Suche
Contact
12.11.2020 | KPMG Law Insights

BMJV veröffentlicht Referentenentwürfe – Verbraucherschutz erhält Einzug in Compliance!

BMJV veröffentlicht Referentenentwürfe – Verbraucherschutz erhält Einzug in Compliance!

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 3. und 4. November 2020 insgesamt drei Referentenentwürfe veröffentlicht, mit denen die Regelungen der EU-Richtlinie 2019/2161 (ABl. L 328 vom 18.12. 2019, S. 7 – nachfolgend: Omnibusrichtlinie) in deutsches Recht umgesetzt werden sollen. Mit der Omnibusrichtlinie verfolgt die Kommission das Ziel, den bestehenden Verbraucherschutz in Europa zu verbessern und seine Durchsetzung auf nationaler Ebene zu stärken (siehe zur Omnibusrichtlinie Federmann / Asbach Platow). Die Omnibusrichtlinie ist Teil des „New Deal for Consumers”-Paket und Ausdruck der „Digital Strategie“ der EU. Nach deren Maßgabe soll insbesondere im Bereich des E-Commerce der Verbraucherschutz erhöht, gestärkt und seine Durchsetzung harmonisiert werden.

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ (Referentenentwurf I) verschärft insbesondere die Anforderungen an die Verbraucherinformation bei Rankings und Verbraucherbewertungen. Änderungen sind auch für erweiterte Informationspflichten im Rahmen des Irreführungsverbots und für aggressive Vermarktungs- und Verkaufspraktiken, wie z.B. bei Kaffeefahrten und Wohnungsbesuchen, vorgesehen. Schließlich wird dem Verbraucher ein Schadensersatzanspruch bei schuldhaften Verstößen von Unternehmern gegen verbraucherschützende Vorschriften des UWG .

Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union“ (Referentenentwurf II) betrifft vor allem Änderungen für erweiterte Informationspflichten und die Ausweitung des Widerrufsrechts für digitale Online-Dienstleistungen und Vermarktungs- und Verkaufspraktiken im privaten Bereich.

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ komplettiert die Richtlinienumsetzung. Dessen neuen Vorschriften sollen Verbraucherinnen und Verbrauchern in Kombination mit den Änderungen bei den Widerrufsregelungen und erweiterten Informationspflichten zahlreiche Verbesserungen beim Kauf von Software, Apps oder E-Books sowie beim Einkauf auf den bekannten Online-Marktplätz bringen.

Die Referentenentwürfe sind abrufbar unter

(https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Staerkung_Verbraucherschutz_Wettbewerbs-_und_Gewerberecht.html) und https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Bereitsstellung_digitaler_Inhalte.html .

Die Omnibusrichtlinie gibt unter anderem auch vor, dass Unternehmen bei einer grenzüberschreitenden Verletzung von Verbraucherrechten mit Bußgeldern belegt werden. Vom Schutz erfasst sind insbesondere unerlaubte Geschäftshandlungen und vertraglichen Rechte von Verbrauchern, die regelmäßig in AGB geregelt sind. Um sicherzustellen, dass die nationalen Sanktionen auch ausreichend abschreckend sind, hat die Kommission den Mitgliedstaaten vorgegeben, dass der zu verhängende Höchstbetrag eines Bußgelds sich grundsätzlich auf mindestens 4% des Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden in dem betreffenden Mitgliedstaaten bzw. dem betreffenden Mitgliedstaat belaufen muss, wenn es sich um einen „weitverbreiteten Verstoß“ handelt. Das ist z.B. schon dann der Fall, wenn durch den Verstoß Verbraucherinteressen aus mindestens zwei Mitgliedstaaten betroffen sind, in denen der Unternehmer nicht selbst niedergelassen ist. Ein weitverbreiteter Verstoß ist auch dann anzunehmen, wenn er in mindestens drei Mitgliedstaaten gleichzeitig stattfindet und gemeinsame Merkmale aufweist, d.h. insbesondere betreffend unerlaubte Verhaltensweise und verletzten Interessen. Ein rein nationaler Verstoß allein in Deutschland reicht dagegen nicht aus.

Neben einer Vielzahl von neuen oder ergänzten Verbraucherschutzvorschriften enthalten die deutschen Referentenentwürfe I und II daher Bußgeldregelungen, die in das Gesetz gegen unerlaubten Wettbewerb (§ 19 UWG-Ref-E) und das deutsche Zivilrecht (Art 246 e EGBGB-Ref-E) aufgenommen werden sollen. Letzteres stellt einen Paradigmenwechsel dar, da das deutsche Zivilrecht – mit wenigen Ausnahmen – keine Eingriffe des Staates vorsieht. Das ist ein Schritt hin zu einer verstärkt sanktionsbewehrten Rechtsdurchsetzung mit Implikationen für ein entsprechendes Compliance Management.

Nach den neuen Bußgeldregelungen der Referentenentwürfe I und II stellt ein weitverbreiteter Verstoß gegen bestimmte verbrauchschützende Vorschriften eine Ordnungswidrigkeit dar.

Als Ordnungswidrigkeit können Verstöße gegen eine Vielzahl von bekannten und neuen Verbraucherschutzvorschriften geahndet werden, insbesondere fallen folgende Verstöße darunter:

  • Unlauteren geschäftliche Handlungen;
  • Aggressive geschäftliche Handlung – z.B. „Kaffeefahrten“;
  • Irreführung des Verbrauchers bei unwahren Angaben oder Täuschungen,
  • Irreführung durch Vorenthalten von Informationen. Hierzu zählen neben den Merkmalen der Ware oder Dienstleistungen z.B. der Gesamtpreis, Identität des Unternehmers oder Verbraucherrankings. Bei Letzterem muss der Unternehmer sicherstellen, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen;
  • Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verbraucher, wenn diesem ein unbestellter Artikel zugesendet wurde;
  • Die Verwendung von unwirksamen Allgemeine Geschäftsbedingungen;
  • Verletzung von Informationspflichten im digitalen Geschäftsverkehr;
  • Verlangen von Fracht-, Liefer- und Versandkosten ohne Information über diese Kosten;
  • Keine Offenlegung der Person bei Verkaufsanrufen;
  • Nicht zur Verfügung stellen von Vertragsabschriften;
  • Nichteinhaltung von Nachfristen zur Produktlieferung;
  • Nichtzurückgewährung von Zahlungen oder Rücknahme von Waren nach Widerruf bei der Bereitstellung von digitalen Produkten;
  • Ausbleibende Bestätigung des Zugangs eines Widerrufs;
  • Keine Übergabe der bestellten Sache innerhalb von 30 Tagen.

Grundsätzlich kann gegen den verstoßenden Unternehmer ein Bußgeld in Höhe von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmers in den betroffenen Mitgliedstaaten verhängt werden.  Maßgeblich für die Bemessung ist das Geschäftsjahr, das der Behördenentscheidung vorausgegangen ist. Die Höhe des Jahresumsatzes kann geschätzt werden. Liegen keine Anhaltspunkte für eine Schätzung des Jahresumsatzes vor, beträgt das Höchstmaß der Geldbuße zwei Millionen Euro. Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter zweieinhalb Millionen Euro ist das Bußgeld auf hunderttausend Euro begrenzt.  Diese Grenze gilt auch für die Verhängung eines Bußgeldes gegen die handelnde Person (z.B. den Mitarbeiter). Diese Regelungen verdrängen die allgemeinen Bußgeldgrenzen des Ordnungswidrigkeitenrechts.

Zuständig für die Bemessung und die Verhängung Bußgeldes sind grundsätzlich das Bundesamt für Justiz sowie in Sonderfällen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als auch die nach Landesrecht zuständige Behörde. Für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit bedarf es zwingend einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme (VO EU 2017/2394) zwischen den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten. Ohne diese kann für eine begangene Ordnungswidrigkeit auf der Grundlage der Referentenentwürfe I und II kein Bußgeld verhängt werden.

Die koordinierte Durchsetzungsmaßnahme erfolgt in Abstimmung mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf den betroffenen EU-Verbrauchermärkten. Sie sollen bewirken, den Verstoß zu beenden. In diesem Zusammenhang können Bußgelder von den zuständigen Behörden in den betroffenen Märkten verhängt werden. Unter anderem sind Durchsetzungsmaßnahmen insbesondere angezeigt, wenn eine rasche und wirksame Einstellung des Verstoßes erfolgen soll sowie wenn der verstoßende Unternehmer keine Zusage zur Abstellung gegeben hat oder die Zusage nicht ausreichend ist, um die Beendigung des Verstoßes sicherzustellen oder Abhilfe für den geschädigten Verbraucher zu schaffen. Darüber hinaus kann eine Durchsetzungsmaßnahme u.a. angezeigt sein, wenn der verstoßende Unternehmer eine gesetzte Frist zur Beendigung des Verstoßes oder zur Abhilfe gegenüber dem geschädigten Verbraucher hat verstreichen lassen.

Die neuen Verbraucherschutzregelungen und Bußgeldvorschriften gelten für alle Wirtschaftsteilnehmer innerhalb und außerhalb der EU, die Waren oder Dienstleistungen in der EU ansässigen Verbrauchern anbieten. Die Anwendung der neuen Vorschriften erstreckt sich von Ein-Mann-Onlineshops bis auf multinationale Konzerne. Zwar wird es noch dauern bis die Umsetzungsgesetze in Kraft treten, dennoch sollten Unternehmer frühzeitig beginnen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Neben der etwaigen Anpassung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sollten Maßnahmen angestoßen werden, den Verbraucherschutz und dessen Einhaltung im operativen Geschäft in bestehende Compliance-Systeme zu integrieren.

Explore #more

26.11.2025 | KPMG Law Insights

Die Entwaldungsverordnung der EU zwingt Unternehmen zum Handeln

Wer mit den Rohstoffen Soja, Ölpalme, Rinder, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie bestimmten daraus hergestellten Erzeugnissen handelt oder diese verwendet, sollte schnellstmöglich aktiv werden.…

25.11.2025 | KPMG Law Insights

Sondervermögen Infrastruktur: So gelingt der Verwaltung eine schnelle Umsetzung der Projekte

Die gesetzlichen Grundlagen des Sondervermögens sind jetzt in Kraft. Der Bund hat im Oktober 2025 sowohl das Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Infrastruktur und Klimaneutralität“…

21.11.2025 | In den Medien

KPMG Law Interview in Immobilien I Haufe: Ersatzbaustoffe: „Sekundär ist nicht zweitklassig“

Die Ersatzbaustoffverordnung soll Kreislaufwirtschaft im Bau harmonisieren, doch Rechtsunsicherheit und Bürokratie bremsen. Wie kann der Durchbruch gelingen? Antworten darauf weiß KPMG Law Experte Simon Meyer

21.11.2025 | KPMG Law Insights

Wohnungsbau-Turbo: Mehr Wohnraum auf Bestandsgrundstücken

Seit dem 30. Oktober 2025 gelten neue Regelungen zur Schaffung von Wohnraum im Baugesetzbuch (BauGB). Herzstück der Änderungen ist der sogenannte Wohnungsbau-Turbo. Das Gesetzespaket…

19.11.2025 | KPMG Law Insights

Neues Verpackungsdurchführungsgesetz verschärft Pflichten für Unternehmen

Mit einem neuen Verpackungsdurchführungsgesetz (VerpackDG) soll das deutsche Recht an die EU-Verpackungsverordnung angepasst werden. Das Bundesumweltministerium hat am 17. November 2025 einen Referentenentwurf vorgelegt. Das…

18.11.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement in der FAZ zum Thema Deepfakes

Betrüger fälschen kinderleicht Rechnungen oder treten sogar als Firmenchefs auf. Unternehmen können sich dagegen wehren, doch Wunderwaffen gegen KI-Angriffe gibt es keine. KPMG Law Experte…

17.11.2025 | KPMG Law Insights

Videoüberwachung im Mietobjekt: Was sollten Vermieter beachten?

Die Videoüberwachung von vermieteten Immobilien ist nur unter strengen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Immer mehr Eigentümer möchten ihre Objekte auf diese Weise im Blick behalten und…

13.11.2025 | KPMG Law Insights

KI in der Rechtsabteilung implementieren – das sind die Erfolgsfaktoren

Künstliche Intelligenz (KI) nutzt der Rechtsabteilung nur dann, wenn sie richtig implementiert wird. Die Technologie verspricht, zeitintensive Routinearbeiten zu automatisieren und die Qualität juristischer Arbeit…

13.11.2025 | KPMG Law Insights

Erstes Omnibus-Paket soll Pflichten der CSDDD, CSRD und EU-Taxonomie lockern

Am 13. November 2025 hat das EU-Parlament über seine Verhandlungsposition bezüglich des sogenannten Omnibus-Paketes gestimmt, das Lockerungen der CSRD, der CSDDD und der Taxonomie vorsieht.…

12.11.2025 | In den Medien

KPMG Law Statement im In-house Counsel: Mehr Stabilität unter dem Dach der Corporate Governance

Über „Corporate Governance“ wird angesichts multipler Krisen und Regulierungstendenzen der Gesetzgeber viel gesprochen. Was ist das eigentlich – eine „gute“ Corporate Governance? Wie lässt sich…

Kontakt

Dr. Philipp Asbach

Senior Manager

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 3609945170
pasbach@kpmg-law.com

Dr. Bernd Federmann, LL.M.

Partner
Regionalleiter Südwest
Leiter Compliance & Wirtschaftsstrafrecht

Theodor-Heuss-Straße 5
70174 Stuttgart

Tel.: +49 711 781923 418
bfedermann@kpmg-law.com

© 2025 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll