Suche
Contact
Symbolbild zu Koalitionsvertrag Klimaschutz: Windräder in der Abendröte
23.04.2025 | KPMG Law Insights

Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Koalitionsvertrag 2025

Der Klimaschutz hat es im Koalitionsvertrag zu einer Bedeutung geschafft, mit der nicht zu rechnen war. Im Wahlkampf hatte er keine nennenswerte Rolle gespielt. Auch global ist der Klimaschutz unter Druck geraten. Die USA sind erneut aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Die EU will mit dem sogenannten Omnibus-Paket die Nachhaltigkeitsberichterstattung vereinfachen und die Geltung der neuen Pflichten zeitlich verschieben.
Dennoch bekennt die künftige Bundesregierung sich im Koalitionsvertrag zu den nationalen und europäischen Klimazielen. Deutschland soll Industrieland bleiben und gleichzeitig klimaneutral werden. Ziel bleibt die Klimaneutralität bis 2045 – unter Beibehaltung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sozialer Ausgewogenheit und technologischer Innovationskraft. Der Klimawandel wird als globale Herausforderung verstanden, die nur durch gemeinsames Handeln auf internationaler Ebene bewältigt werden kann. Hiermit bekennt sich die kommende Regierung auch zu ihren verfassungsrechtlichen Pflichten. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Klimabeschluss vom März 2021 betont, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen schützen und die Treibhausgase reduzieren muss. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat diese Pflicht in seiner Entscheidung vom 9. April 2024 auch aus den Menschenrechten abgeleitet.

Wege zur Erreichung der Klimaziele

Im Zentrum der Klimapolitik soll die Reduktion von CO₂-Emissionen stehen; gleichzeitig sollen größere unternehmerische Freiheiten geschaffen werden. Dies entspricht dem Leitbild des Koalitionsvertrages vom Bürokratieabbau, mit dem zum Beispiel auch die Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes begründet wird. Es bleibt abzuwarten, ob trotz der größeren Freiheiten die Klimaschutzziele erreicht werden. So sollen bei der Reduktion von CO₂-Emissionen ergänzend auch sogenannte negative Emissionen – also Maßnahmen zur Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre – berücksichtigt werden. Zusätzlich sollen glaubwürdige Emissionsminderungen in Partnerländern angerechnet werden können, sofern diese internationalen und europäischen Standards genügen. Diese Elemente werden im europäischen Emissionshandelssystem und im deutschen Klimaschutzgesetz verankert, das den rechtlich verbindlichen Pfad zur Zielerreichung definiert.

Darüber hinaus unterstützen die Koalitionspartner das Ziel, die europäischen Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Voraussetzung für Investitionen in neue Klimaschutztechnologien ist aus Sicht der Koalition ein verlässliches wirtschaftliches Umfeld.

Emissionshandel als zentrales Steuerungsinstrument

Der Emissionshandel soll als zentrales klimapolitisches Instrument weiterentwickelt werden. Die künftige Regierung will sich für die Fortführung des European Green Deal und des Clean Industrial Act einsetzen, um Klimaschutz mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden. Die CO₂-Bepreisung soll dabei ein wesentlicher Bestandteil des Instrumentenmixes bleiben.

Geplant ist, den Emissionshandel sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene auszuweiten und weitere Länder in ein gemeinsames CO₂-Bepreisungssystem einzubinden. Dabei soll eine wirtschaftlich tragfähige Preisentwicklung gewährleistet werden, um sowohl Industrie als auch soziale Akzeptanz nicht zu überfordern. Im bestehenden Emissionshandelssystem (ETS1) sollen künftig auch negative Emissionen und sogenannte Artikel-6-Zertifikate als Minderungsleistungen berücksichtigt werden – über das Jahr 2038 hinaus.

Einführung des ETS2 und nationale Integration

Union und SPD unterstützen die Einführung eines zweiten europäischen Emissionshandelssystems (ETS2) für Gebäude und Verkehr. Der Übergang des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in dieses neue System ab 2027 soll möglichst bruchlos erfolgen. Um kurzfristige Preissprünge bei CO₂ zu vermeiden, insbesondere für Haushalte und kleine Unternehmen, sollen gezielte Ausgleichsmechanismen greifen.

Finanziell besonders belastete Haushalte möchten die Koalitionspartner durch Mittel aus dem Europäischen Klimasozialfonds unterstützen. Die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung sollen über sozial gestaffelte Entlastungen sowie gezielte Fördermaßnahmen in den Bereichen Wohnen und Mobilität direkt an Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zurückfließen.

Zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit besonders betroffener Branchen sind unbürokratische Ausgleichsmechanismen vorgesehen. Ziel ist eine faire Lastenverteilung, um die gesellschaftliche Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen zu sichern. Die Landwirtschaft soll zunächst nicht in das neue europäische Emissionshandelssystem ETS2 einbezogen werden.

Neuausrichtung im Gebäudesektor

Die Koalitionspartner erkennen an, dass dem Gebäudesektor als entscheidender Hebel zur Emissionsreduktion eine besondere Bedeutung beim Klimaschutz zukommt. Dabei sieht der Koalitionsvertrag einen Paradigmenwechsel vor: Die erreichbare CO₂-Vermeidung soll künftig als zentrale Steuerungsgröße dienen. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll erneuert und technologieoffener, flexibler und einfacher gestaltet werden.
Ergänzend enthält der Koalitionsvertrag weitere Maßnahmen wie steuerliche Anreize für die Sanierung geerbter Immobilien, die befristete Wiedereinführung der EH55-Förderung sowie eine bessere Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung. EU-Vorgaben zur Gebäudeeffizienz sollen pragmatisch umgesetzt, nachhaltige Baustoffe durch neue Aktionspläne gefördert werden.

Industriestandort sichern, Carbon Leakage verhindern

Um Standortverlagerungen energieintensiver Unternehmen („Carbon Leakage“) zu verhindern, möchte die künftige Regierung den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) weiterentwickeln. Sollte CBAM keinen ausreichenden Schutz gewährleisten, sollen kostenfreie Zertifikate als Kompensation bereitgestellt werden.
Zudem wollen die Koalitionspartner den Klimaclub ausbauen, Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen beschleunigen und EU-Richtlinien 1:1 umsetzen. Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie sollen bestehen bleiben und künftig an Kriterien wie die Sicherung von Standorten geknüpft werden.

Klimakriterien im Vergaberecht

Leitmärkte für emissionsarme Produkte sollen gestärkt und das Vergaberecht entsprechend angepasst werden. Ziel ist eine Vereinfachung der Verfahren unter Beibehaltung der Mittelstandsfreundlichkeit. Für bestimmte Sektoren – etwa die Grundstoffindustrie oder sicherheitsrelevante Bereiche – sind gezielte Ausnahmen vorgesehen, unter anderem für Projekte des Schienenverkehrs.

Fazit

Der Koalitionsvertrag 2025 zeigt eine Neuausrichtung in der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. Union und SPD setzen auf technologieoffene Steuerung, wirtschaftliche Anreize und administrative Vereinfachung. Der Erfolg dieser Strategie wird sich daran messen lassen, ob die verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben eingehalten und gleichzeitig wirksame Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden.

 

Explore #more

07.11.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law und KPMG beraten Diehl Defence beim Kauf der Tauber Unternehmensgruppe

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) und die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (KPMG) haben die Diehl Defence beim Erwerb der Tauber Unternehmensgruppe beraten. KPMG Law…

07.11.2025 | KPMG Law Insights

Drastische Änderungen beim H-1B-Visum und potenzielle Folgen für USA-Einsätze und die Einstellungspolitik von US-Unternehmen

Die Regierung von Präsident Trump hat zwei wesentliche Änderungen an dem sehr beliebten H-1B-Visaprogramm für Fachkräfte eingeführt: Die bisherige – zufallsgetriebene – Lotterie wird durch…

07.11.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement auf HAUFE: Wirrwarr um die EU-Entwaldungsverordnung – und was Unternehmen jetzt tun sollten

Eventuell, vielleicht, unter bestimmten Umständen wird die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) nicht wie längst beschlossen am 30. Dezember 2025 für große und mittlere Unternehmen und am 30.…

06.11.2025 | KPMG Law Insights

Fremdpersonal: Behörden verschärfen Prüfung mit KI-Unterstützung

KI ist für viele Unternehmen ein Segen, sie kann aber auch schnell zum Fluch werden, gerade dann, wenn Behörden die Technik nutzen, um Rechtsverstöße von…

06.11.2025 | KPMG Law Insights

Entwaldungsverordnung – Vereinfachung statt Verschiebung?

Im September wollte die EU-Kommission die Entwaldungsverordnung EUDR noch verschieben. Am 21. Oktober 2025 hat sie einen umfassenden Vorschlag für eine Vereinfachung der EUDR veröffentlicht.…

05.11.2025 | KPMG Law Insights

Employer of Record nun doch nicht erlaubnispflichtig – Sinneswandel bei der BA

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat am 1. Oktober 2025 ihre fachlichen Weisungen aktualisiert und im Hinblick auf das sogenannte Employer-of-Record-Modell eine Kehrtwende vollzogen: Die…

03.11.2025 | KPMG Law Insights

CO₂-Differenzverträge: Teilnahme am Vorverfahren ist Voraussetzung für Förderung

Bis zum 1. Dezember 2025 können sich Unternehmen im Vorverfahren für das Programm Klimaschutzverträge um Fördermittel bemühen. Die Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie…

29.10.2025 | KPMG Law Insights

Fondsrisikobegrenzungsgesetz und Standortfördergesetz schaffen neue Spielräume für Infrastrukturfonds

Da das Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes in Höhe von 500 Milliarden Euro voraussichtlich nicht ausreichen wird, um Deutschlands Straßen, Netze und die Energiewende zu finanzieren, setzt…

29.10.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG beim Verkauf an Vienna Insurance Group

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft (KPMG Law) hat den Vorstand der Nürnberger Beteiligungs-AG während des gesamten öffentlichen Übernahmeprozesses durch die Vienna Insurance Group (VIG) durchgehend rechtlich…

29.10.2025 | KPMG Law Insights

BAG zum Paarvergleich: Wie Arbeitgeber mit Gehaltsunterschieden umgehen sollten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine weitere richtungsweisende Entscheidung zur Entgeltgleichheit gefällt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az 8 AZR 300/24) hat es den Anspruch…

Kontakt

Dr. Moritz Püstow

Partner
Solution Line Head Public Sector
Leiter Öffentliches Recht

Heidestraße 58
10557 Berlin

Tel.: +49 30 530199129
mpuestow@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll