Am 27. November 2023 hat nach dem Europäischen Parlament nun auch der Europäische Rat den Data Act angenommen. Damit ist dieser final verabschiedet.
Die EU-Kommission hatte am 23. Februar 2022 den Vorschlag für eine Verordnung über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Zugang zu und eine faire Nutzung von Daten (Data Act) eingebracht. Nach mehreren Verhandlungsrunden erzielten das EU-Parlament und der EU-Rat am 28. Juni 2023 eine vorläufige Einigung über den Inhalt des Data Acts. Das europäische Parlament hatte der Verordnung am 9. November 2023 zugestimmt, sodass nun mit der Zustimmung des Rates der letzte formelle Schritt im Gesetzgebungsverfahren erfolgt ist.
In den kommenden Wochen wird die neue Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie wird am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Die Verordnung gilt nicht ab sofort, sondern erst 20 Monate nach ihrem Inkrafttreten. Ausnahme hiervon ist Art. 3 Abs. 1 des Data Acts: Dieser enthält die Verpflichtung, vernetzte Produkte und verbundene Dienste so zu konzipieren und herzustellen beziehungsweise zu erbringen, dass ein Zugriff der Nutzenden auf ihre Daten standardmäßig einfach, sicher und unentgeltlich möglich ist. Diese Vorschrift wird nur für Produkte gelten, die 32 Monate nach dem Inkrafttreten des Data Acts in Verkehr gebracht werden.
Der Data Act ist – genau wie der AI Act und der Digital Services Act – Teil der europäischen Datenstrategie. Ziel des Data Acts ist es, die EU zu einem Vorreiter in der datengesteuerten Gesellschaft zu machen und den fairen Zugang zu sowie die faire Nutzung von Daten zu gewährleisten.
Alle Akteure der Datenwirtschaft sollen einen interessengerechten Zugang zu industriellen Daten bekommen. Nach Angaben der EU-Kommission werden 80 Prozent der gesammelten Industriedaten nie genutzt. Der Data Act soll die Grundlage für eine EU-weite Data-Sharing-Economy legen und durch verbesserte Nutzbarmachung von Industriedaten ungenutzte Potenziale bei der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle heben. Ziel der EU-Kommission ist hierbei auch ausdrücklich eine Verschiebung der Marktmacht großer Unternehmen und Plattformen, die als „gatekeeper“ fungieren, hin zu KMUs und Verbraucher:innen. Das sind die Eckpunkte:
Fallen bei der Nutzung von vernetzten Produkten nicht-personenbezogene Daten an, benötigen die Hersteller dieser Produkte einen Vertrag mit den Nutzer:innen, um die Daten verarbeiten zu dürfen. Nutzer:innen können sogar verlangen, dass der Anbieter die Daten kostenlos und unverzüglich Dritten zur Verfügung stellt.
Nutzer:innen sollen einen Anspruch erhalten, jederzeit Zugang zu den von ihnen im Umgang mit Produkten oder Diensten erzeugten Daten zu erlangen. Dabei sieht das Gesetz für die Produktentwicklung eine Verpflichtung zur „Accessability by Design“ vor, wonach Produkte und Services so gestaltet werden sollen, dass Nutzende direkt auf nutzergenerierte Daten zugreifen können. Wenn diese die Daten nicht direkt innerhalb des Produkts auslesen können, sind Anbieter verpflichtet, den Nutzenden die Daten unverzüglich kostenlos – und im Einzelfall sogar kontinuierlich und in Echtzeit – zur Verfügung zu stellen.
Daneben haben Hersteller und Anbieter vernetzter Produkte künftig vorvertragliche Aufklärungspflichten bezüglich Einzelheiten der Datennutzung und über bestehende Nutzerrechte, die denen der DSGVO ähnlich sind.
Der Data Act enthält ein Verbot unfairer Vertragsklauseln in Standardverträgen zu Datennutzung und -lizensierung. Die Verbote erinnern stark an das deutsche AGB-Recht und sehen eine katalogartige Aufzählung von Vertragsinhalten vor, deren Vereinbarung zur Unwirksamkeit einzelner Klauseln oder im Extremfall des gesamten Vertrages führen kann. Neben den aufgezählten Klauselinhalten sind insbesondere Klauseln unwirksam, die in grober Weise von der „guten kaufmännischen Praxis des Datenzugangs und der Datennutzung“ abweichen.
Der Wechsel von Anbietern im Bereich der Datenverarbeitung – also insbesondere Cloud- und Edgeservices – soll für Kund:innen zukünftig wesentlich erleichtert werden. So sieht der Data Act insbesondere vor, dass Anbieter sämtliche kommerziellen, technischen, vertraglichen und organisatorischen Hindernisse ausräumen müssen, die Kund:innen davon abhalten, den Vertrag mit einer Frist von höchstens 30 Tagen zu kündigen, einen Vertrag mit einem neuen Anbieter zu schließen, die Daten oder Anwendungen und andere „digital assets“ auf einen anderen Service zu übertragen. Hierzu sollen die Anbieter verpflichtet werden, die Interoperabilität ihrer Services durch die Nutzung offener Standards und Schnittstellen zu gewährleisten.
In Ausnahmefällen sieht der Data Act auch ein Zugriffsrecht öffentlicher Stellen auf Daten vor. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die öffentliche Stelle ein Unternehmen explizit zur Offenlegung auffordert und sich dabei auf Grund eines besonderen Bedürfnisses („special need“) an dieses wendet. Solche besonderen Bedürfnisse bestehen nach dem Data Act insbesondere bei Notfällen oder sofern der Zugriff zur Aufgabenerfüllung der Behörde erforderlich ist (zum Beispiel Pandemien).
Für Verstöße sieht der Data Act erhebliche Sanktionen vor. Bußgelder können bis zu 20.000.000 Euro beziehungsweise bis zu 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Die Höhe der Bußgelder erinnert an die DSGVO.
Auffällig ist, dass der Data Act die Verarbeitung industrieller Daten regulatorisch näher an die Verarbeitung personenbezogener Daten rückt, indem er das Recht zur Verwendung der Daten originär den Nutzenden zuordnet und diesen weitreichende Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich deren Verwendung einräumt. Eine konkrete Aussage zu dem Thema „Dateneigentum“ ist allerdings nicht getroffen worden.
Der Data Act stellt einen wesentlichen Eingriff in die Vertragsgestaltungsfreiheit der betroffenen Akteure bei Datennutzungsverträgen dar. Welche Folgen das haben wird, wird sich zeigen, wenn die Verordnung gilt.
Unternehmen sollten spätestens jetzt mit der Umsetzung der Vorgaben des Data Acts beginnen, denn es steht fest, dass der Data Act zahlreiche Verpflichtungen für Digitalunternehmen mit sich bringt, die zum Teil nur in langfristigen und umfangreichen Prozessanpassungen gewährleistet werden können.
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