Suche
Contact
Symbolbild zu Urteil zu Tübinger Verpackungssteuer: Säulengang
24.01.2025 | KPMG Law Insights

Tübinger Verpackungssteuersatzung ist verfassungsgemäß

Die Tübinger Verpackungssteuer ist verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verpackungssteuersatzung der Universitätsstadt Tübingen zurückgewiesen. Der Beschluss vom 27. November 2024 (1 BvR 1726/23) wurde am 22. Januar 2025 veröffentlicht.

Mit der Verpackungssteuersatzung erhebt die Stadt Tübingen seit dem 1. Januar 2022 eine Steuer auf den Verbrauch von Einweggeschirr und -besteck, mit dem Speisen und Getränke für den Verzehr vor Ort oder zum Take-away verkauft werden. Zur Entrichtung der Steuer ist der Endverkäufer verpflichtet. Beschwerdeführerin im Verfahren war ein Unternehmen, das ein Schnellrestaurant in Tübingen betreibt.

Die Steuergesetzgebungskompetenz liegt bei der Stadt

Die Verfassungsbeschwerde ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts unbegründet.

Die Beschwerdeführerin hatte argumentiert, die Stadt habe keine Steuergesetzgebungskompetenz. Dem folgten die Karlsruher Richter nicht. Die Stadt Tübingen könne sich für die Verpackungssteuersatzung auf die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder für die Erhebung örtlicher Verbrauchsteuern nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, § 9 Abs. 4 Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg berufen. Insbesondere handle es sich bei der Verpackungssteuer um eine „örtliche“ Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Nach § 1 Abs. 1 Alt. 1 Verpackungssteuersatzung knüpft die Steuerpflicht an die Abgabe von Einwegmaterial an, das beim Verkauf von Speisen und Getränken „für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle“ Verwendung findet. Dadurch sei der notwendige Ortsbezug des Verbrauchs ohne weiteres gegeben. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass Speisen und Getränke in atypischen Fällen bestimmungswidrig in räumlicher Entfernung vom Verkaufsort außerhalb des Gemeindegebiets verzehrt werden. Diese atypischen Fälle änderten jedoch an dem Ortsbezug nichts. Die Örtlichkeit kann nach Ansicht des Gerichts auch bei Waren gegeben sein, die nicht „zum Verbrauch an Ort und Stelle“ des Verkaufs bestimmt sind, wenn der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet erfolgt. Hierfür kann insbesondere die Beschaffenheit der Ware sprechen. Auch seien die weiteren Gegebenheiten zu berücksichtigen wie etwa die Versorgungsstruktur oder die Größe der Gemeinde. Eine darauf bezogene Steuerpflicht setze voraus, dass im Steuertatbestand diejenigen Waren benannt oder aufgrund konkreter Kriterien bestimmbar sind, die im Anschluss an den Verkauf typischerweise noch innerhalb der Grenzen der jeweiligen Gemeinde verbraucht werden. Dem Normgeber komme hierbei ein Einschätzungsspielraum zu.

Tübinger Verpackungssteuer widerspricht nicht dem Abfallrecht des Bundes

Die Tübinger Verpackungssteuer stehe auch nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung, insbesondere nicht zum Abfallrecht des Bundes. Nach § 12 Einwegkunststofffondsgesetz ist ebenfalls eine Abgabe für Einwegkunststoff vorgesehen. Allerdings entzieht die Tübinger Verpackungssteuer dem Einwegkunststofffond nicht missbräuchlich die finanzielle Grundlage.

Kein Eingriff in die Berufsfreiheit

Auch das Argument der Beschwerdeführerin, die Steuer verletzte sie in ihrer Berufsfreiheit, überzeugte die Richter nicht. Zwar greife die Erhebung der als Lenkungsteuer ausgestalteten Verpackungssteuer in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Endverkäufer ein. Dieser Eingriff sei jedoch formell und materiell verfassungsgemäß. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die zur Erzielung von Einnahmen geeignete und erforderliche Verpackungssteuer die Endverkäufer unzumutbar beeinträchtigt. Für eine die Geschäftsaufgabe erzwingende Wirkung der Verpackungssteuer gebe es keine Hinweise. Auch der Eingriff in die Berufsfreiheit der Endverkäufer durch ihre Indienstnahme als Zahlstelle sei verhältnismäßig, da sie die einzige praktikable Möglichkeit sei, die Steuer zu vereinnahmen.

Fazit und Ausblick

Im Ergebnis werden mit der Entscheidung die kommunalen Handlungsspielräume im Kampf gegen die „Vermüllung“ der Innenstädte und der Umwelt durch Einwegverpackungen gestärkt. Im Zusammenspiel mit dem Verpackungsgesetz des Bundes (siehe hierzu auch die neue EU-Verpackungsverordnung), das schon seit dem Jahr 2023 verpflichtende Mehrwegangebote für Speisen und Getränke To-Go vorsieht, kann auf diesem Weg das ungeordnete Wegwerfen von Abfall im öffentlichen Raum weiter reduziert werden. Ob weitere Kommunen im Rahmen ihrer Abfallvermeidungskonzepte dem Tübinger Beispiel folgen, bleibt abzuwarten, ist aber zu erwarten.

 

Bitte beachten Sie, dass die verfahrensgegenständliche Verpackungssteuer nicht mit der in Deutschland noch nicht eingeführten EU-Plastiksteuer zu verwechseln ist. Diese wird aller Voraussicht nach nicht vor dem 1. Januar 2026 in Kraft treten und wird vom Bund, nicht von den Kommunen erhoben werden.

Autoren:

Mario Urso, Partner, Tax, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Dr. Simon Meyer, Partner, KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

 

 

Explore #more

12.09.2025 | Dealmeldungen

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat den geschäftsführenden Gesellschafter der Deutschen Werkstätten Beteiligungs GmbH, Herrn Fritz Straub, bei dem Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung an Ateliers de France beraten

Der geschäftsführende Gesellschafter der Deutschen Werkstätten, Fritz Straub, verkauft mit 75 Prozent die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Deutsche Werkstätten Beteiligungs GmbH an die französische…

12.09.2025 | KPMG Law Insights

Der Data Act gilt. Das sind die Eckpunkte

Ab dem 12. September 2025 gilt der EU Data Act.  Das Gesetz soll Innovation durch die bessere Verfügbarkeit von Daten fördern. Betroffene Unternehmen befürchten jedoch,

09.09.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und Tax beraten Adiuva Capital GmbH mit Fact Books beim Verkauf der KONZMANN Gruppe.

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die Adiuva Capital GmbH, eine Hamburger Private-Equity-Gesellschaft (Adiuva), im Rahmen des…

04.09.2025 | In den Medien

Gastbeitrag im Unternehmensjurist: Rechtsabteilungen strategisch transformieren: Ein Marktüberblick

Was beschäftigt Inhouse-Teams großer Unternehmen beim Thema digitale Transformation? Welche Themen werden in den kommenden Jahren entscheidend sein? Auf diese Fragen wirft der Rechtsabteilungsreport „Recht…

04.09.2025 | In den Medien

Gastbeitrag im Unternehmensjurist: Erfolgreiches Change Management in der HR-Abteilung

Die HR-Abteilung spielt eine entscheidende Rolle bei der digitalen Transformation. Sie ist nicht nur Betroffene, sondern Gestalterin des Wandels. Zwischen Transformation, Mitbestimmung und Vertrauen der…

03.09.2025 | In den Medien

Gastbeitrag in der Versicherungswirtschaft: Embedded Insurance – Mehr als nur ein neuer Vertriebsweg

Die Versicherungsbranche steht vor einem Paradigmenwechsel. Traditionelle Vertriebsmodelle werden zunehmend durch innovative Ansätze ergänzt, die darauf abzielen, den Zugang zu Versicherungspolicen zu erleichtern und die…

03.09.2025 | KPMG Law Insights

Lieferkettengesetz: Berichtspflicht entfällt, Sanktionen werden reduziert

Im Koalitionsvertrag haben die Koalitionspartner vereinbart, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) im Zuge der Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie CSDDD abzuschaffen und zuvor die Berichtspflicht des LkSG zu…

29.08.2025 | In den Medien

Statement von Ulrich Keunecke zum Sondervermögen Infrastruktur in Politico

KPMG Law Finanzexperte Ulrich Keunecke erklärt, wie das Sondervermögen Infrastruktur mit Kapital von Privatanlegern gehebelt werden kann. Sie finden den Beitrag in Politico (PayWall). „Wenn…

25.08.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät APELOS im Rahmen der Refinanzierung und dem Kauf einer Praxisgruppe mit rund 50 Praxisstandorten.

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die APELOS Therapie GmbH, eine führende Therapiepraxisgruppe in Deutschland, im Rahmen…

15.08.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement in Die-Stiftung.de zum Thema Stiftungsregister – Der lange Weg zur digitalen Ordnung

Das Inkrafttreten der Stiftungsrechtsreform am 1. Juli 2023 markiert einen Wendepunkt im deutschen Stiftungswesen. Die Liste der nicht unumstrittenen Änderungen ist lang und soll auch…

Kontakt

Dr. Simon Meyer

Partner

Friedenstraße 10
81671 München

Tel.: +49 89 5997606 5021
simonmeyer@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll