Die Flexibilisierung der zu leistenden Arbeitszeit bei Sicherstellung der Abrufbarkeit liegt vor allem im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers und ist daher nach den vom Bundesarbeitsgericht (BAG) aufgestellten und inzwischen im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) kodifizierten Grundsätzen nur in einem begrenzten Umfang zulässig. In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) kann ein nicht durch sachliche Gründe zu rechtfertigender Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vorliegen, wenn Versorgungsanwartschaften bei Mitarbeitergruppen mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen ungleich berechnet werden, weil nur bestimmte zur Berechnung herangezogene Arbeitsentgelte als pensionsfähig eingestuft werden. Wann selbst die Tarifautonomie eine derartige Ausgestaltung der Versorgungssysteme nicht wirksam vornehmen kann und auf welche Kriterien es für die rechtliche Beurteilung ankommt, wurde aktuell vom BAG in seinem Urteil vom 23. Februar 2021 (3 AZR 618/19) entschieden. Wir fassen für Sie zusammen.
In der gegenständlichen Entscheidung hatte das BAG über die Klage eines Arbeitnehmers zur Berechnung seiner Betriebsrente zu entscheiden. Es ging im Kern um Frage, ob die einschlägige Regelung zur Bestimmung der pensionsfähigen Bezüge eine unerlaubte Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten beinhaltete.
Der Arbeitsvertrag sah eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit vor. Als monatliche Grundarbeitszeit war lediglich ein Umfang von 40 Stunden vorgesehen. Diese Grundarbeitszeit konnte im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhöht werden („Arbeit auf Abruf“). Über einen Zeitraum von rund 12 Jahren arbeitete der Kläger durchschnittlich mehr als 130 Stunden im Monat. Die Arbeitszeit lag damit zwar noch ein wenig unterhalb der eines Vollzeitmitarbeiters, allerdings um ein Mehrfaches über der vereinbarten Grundarbeitszeit.
In dem per Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag war vorgesehen, dass die bAV des Arbeitnehmers nur nach der Höhe des für die Grundarbeitszeit gezahlten Gehalts (= 40 Stunden/Monat) berechnet wird. Die von dem beklagten Arbeitgeber berechneten bAV-Ansprüche des Arbeitnehmers lagen somit deutlich unterhalb dessen, was sich bei Vereinbarung einer Vollzeitarbeit bzw. jedenfalls einer Grundarbeitszeit von mind. 130 Stunden/Monat ergeben hätte. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer und beantragte festzustellen, dass der Arbeitgeber sein pensionsfähiges Einkommen auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit bis zum jeweiligen Monatsstundenvolumen eines Vollzeitmitarbeiters zu berechnen hat.
Dem Verfahren ging ein Rechtstreit über den Umfang der arbeitsvertraglich vereinbarten Regelarbeitszeit des Klägers voraus, der 2017 vor einer anderen Kammer des BAG (10 AZR 620/16) im Vergleichsweg endete.
Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht und stellte fest, dass die tarifvertragliche Regelung zur Berechnung der bAV allein nach Maßgabe der Grundarbeitszeit gleichheitswidrig und daher nichtig ist (§ 134 BGB): Bei der Berechnung der Versorgung sei die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zugrundzulegen.
Den Tarifvertragsparteien steht wegen der in Art. 9 Grundgesetz (GG) geschützten Tarifautonomie ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sieht das BAG erst dann begründet, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie aus Gerechtigkeitserwägungen zwingend hätten berücksichtigt werden müssen.
In Bezug auf die Gestaltung der bAV bedeutet dies: Die Tarifvertragsparteien können die Höhe der Versorgung und die dafür maßgeblichen Entgeltkomponenten grundsätzlich frei bestimmen. Eine Grenze sieht das BAG indessen überschritten, wenn Arbeitnehmer neben ihrer Grundarbeitszeit regelhaft und verstetigt Zusatzarbeit bis hin zur Vollzeitarbeit leisten, die nicht rentenwirksam ist, während andere Mitarbeiter mit einer höheren Grundarbeitszeit hieraus weitere Versorgungsanwartschaften erwerben.
Das BAG sieht Arbeitnehmer auf Abruf und Arbeitnehmer mit fest vereinbarter Arbeitszeit insofern als vergleichbar an und verneint einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die bAV, die Versorgungs- und Entgeltcharakter habe. Soweit Arbeitnehmer regelhaft und verstetigt vergütete Arbeitsleistungen erbringen, liege eine Tätigkeit vor, die es nach dem Entgeltzweck der bAV rechtfertige, bei der Berechnung von Versorgungsansprüchen berücksichtigt zu werden. Entgeltbestandteile, die aufgrund der praktischen Handhabung feststehen und damit den Lebensstandard typischerweise prägen, dürften nicht zu Lasten der bAV außer Acht bleiben.
Das BAG argumentiert in seiner Begründung anfangs eng an der dem Fall zugrundeliegenden Erhöhung der Arbeitszeit per Abruf, lässt sich aber am Ende der Entscheidung dazu ein, dass auch Fälle der regelmäßigen Leistung von Überstunden zu einer Erhöhung der geschuldeten Arbeitszeit führen können und somit auch im Rahmen des festgelegten Versorgungsniveaus für die Berechnung einer an die vertragliche Arbeitszeit anknüpfenden bAV zu berücksichtigen sein können.
Am Rande führt das BAG zum vorherigen Prozessvergleich zwischen den Parteien aus und trifft auch hier eine wesentliche und praxisrelevante Aussage mit Hinblick auf die bAV: Bei der Auslegung eines Prozessvergleichs sind an den Willen, auf Versorgungsansprüche zu verzichten, hohe Ansprüche zu stellen. Durch einen solchen Vergleich werde regelmäßig nur der Streit über den konkreten Gegenstand des Verfahrens erledigt.
Die Entscheidung ist ein Weckruf für Arbeitgeber, deren Versorgungssystem bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaften an bestimmte Arbeitsentgelte im Zusammenhang mit der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit anknüpft. Soweit in solchen Konstellationen flexible Arbeitszeitmodelle mit einem variablen Umfang der Arbeitszeit zur Anwendung kommen (sollen) oder für in Teilzeit bzw. auf Abruf beschäftigte Mitarbeiter tatsächlich regelmäßig Überstunden anfallen, kann die Nichtberücksichtigung von diesen Arbeitszeiten bei der bAV zu erheblichem nicht einkalkulierten Aufwand führen.
Wie soll in der Praxis nach der Art der Mehrarbeit differenziert werden? Eine Möglichkeit zeigt das BAG auf: Der Arbeitgeber kann sich zur Bestimmung des pensionsfähigen Gehalts an der Berechnungslogik von § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz orientieren. Die Vorschrift sieht eine Unterscheidung zwischen zusätzlichen (nicht berücksichtigungsfähigen) Überstunden und der regelmäßigen (ggf. von der vertraglichen Regelung abweichenden) Arbeitszeit vor.
Bei Fallgestaltungen des Anfallens „ungeplanter (Mehr-)Arbeit“ in signifikantem Umfang sehen sich Arbeitgeber u.U. Jahre später mit einer Darlegungs- und Beweislast konfrontiert, der sie nicht mit eigenen Angaben zu Hintergrund und Umfang geleisteter (Mehr-)Arbeit gerecht werden können. Nach der im Arbeitsrecht geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast müssen Arbeitnehmer nur die insgesamt geleistete Arbeitszeit nachweisen. Dagegen obliegt es dem Arbeitgeber, die insoweit dargelegten Arbeitszeiten zu widerlegen.
In Bezug auf die bAV ist somit der Nachweis erforderlich, dass die über die vertragliche Regelung hinausgehende Arbeitszeit (ggf. teilweise) aus unvorhergesehenem, gerade nicht regelmäßigem Arbeitsaufwand resultiert. In diesem Fall dürften nicht verstetigte Arbeitszeiten unberücksichtigt bleiben. Bei entsprechender Dokumentation kann das Risiko „ausufernder“ Versorgungsansprüche vermieden werden.
Die Entscheidung zeigt abermals wie elementar wichtig die bAV ist für beide Arbeitsvertragsparteien: Insbesondere für durch bestimmte Arbeitszeitmodelle gering verdienende Mitarbeitergruppen mag sich die Frage der Gleichbehandlung in der Vergütung (nochmals) im Rentenalter stellen. Für die Unternehmen ist das nachhaltige Management der langlebigsten Verpflichtungen aus den Versorgungszusagen stets ein „Remember bAV!“ wert.
Arbeitgeber mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und regelmäßiger Mehrarbeit sollten frühzeitig ihre Versorgungssysteme analysieren, um unerwartete Belastungen zu vermeiden. Auch aktuelle Konzepte zur Flexibilisierung der Arbeit wie „New Work“ und „Arbeit 4.0“ sollten in Bezug auf die bAV betrachtet werden. Eine gute Konzeptionierung und ein fortlaufendes Überprüfen der Versorgungssysteme auf regulatorischen wie wirtschaftlichen Anpassungsbedarf, bedarfsgerechte Gestaltungsoptionen und Dokumentationen können helfen, Risiken zu reduzieren.
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