Der Klimaschutz hat es im Koalitionsvertrag zu einer Bedeutung geschafft, mit der nicht zu rechnen war. Im Wahlkampf hatte er keine nennenswerte Rolle gespielt. Auch global ist der Klimaschutz unter Druck geraten. Die USA sind erneut aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Die EU will mit dem sogenannten Omnibus-Paket die Nachhaltigkeitsberichterstattung vereinfachen und die Geltung der neuen Pflichten zeitlich verschieben.
Dennoch bekennt die künftige Bundesregierung sich im Koalitionsvertrag zu den nationalen und europäischen Klimazielen. Deutschland soll Industrieland bleiben und gleichzeitig klimaneutral werden. Ziel bleibt die Klimaneutralität bis 2045 – unter Beibehaltung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sozialer Ausgewogenheit und technologischer Innovationskraft. Der Klimawandel wird als globale Herausforderung verstanden, die nur durch gemeinsames Handeln auf internationaler Ebene bewältigt werden kann. Hiermit bekennt sich die kommende Regierung auch zu ihren verfassungsrechtlichen Pflichten. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Klimabeschluss vom März 2021 betont, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen schützen und die Treibhausgase reduzieren muss. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat diese Pflicht in seiner Entscheidung vom 9. April 2024 auch aus den Menschenrechten abgeleitet.
Im Zentrum der Klimapolitik soll die Reduktion von CO₂-Emissionen stehen; gleichzeitig sollen größere unternehmerische Freiheiten geschaffen werden. Dies entspricht dem Leitbild des Koalitionsvertrages vom Bürokratieabbau, mit dem zum Beispiel auch die Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes begründet wird. Es bleibt abzuwarten, ob trotz der größeren Freiheiten die Klimaschutzziele erreicht werden. So sollen bei der Reduktion von CO₂-Emissionen ergänzend auch sogenannte negative Emissionen – also Maßnahmen zur Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre – berücksichtigt werden. Zusätzlich sollen glaubwürdige Emissionsminderungen in Partnerländern angerechnet werden können, sofern diese internationalen und europäischen Standards genügen. Diese Elemente werden im europäischen Emissionshandelssystem und im deutschen Klimaschutzgesetz verankert, das den rechtlich verbindlichen Pfad zur Zielerreichung definiert.
Darüber hinaus unterstützen die Koalitionspartner das Ziel, die europäischen Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Voraussetzung für Investitionen in neue Klimaschutztechnologien ist aus Sicht der Koalition ein verlässliches wirtschaftliches Umfeld.
Der Emissionshandel soll als zentrales klimapolitisches Instrument weiterentwickelt werden. Die künftige Regierung will sich für die Fortführung des European Green Deal und des Clean Industrial Act einsetzen, um Klimaschutz mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden. Die CO₂-Bepreisung soll dabei ein wesentlicher Bestandteil des Instrumentenmixes bleiben.
Geplant ist, den Emissionshandel sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene auszuweiten und weitere Länder in ein gemeinsames CO₂-Bepreisungssystem einzubinden. Dabei soll eine wirtschaftlich tragfähige Preisentwicklung gewährleistet werden, um sowohl Industrie als auch soziale Akzeptanz nicht zu überfordern. Im bestehenden Emissionshandelssystem (ETS1) sollen künftig auch negative Emissionen und sogenannte Artikel-6-Zertifikate als Minderungsleistungen berücksichtigt werden – über das Jahr 2038 hinaus.
Union und SPD unterstützen die Einführung eines zweiten europäischen Emissionshandelssystems (ETS2) für Gebäude und Verkehr. Der Übergang des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in dieses neue System ab 2027 soll möglichst bruchlos erfolgen. Um kurzfristige Preissprünge bei CO₂ zu vermeiden, insbesondere für Haushalte und kleine Unternehmen, sollen gezielte Ausgleichsmechanismen greifen.
Finanziell besonders belastete Haushalte möchten die Koalitionspartner durch Mittel aus dem Europäischen Klimasozialfonds unterstützen. Die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung sollen über sozial gestaffelte Entlastungen sowie gezielte Fördermaßnahmen in den Bereichen Wohnen und Mobilität direkt an Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zurückfließen.
Zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit besonders betroffener Branchen sind unbürokratische Ausgleichsmechanismen vorgesehen. Ziel ist eine faire Lastenverteilung, um die gesellschaftliche Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen zu sichern. Die Landwirtschaft soll zunächst nicht in das neue europäische Emissionshandelssystem ETS2 einbezogen werden.
Die Koalitionspartner erkennen an, dass dem Gebäudesektor als entscheidender Hebel zur Emissionsreduktion eine besondere Bedeutung beim Klimaschutz zukommt. Dabei sieht der Koalitionsvertrag einen Paradigmenwechsel vor: Die erreichbare CO₂-Vermeidung soll künftig als zentrale Steuerungsgröße dienen. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll erneuert und technologieoffener, flexibler und einfacher gestaltet werden.
Ergänzend enthält der Koalitionsvertrag weitere Maßnahmen wie steuerliche Anreize für die Sanierung geerbter Immobilien, die befristete Wiedereinführung der EH55-Förderung sowie eine bessere Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung. EU-Vorgaben zur Gebäudeeffizienz sollen pragmatisch umgesetzt, nachhaltige Baustoffe durch neue Aktionspläne gefördert werden.
Um Standortverlagerungen energieintensiver Unternehmen („Carbon Leakage“) zu verhindern, möchte die künftige Regierung den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) weiterentwickeln. Sollte CBAM keinen ausreichenden Schutz gewährleisten, sollen kostenfreie Zertifikate als Kompensation bereitgestellt werden.
Zudem wollen die Koalitionspartner den Klimaclub ausbauen, Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen beschleunigen und EU-Richtlinien 1:1 umsetzen. Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie sollen bestehen bleiben und künftig an Kriterien wie die Sicherung von Standorten geknüpft werden.
Leitmärkte für emissionsarme Produkte sollen gestärkt und das Vergaberecht entsprechend angepasst werden. Ziel ist eine Vereinfachung der Verfahren unter Beibehaltung der Mittelstandsfreundlichkeit. Für bestimmte Sektoren – etwa die Grundstoffindustrie oder sicherheitsrelevante Bereiche – sind gezielte Ausnahmen vorgesehen, unter anderem für Projekte des Schienenverkehrs.
Der Koalitionsvertrag 2025 zeigt eine Neuausrichtung in der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. Union und SPD setzen auf technologieoffene Steuerung, wirtschaftliche Anreize und administrative Vereinfachung. Der Erfolg dieser Strategie wird sich daran messen lassen, ob die verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben eingehalten und gleichzeitig wirksame Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden.
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