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30.06.2021 | KPMG Law Insights

Betriebliche Altersversorgung – BaFin veröffentlicht Mindestanforderungen für Geschäftsorganisation und eigene Risikobeurteilung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung

BaFin veröffentlicht Mindestanforderungen für Geschäftsorganisation und eigene Risikobeurteilung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat zum Jahreswechsel am 30. Dezember 2020 die an Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) gerichteten Rundschreiben 08/2020 (VA) zu den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation (MaGo für EbAV) und 09/2020 (VA) zu den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an die eigene Risikobeurteilung (ERB) veröffentlicht. Der Veröffentlichung war eine Konsultation im Sommer letzten Jahres vorangegangen. Der Erlass der Rundschreiben war lange erwartet – wir haben für Sie die wesentlichen Inhalte und Neuerungen zusammengefasst.

 

  1. Ausgangspunkt und Zielsetzung

Die BaFin ist als Aufsichtsbehörde gemäß der Umsetzung der Vorgaben der RL (EU) 2016/2341 (EbAV II Richtlinie) im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) für die Beaufsichtigung von EbAV (Pensionskassen und Pensionsfonds) zuständig.

Mit den aktuellen Rundschreiben, die nun nach einer vorangegangenen Konsultationsphase von August bis Ende September 2020 veröffentlicht wurden, stellt die BaFin aktualisierte Anforderungen an EbAV.

EbAV unterfallen nicht den Anforderungen der RL (EU) 2009/138/EG (Solvency II Richtlinie) und werden daher nicht von den MaGo gemäß dem BaFin-Rundschreiben 2/2017 (VA) erfasst.

Die BaFin bündelt mit der Veröffentlichung des Rundschreibens 08/2020 (VA) ihre Erwartungen an die Ausgestaltung der Geschäftsorganisation der EbAV nach den §§ 23 ff. i.V.m. §§ 234a ff. VAG. Das Rundschreiben 08/2020 (VA) tritt zwar erst zum 1. Juni 2021 in Kraft. Die BaFin erwartet aber, dass sich EbAV ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung mit den Anforderungen auseinandersetzen und die Frist bis zum 1. Juni 2021 aktiv für notwendige Anpassungen nutzen.

Das Rundschreiben 09/2020 (VA) enthält dagegen Hinweise zur Auslegung von Vorschriften über die ERB gemäß § 234d VAG für Pensionskassen bzw. § 237 VAG für Pensionsfonds. Es ist mit seiner Veröffentlichung am 30. Dezember 2020 in Kraft getreten.

Die BaFin legt in den Rundschreiben 08/2020 und 09/2020 die für die Geschäftsorganisation sowie die für die eigene Risikobeurteilung relevanten Vorschriften des VAG verbindlich aus. Ziel dieser Auslegung ist die Sicherstellung einer durchgängigen u

nd einheitlichen Anwendung der maßgeblichen Vorschriften.

Die Vorgaben aus den beiden Rundschreiben bilden gleichzeitig den Prüfungsmaßstab der BaFin und sollen den EbAV als Anknüpfungspunkt für die nach der Aufsichtspraxis der BaFin erforderlichen Maßnahmen dienen.

 

  1. Wesentliche Inhalte

Die Rundschreiben enthalten insbesondere die folgenden Schwerpunktthemen:

  • MaGo-Rundschreiben 08/2020

Das Rundschreiben 08/2020 (VA) konkretisiert das bei der Umsetzung der Anforderungen an die Geschäftsorganisation relevante Proportionalitätsprinzip, insbesondere die im Vergleich zu Solvency II Unternehmen zusätzlich in den §§ 234a bis 234c VAG angesprochenen Kriterien der „Größenordnung der Tätigkeiten“ (u.a. Bilanzsumme), „Größe“ (u.a. Zahl der Mitarbeiter) und „interne Organisation“ (u.a. interne Aufbau- und Ablauforganisation) der EbAV. Dabei stellt die BaFin klar, dass die Kriterien „Größe“ und „interne Organisation“ auch außerhalb der gesetzlichen Regelungen als allgemeine Indikatoren in die Proportionalitätserwägungen einbezogen werden können. Dies soll den EbAV eine flexible und angemessene Umsetzung der Anforderungen an die Geschäftsorganisation ermöglichen.

Die Verantwortung für das Risikomanagement ist – wie in den MaGo für Versicherungsunternehmen – der gesamten Geschäftsleitung zugewiesen. Diese hat dafür zu sorgen, dass das Risikomanagementsystem wirksam ausgestaltet ist. Dies umfasst angemessene Prozesse und Berichtsverfahren, die insbesondere gewährleisten, dass einerseits über alle bedeutsamen Risiken informiert und andererseits auch das Risikomanagementsystem aktiv überwacht, analysiert und ggf. verbessert wird.

Darüber hinaus enthält das Rundschreiben u.a. auch wesentliche Aspekte zu Schlüsselfunktionen und zum Ausgliederungsbeauftragten, insbesondere für den Fall, dass diese Personen zugleich ähnliche Aufgaben für den Träger der EbAV wahrnehmen und daher dem Risiko von Interessenkonflikten ausgesetzt sind.

Schließlich stellt die BaFin auch klar, dass die Anforderungen an die Geschäftsorganisation auch von EbAV ohne Mitarbeiter zu erfüllen sind und insoweit keine generellen Erleichterungen bestehen.

  • ERB-Rundschreiben 09/2020

In dem Rundschreiben 09/2020 (VA) wird klargestellt, dass die ERB als zeitlich abgegrenzter und inhaltlich in § 234d VAG beschriebener Bestandteil des Risikomanagementsystems folgenden Mindestanforderungen zur Dokumentation genügen muss:

  • Festlegung interner Leitlinien zum Ablauf der ERB,
  • schriftliche Dokumentation der Durchführung der ERB und
  • schriftlicher Bericht über die durchgeführte ERB (ERB-Bericht).

Die Pflicht zur Erstellung eines ERB-Berichts besteht für EbAV mit einer Bilanzsumme von mehr als 1 Milliarde Euro zum 31. Dezember 2019 sowie für Pensionskassen, die zusätzliche Berichtspflichten zum Umgang mit der Niedrigzinsphase zu erfüllen haben bzw. der intensivierten Aufsicht der BaFin unterliegen („Gruppe 1“), grundsätzlich erstmals mit Prüfungsstichtag zum 31. Dezember 2020. Die Prüfung ist bis zum 30. September 2021 abzuschließen und der ERB-Bericht innerhalb von zwei Wochen (bis zum 14. Oktober 2021) der BaFin vorzulegen.

Für alle anderen EbAV („Gruppe 2“) gelten die gleichen Fristen, allerdings verschiebt sich die Berichtspflicht um ein Jahr. Abweichungen von den genannten Fristen sind für beide Gruppen zulässig, soweit das Geschäftsjahr vom Kalenderjahr entkoppelt ist.

In dem ERB-Bericht ist auf die Anforderungen gemäß § 234d Abs. 2 S. 1 Nrn. 1-8 VAG einzugehen. Diese umfassen neben den Risiken in Bezug auf die Auszahlung von Altersversorgungsleistungen (Nr. 5) und die Mechanismen zum Schutz solcher Leistungen (Nr. 6) insbesondere auch die Beurteilung des gesamten Finanzierungsbedarfs und die Beschreibung von Maßnahmen zur Deckung dieses Bedarfs (Nr. 4).

 

  1. Fazit

EbAV sollten nun schnell reagieren und prüfen, ob die bereits implementierten Maßnahmen und Prozesse den Anforderungen der BaFin genügen, sowie die erforderlichen Schritte für hinzugekommene Maßnahmen einleiten.

Wie die jüngere Vergangenheit gezeigt hat, sind EbAV insbesondere im aktuellen Niedrigzinsumfeld zu einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit ihrem Risikomanagement und ihrer Risikobeurteilung gezwungen, um ihre finanzielle Stabilität zu sichern und Risiken für Trägerunternehmen sowie Versorgungsberechtigte zu vermeiden.

Dazu bedarf es einer genauen Analyse der bereits implementierten Maßnahmen und Prozesse, um Schwachstellen vor dem Hintergrund der regulatorischen Anforderungen zu identifizieren und zu beseitigen.

Als Experten in allen Bereichen der betrieblichen Altersversorgung unterstützen wir Sie gerne bei der Prüfung und Anwendung der regulatorischen Vorgaben. Dabei haben wir stets das von der BaFin hervorgehobene Proportionalitätsprinzip im Blick, um den Aufwand und das Gewicht etwaiger erforderlichen Maßnahmen auf die individuellen Umstände der EbAV zuzuschneiden.

Umsetzungserfordernisse können wir dabei nicht nur aus materiellrechtlicher Sicht beurteilen und begleiten. Im Zusammenspiel mit den Experten der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und deren Expertise in den Bereichen Bilanzen, Versicherungsmathematik und Steuern bieten wir Ihnen umfassende bAV-Expertise aus einer Hand.

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