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Symbolbild für die Transformation des Vergaberechts: Mikrofone auf Podium
17.08.2023 | KPMG Law Insights

Transformation des Vergaberechts: So verlief die Konsultation

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) arbeitet an einem Vergabetransformationspaket und hat eine öffentliche Konsultation durchgeführt. Das sind die Eckpunkte und Highlights der Diskussion.

„Mehr Fortschritt wagen“ – Diese Losung hat der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Der Fortschrittsgedanke soll sich nach dem Ansinnen der Regierungsparteien auch in der öffentlichen Beschaffung wiederfinden. Das BMWK hat aus diesem Grund eine öffentliche Konsultation durchgeführt.

Das BMWK beschreibt das Ziel des Vergabetransformationspakets wie folgt: „Das Ziel soll sein, öffentliche Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu professionalisieren, zu digitalisieren und zu beschleunigen. Die öffentliche Beschaffung und Vergabe soll wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet und die Verbindlichkeit gestärkt werden, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen.“

Im Rahmen der öffentlichen Konsultation waren Organisationen, Unternehmen und Verbände, sowohl auf Auftragnehmer- als auch Auftraggeberseite, sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern dazu aufgerufen, ihre Einschätzungen und Ideen zur Vergabetransformation in fünf Aktionsfeldern einzubringen:

  • Stärkung der umwelt- und klimafreundlichen Beschaffung,
  • Stärkung der sozial-nachhaltigen Beschaffung,
  • Digitalisierung des Beschaffungswesens,
  • Vereinfachung und Beschleunigung der Vergabeverfahren,
  • Förderung von Mittelstand, Start-ups und Innovationen.

Bis Juni 2023 gingen insgesamt 444 Stellungnahmen beim BMWK ein.

Den schriftlichen Stellungnahmen folgte ein Eröffnungsplenum mit Staatssekretär Sven Giegold und einer ersten Zusammenfassung. Im Anschluss fanden Gespräche mit verschiedenen Stakeholdern zu den fünf Aktionsfeldern statt. Neben den Präsentationen der Ergebnisse und der Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Anregungen preiszugeben und in den Austausch zu treten.

Auch KPMG Law hat die Möglichkeit genutzt, Stellung zu nehmen und sich an den Gesprächsrunden zu beteiligen.

Hier eine Zusammenfassung der Highlights der Gesprächsrunden.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus den Stellungnahmen der Stakeholder

Die Erkenntnisse und Ergebnisse aus der Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen sind konsolidiert auf der Internetseite des BMWK einsehbar.

Nachfolgend die aus unserer Sicht prägnantesten Feststellungen als Leitsätze:

  1. Themenbereich „Vereinfachung“ hatte im Rahmen der öffentlichen Konsultation mit 75 % für die Teilnehmenden die höchste Priorität.
  2. „Einheitliche Vergaberegelungen“ gefolgt von „angepassten Wertgrenzen und Schwellenwerten“ sowie einer „umfänglicheren Ausschöpfung bisheriger Möglichkeiten in der Vergabepraxis“ wurden als vielversprechendste Lösungsansätze identifiziert.
  3. Hinter dem Top-Impuls „Einheitliche Vergaberegelungen“ verbirgt sich ein sehr differenziertes Meinungsbild hinsichtlich der praktischen Ausgestaltung. Dabei reichen die Meinungen von „Gleiches Recht für gleiche Sachverhalte“ über „Abschaffung der Landesvergabeverordnungen“ bis hin zu lediglich „Schaffung einheitlicher Begrifflichkeiten“.
  4. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass „Komplexität“ reduziert und „Rechtszersplitterung“ grundsätzlich eingedämmt werden sollte.
  5. Eine große Mehrheit sprach sich im Rahmen der Konsultation für zumindest eine vollständige Interoperabilität der bestehenden Plattformen aus.
  6. Einigkeit bestand zwischen den Teilnehmenden der Konsultation darüber, dass zur effektiveren Förderung von KMU, Start-ups und Innovation vor allem eine Vereinfachung des Vergaberechts nötig ist und Bürokratieabbau maßgebliche Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Förderstrategie ist.
  7. Teilnehmende aus dem Bausektor (30%) und Mobilitätssektor (~18%) sehen das größte Potenzial für eine nachhaltige Beschaffung.

Zehn wichtige Impulse aus den Diskussionsrunden

In den Gesprächsrunden diskutierte die Vertretung aus Politik und Wirtschaft kontrovers mit Behördenvertreterinnen und -vertretern sowie Interessenverbänden. Diese zehn Impulse aus den Gesprächsrunden stießen entweder auf große Zustimmung oder führten zu Zwiegesprächen:

Impuls #1: Wertgrenzen vereinheitlichen und erhöhen

Wertgrenzen für formelle Ausschreibungen sollten bundesweit vereinheitlicht werden, um Vergabestellen bundesweit gleiche Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Außerdem solle die Wertgrenze für den Direktkauf erhöht werden.

Impuls #2: Einheitliches Vergabegesetz

Ein Vergabegesetz für alle Leistungen.

Impuls #3: Einheitliche Begrifflichkeiten

Die Diskussion ergab, dass der gemeinsame Nenner beim Thema „Vereinheitlichung“ zumindest darin besteht, die Begrifflichkeiten zwischen Ober- und Unterschwelle und den sektorspezifischen Regelwerken anzugleichen.

Impuls #4: Vergabeplattformen vereinheitlichen

Funktion und Unterlagen der unterschiedlichen Vergabeplattformen sollten vereinheitlicht werden.

Impuls #5: Verbindliche Einführung der virtuellen Verhandlung in Nachprüfungsverfahren

Beschleunigung durch virtuelle oder hybride mündliche Verhandlung in Nachprüfungsverfahren.

Impuls #6: Verpflichtende Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien

Es sollten Nachhaltigkeitskriterien verpflichtend angewandt werden, entweder bei den Eignungsanforderungen, den Zuschlagskriterien oder in der Leistungsbeschreibung.

Impuls #7: Nachhaltigkeit führt zu Mehrkosten und Überforderung

Strenge Regulierung im Bereich der Nachhaltigkeit würde zu Mehrkosten führen und öffentliche Auftraggeber überfordern. Die Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien müsste von Auftraggeberseite aufwendig überprüft werden.

Impuls #8: Vereinfachte Anwendung von funktionalen Leistungsbeschreibungen

Kommunikative Ausschreibungsform wird von Marktteilnehmern insbesondere zur Beschaffung innovativer Leistungen gefordert.

Impuls #9: Formalismus abbauen

Zu viele und zu umfangreiche Formulare und Anforderungen zwischen den öffentlichen Auftraggebern.

Impuls #10: Flexible Losbildung

Losaufteilung zur Beteiligung von Start-ups wichtig, aber auch Losbündelung für komplexe Beschaffungen.

Fazit

Nach den fruchtbaren Gesprächen bleibt nun abzuwarten, wie und ob die in der öffentlichen Konsultation entwickelten Erkenntnisse und Impulse in den Referentenentwurf einfließen. In jedem Fall wird die Transformation des Vergaberechts die öffentliche Beschaffung deutlich verändern.

 

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