I. Einleitung
Die Frage, wie Fremdpersonal rechtssicher eingesetzt werden kann, hat in den letzten Jahren für Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Zudem beschäftigen sich die Behörden immer intensiver mit diesem Thema. Betroffen sind im Grundsatz alle Unternehmen, die externe Dienstleister oder Werkunternehmer für sich tätig werden lassen, unabhängig davon, ob natürliche oder juristische Personen beauftragt werden.
In verunglückten Konstellationen stellt sich aus Sicht der Behörden grundsätzlich die Frage, ob eine Steuerverkürzung und damit möglicherweise eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) vorliegt und ob gegebenenfalls durch die nicht erfolgte Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen Arbeitsentgelt vorenthalten oder veruntreut wurde, was nach § 266a StGB strafbar sein kann. Die Folge ist, dass in diesen Fällen häufig Ermittlungsverfahren gegen die im Unternehmen verantwortlichen Personen eingeleitet werden. Davon können gesetzliche Vertreter wie Vorstände oder Geschäftsführer sowie beauftragte Personen (bspw. Leiter Steuern, Einkauf, HR etc.) betroffen sein. Für Vorstände und Geschäftsführer kann sich im Falle einer Verurteilung nach § 266a StGB ein fünfjähriges Berufsverbot ergeben (§ 76 AktG, § 6 GmbHG). Zudem kommen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten, wie Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG) oder Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 16 AÜG) in Betracht, die sich sowohl gegen die Leitungspersonen als auch gegen das Unternehmen selbst (§ 30 OWiG) richten können. Schließlich besteht für die verantwortlichen Personen im Unternehmen auch ein Risiko, persönlich in Haftung genommen zu werden.
II. Aktuelle Entwicklung
Laut der zuletzt veröffentlichten Jahresstatistik der Generalzolldirektion für das Jahr 2018 wurden 53.491 Arbeitgeber überprüft, eine Schadenssumme von rund 835 Mio. Euro ermittelt und infolge der festgestellten Verstöße über 1.700 Jahre Freiheitsstrafen verhängt.
Um Risiken zu vermeiden, sollten sich Unternehmen auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen und deren intensive Überprüfung durch die Behörden einstellen. Das bedeutet, dass der Einsatz von Fremdpersonal entlang von rechtskonformen Prozessen gezielt gesteuert und laufend überwacht werden sollte. Um dies zu gewährleisten, ist ein wirkungsvolles Compliance-Management System (CMS) empfehlenswert, welches im Idealfall durch IT-basierte-Lösungen eine effiziente Überwachung und Steuerung ermöglicht.
III. Im Fokus stehende Konstellationen
Beim Einsatz von Fremdpersonal stehen im Wesentlichen zwei Grundkonstellationen im Fokus der Behörden. Die weitaus bekannteste Konstellation ist der Einsatz von Fremdpersonal mit einer direkten Vertragsbeziehung zum Unternehmen. Ein Selbständiger, auch freier Mitarbeiter oder Freelancer genannt (z.B. Softwareentwickler, Grafikdesigner, Künstler, Webdesigner, Ingenieur oder auch Interim-Manager) schließt mit dem Unternehmen einen Dienst- oder Werkvertrag und erbringt die Leistung höchstpersönlich. Nach unserer Erfahrung liegt der Anteil solcher Vertragsverhältnisse mit Fremdpersonal in Unternehmen bei ca. 15 %.
Am häufigsten (ca. 85 %) wird Fremdpersonal ohne direkte Vertragsbeziehung zum Unternehmen eingesetzt. Der Dienst- oder Werkvertrag wird dabei zwischen dem Unternehmen und einer juristischen Person geschlossen. Die Leistung aus dem Vertrag wird von einer dritten Person erbracht, die entweder selbständig oder Arbeitnehmer beim Auftragnehmer ist. Im letzteren Fall erfolgt der Einsatz des Arbeitnehmers dann gerade nicht auf Basis einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung. Häufig findet man diese Art des Fremdpersonaleinsatzes ebenfalls im Bereich der Softwareentwicklung aber auch in den Bereichen Lohnbuchhaltung (Payroll) sowie Empfangs-, Hausmeister- und Reinigungsservice.
IV. Abgrenzung zu Arbeitnehmern
Beim Einsatz von Fremdpersonal im Unternehmen ist besonders wichtig, dass das Fremdpersonal nicht wie ein Arbeitnehmer in die betriebliche Organisation eingegliedert und auch keinen Weisungen unterworfen ist. Werden dabei Fehler gemacht, ist die Gefahr groß, dass das eingesetzte Fremdpersonal als abhängiger Beschäftigter (Arbeitnehmer) zu behandeln ist (sog. Scheinselbständigkeit oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung).
Eine solche abhängige Beschäftigung kann beispielsweise vorliegen, wenn dem Fremdpersonal Beginn, Ende oder Dauer der Arbeitszeit vorgegeben wird, ein Arbeitsplatz oder Betriebsmittel (CAD-Lizenzen, Laptop, E-Mail etc.) des Unternehmens zur Verfügung gestellt werden, eine Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern des Unternehmens stattfindet, das Fremdpersonal über einen langen Zeitraum bzw. in hohem zeitlichen Umfang tätig wird und/oder eine verstetigte, nicht aufwandbezogene monatliche Vergütung bezahlt wird.
Bei der Beurteilung eines solchen Fremdpersonaleinsatzes ist stets das Gesamtbild des Einsatzes von entscheidender Bedeutung. Die vorhandenen Indizien sind jeweils einzelfallbezogen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Dabei ist nicht nur der Wortlaut des Vertrages, sondern auch die die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses in der täglichen Praxis von besonderer Bedeutung.
V. Drohende Konsequenzen
Arbeitsrechtliche Konsequenz einer abhängigen Beschäftigung ist, dass – ggf. seit Tätigkeitsbeginn – ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Fremdpersonal und dem beauftragenden Unternehmen zustande gekommen ist.
Besteht ein Arbeitsverhältnis, so hat dies unter anderem auch sozialversicherungsrechtliche sowie steuerliche Konsequenzen.
Der Auftraggeber („Arbeitgeber“) haftet für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie für die nicht ordnungsgemäß einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer, zuzüglich möglicher Säumniszuschläge. Zudem ist die aus den von dem Auftragnehmer erhaltenen Rechnungen zu Unrecht gezogene Vorsteuer an die Finanzbehörde zurück zu zahlen und zu verzinsen. Der Nachzahlungszeitraum kann sich hinsichtlich der Sozialversicherung auf bis zu dreißig und hinsichtlich Lohnsteuer und Umsatzsteuer auf bis zu dreizehn Jahre erstrecken. Aufgrund der langen Zeiträume kann ein erhebliches finanzielles Risiko für das Unternehmen entstehen. Dies wird verschärft, wenn mehrere Auftragsverhältnisse gleichzeitig risikobehaftet sind.
Schließlich ergibt sich für den Auftraggeber auch ein erhebliches Haftungsrisiko hinsichtlich der fehlenden Unfallversicherung (z.B. wg. Heilbehandlung, Reha oder Verletztenrente eines „Arbeitnehmers“), welche das Unternehmen als „Arbeitgeber“ hätte abschließen müssen.
VI. Vorgehen bei aufgedeckten Risiken
Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der steuerlichen Festsetzungsfrist, dass eine Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder gekommen ist, so ist er nach § 153 AO verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und eine Richtigstellung vorzunehmen. Eine Steuererklärung ist insbesondere auch dann unvollständig, wenn die rechtliche Relevanz von Sachverhaltselementen zweifelhaft ist. Dieser Fall ist oft im Bereich der Überlassung von Fremdpersonal gegeben, da die Abgrenzung zum Arbeitnehmer auf vielen Faktoren beruht und eine Einzelfallentscheidung darstellt. Unterlässt der Steuerpflichtige eine solche Berichtigung, so begeht er eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) durch Unterlassen. Daher ist eine unverzügliche Offenlegung in solchen Fällen unbedingt erforderlich.
Erfahrungsgemäß prüft die Finanzverwaltung bei Fällen dieser Art die subjektiven Kriterien einer möglichen Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit häufig nicht sorgfältig, sondern unterstellt zunächst vorsätzliches bzw. leichtfertiges Verhalten in der Vergangenheit. Die Folge ist die Einleitung von Straf- oder Bußgeldverfahren, gegen die Geschäftsführung bzw. andere Verantwortliche im Unternehmen oder Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen selbst. Daher kann es empfehlenswert sein, eine Offenlegung gegenüber den Finanzbehörden durch die im Steuerrecht bestehende Möglichkeit der straf- bzw. bußgeldbefreienden Selbstanzeige (§ 371 bzw. § 378 AO) abzusichern.
Parallel zur Offenlegung gegenüber den Finanzbehörden sollte i.d.R. die Mitteilung an die Rentenversicherung wegen der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge erfolgen. In Bezug auf § 266a StGB (Vorenthalten oder Veruntreuen von Arbeitsentgelt) ist zwar eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht möglich, die Mitteilung findet aber in jedem Fall Berücksichtigung bei der Bemessung einer möglichen Strafe. Zudem können die Behörden untereinander Informationen austauschen, was in der Praxis auch erfolgt.
VII. Unsere Expertise
Gerne unterstützen wir Sie bei einer Bestandsanalyse sowie bei der Prüfung und Abgrenzung von Sachverhalten. Ggf. unterstützen wir auch bei einer vorsorglichen Offenlegung gegenüber den Behörden, welche nach Möglichkeit vorsorglich auch die Voraussetzungen einer Selbstanzeige erfüllt oder verteidigen Sie gegenüber den Behörden. Hierbei können wir zur Unterstützung je nach Bedarf auf flexible und effiziente IT-Lösungen zurückgreifen, die sich in der Praxis schon vielfach bewährt haben.
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