet weiteren Raum für Klagen auf ein höheres Entgelt, da es diese noch attraktiver macht.

Kann ein Arbeitgeber die Vermutung für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung nicht widerlegen, muss er die Entgeltdifferenz regelmäßig für die Zukunft und regelmäßig auch rückwirkend für einen Zeitraum bis zur Anspruchsverjährung zahlen. Daneben können Arbeitgeber zum Ersatz eines immateriellen Schadens verurteilt werden. Verstöße gegen den Equal-Pay-Grundsatz können zudem erhebliche Reputationsschäden verursachen, die das Arbeitgeberimage und die Attraktivität im Recruiting nachhaltig beeinträchtigen.

Arbeitgeber werden im Streitfall eine geschlechtsbezogene Diskriminierung nur widerlegen können, wenn sie alle Vergütungsentscheidungen lückenlos und präzise dokumentiert haben. Dabei gibt es nur wenige anerkannte Gründe, aus denen man einzelnen Mitarbeitenden mehr zahlen kann als anderen. Vor allem bei leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen ist auf Objektivität zu achten.

Spätestens mit Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie bis Juni 2026 brauchen Unternehmen ein transparentes und geschlechtsunabhängiges Vergütungssystem, in das alle Beschäftigten einzugruppieren sind.

 

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