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14.09.2017 | KPMG Law Insights

Betriebliche Altersversorgung – Ablauf der Übergangsfrist: Dynamische Auslegung der BAV-Altersgrenze?

Ablauf der Übergangsfrist: Dynamische Auslegung der BAV-Altersgrenze?

Angesichts der ablaufenden Übergangsfrist, die das Bundesfinanzministerium für Arbeitgeber gesetzt hat, um die in den (verschiedenen) betrieblichen Versorgungssystemen bestehenden Renteneintrittsalter ordnungsgemäß zu verschriftlichen, besteht bei den Unternehmen aktueller Handlungsbedarf, Klarheit zu schaffen hinsichtlich (1) der nach dem Status quo zur Anwendung kommenden Altersgrenze(n), (2) des konkreten Anpassungsbedarfs im Falle einer dynamischen Auslegung der Altersgrenze und (3) der hieraus folgenden steuerrechtlichen Implikationen. In diesem Client Alert möchten wir Sie auf diesen Handlungsbedarf und die zugrundeliegenden maßgebenden arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen hinweisen.

Ausgangslage: Arbeitsrechtliche Auslegung der Versorgungszusage

Die betriebliche Altersversorgung nach dem Betriebsrentengesetz zielt ab auf eine Absicherung des Arbeitnehmers gegen das Eintreten bestimmter biometrischen Risiken (Alter, Invalidität und Tod des Versorgungsberechtigten). Das die Altersversorgung auslösende biometrische Ereignis ist die in der Versorgungszusage bestimmte Altersgrenze.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Gesamtversorgungssystemen (BAG Urt. v. 15.05.2012, 3 AZR 11/10 und v. 13.01.2015, 3 AZR 897/12) ist die Bezugnahme auf die Vollendung des 60. bzw. 65. Lebensjahres in einer Versorgungsordnung, welche vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes abgeschlossen wurde, regelmäßig dahingehend auszulegen, dass damit die jahrzehntelang unveränderte Regelaltersgrenze im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht zugrunde gelegt wird.

Seit 1957 bestand für Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung die Möglichkeit, Altersruhegeld ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch zu nehmen, wenn sie die Wartezeit erfüllt und in den letzten 20 Jahren eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hatten. Für Männer gab es seit 1973 die Möglichkeit, bereits ab der Vollendung des 63. Lebensjahres ein Altersruhegeld zu beziehen, wenn sie 35 anrechnungsfähige Versicherungsjahre zurückgelegt hatten (§ 25 AVG). Die gesetzliche Regelaltersgrenze wurde durch das RV-Altersrentenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 mit Wirkung zum 1. Januar 2008 für Jahrgänge ab 1947 bis 1963 stufenweise angehoben. Für Jahrgänge ab 1964 liegt die Regelaltersgrenze nunmehr durchweg bei der Vollendung des 67. Lebensjahres.

Die Anhebung der Renteneintrittsalter in der gesetzlichen Rentenversicherung lässt dennoch die Möglichkeit bestehen, eine abweichende Altersgrenze für die jeweilige betriebliche Altersversorgung anzusetzen, sofern diese in der Versorgungszusage als feste Altersgrenze vorgesehen ist. Ob die Versorgung mit der benannten Altersgrenze dynamisch auf die gesetzliche Regelaltersgrenze abzielt und schrittweise anzuheben ist oder aber statisch auf die Vollendung eines bestimmten Alters abstellt, ist durch eine arbeitsrechtliche Auslegung der Rechtsgrundlage der konkreten Versorgung nach Maßgabe der einschlägigen Auslegungsgrundsätze zu ermitteln.

Aus einer dynamischen Auslegung der Altersgrenze folgen verschiedene Implikationen bezüglich der Berechnung von Versorgungsanwartschaften, u.a. relevant bei Unverfallbarkeitsbescheinigungen, Abfindungen und der Übertragung von Versorgungszusagen.

Steuerrechtlicher Handlungsbedarf: BMF-Vorgabe zur Verschriftlichung der Altersgrenze

Mit BMF-Schreiben vom 9. Dezember 2016 – IV C 6 hat die Finanzverwaltung zu dem bei Versorgungszusagen der betrieblichen Altersversorgung maßgebenden Rentenalter Stellung genommen unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts   im Zusammenhang mit der dynamischen Auslegung von Versorgungszusagen bei sog. Gesamtversorgungssystemen. Bei einer Gesamtversorgung sagt der Arbeitgeber nicht „isoliert“ eine bestimmte betriebliche Altersversorgungsleistung zu, sondern ein Altersversorgungsniveau unter Berücksichtigung weiterer Versorgungsleistungen (gesetzliche, berufsständische, anderweitige betriebliche oder sonstige Altersbezüge). Der Arbeitgeber schließt mit seiner betrieblichen Altersversorgungsleistung die Versorgungslücke, die sich zwischen den übrigen Ruhestandsbezügen und dem zugesagten Versorgungsniveau ergibt.

Auswirkung auf die Steuerbilanz: Einhaltung des Schriftformerfordernisses

Um dem Schriftformerfordernis des § 6a EStG im Falle von Gesamtversorgungssystemen weiterhin zu genügen, ist es nach dem BMF-Schreiben erforderlich, eine schriftliche Anpassung bzw. Klarstellung der Pensionszusage vorzunehmen. Hierzu ist die Pensionszusage zunächst wie eingangs aufgezeigt arbeitsrechtlich dahingehend zu würdigen, ob das bislang schriftlich vereinbarte Pensionsalter von den Parteien angelehnt an die gesetzliche Regelaltersrentengrenze gemeint war. In diesem Fall ist die Anpassung nach den allgemeinen Grundsätzen durch eine schriftliche Änderung der betroffenen Zusagen zu dokumentieren bzw. gegenüber mit unverfallbaren Anwartschaften Ausgeschiedenen durch betriebsöffentliche schriftliche Erklärung. Sollte ausnahmsweise die Auslegung ergeben, dass unverändert von einem Pensionsalter 65 auszugehen ist, empfiehlt es sich, auch dies gleichermaßen zu dokumentieren. Das BMF-Schreiben legt insofern generell zugrunde, dass bei allen Versorgungszusagen bilanzsteuerlich das Renteneintrittsalter maßgebend ist, das schriftlich fixiert ist.

Wird in der Versorgungszusage ausschließlich pauschal auf die „Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung“ verwiesen, ist als Renteneintrittsalter die gesetzliche Regelaltersgrenze der Rückstellungsbewertung zugrunde zu legen, die am Bilanzstichtag für den Eintritt des Versorgungsfalles maßgebend ist (vgl. hierzu auch das weiterhin anwendbare BMF-Schreiben vom 5. Mai 2008 (BStBl. I S. 569).

„60/65 +“? Ablauf der Übergangsfrist zur Dokumentation und Veröffentlichung einer Anpassung

Die nach den allgemeinen Grundsätzen durchzuführende schriftliche Dokumentation der Anpassung ist innerhalb einer Übergangsfrist vorzunehmen, die mit dem Wirtschaftsjahr abläuft, das nach dem 9. Dezember 2016 beginnt (bei kalenderjahresgleichem Wirtschaftsjahr: 31. Dezember 2017).

Erfolgt bis dahin keine schriftliche Dokumentation (bei mit unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedenen Versorgungsberechtigten reicht eine betriebsöffentliche schriftliche Erklärung des Versorgungsverpflichteten aus wie bspw. Veröffentlichung im Bundesanzeiger, Aushang am „schwarzen Brett“), ist die in der Steuerbilanz passivierte Pensionsrückstellung gewinnerhöhend aufzulösen, da sie dem gesetzlichen Schriftformerfordernis (§ 4d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. b S. 2 und 5 EStG und § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG) nicht entspricht.

Wurde die Versorgungszusage gemäß obiger Ausführungen angepasst, so ist die Bewertung der Pensionsrückstellung zu überprüfen, falls bislang noch nicht geschehen. Der Rückstellungsbewertung ist die schriftlich fixierte gesetzliche Regelaltersgrenze zugrunde zu legen, die am Bilanzstichtag für den Eintritt des Versorgungsfalles maßgebend ist.

Was ist konkret zu tun?

Ihre Ansprechpartner bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH beraten und unterstützen Sie gerne bedarfsgerecht bei der umfassenden arbeitsrechtlichen Prüfung Ihrer Versorgungszusagen sowie der rechtswirksamen Überarbeitung der Versorgungszusagen (KPMG Law) und steuerlichen Prüfung (KPMG AG).

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