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Symbolbild zu grünem Wasserstoff: Straße am Meer
29.01.2025 | KPMG Law Insights

Grüner Wasserstoff aus Abwasser – rechtliche Hürden bei der Herstellung

Wasserstoff liefert deutlich mehr Energie als Benzin oder Diesel. Wird er mit erneuerbaren Energien hergestellt, kann Wasserstoff einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Erst vor kurzem hat ein großer Mineralölkonzern bekanntgegeben, die Produktion grünen Wasserstoffs im großen Stil zu starten.

Allerdings benötigt die Herstellung des Wasserstoffs große Mengen mehr oder minder reinen Wassers. Wasser ist knapp, doch durch Deutschlands Kläranlagen laufen jedes Jahr mehrere Milliarden Kubikmeter Wasser, das genutzt werden könnte. Die Nutzung von vorgereinigtem Abwasser für die Herstellung von grünem Wasserstoff könnte den Wasserverbrauch senken und die Kreislaufwirtschaft fördern. Das Verfahren ist aus juristischer Sicht ungewöhnlich und mit einigen rechtlichen Hürden verbunden. Unsere Umweltrechtsexperten Dr. Sandro Köpper und Dr. Thies Wahnschaffe aus dem Umweltrechtsteam um Partner Dr. Simon Meyer haben die Rechtslage analysiert.

Wie kann aus Abwasser grüner Wasserstoff hergestellt werden?

Dr. Sandro Köpper: Abwasser ist eine überall in Deutschland im häuslichen, gewerblichen oder landwirtschaftlichen Bereich anfallende Ressource. Über Leitungssysteme wird dieses regelmäßig den jeweiligen öffentlichen Abwasserentsorgern (zumeist Abwasserzweckverbänden) zugeführt. Diese bedienen sich wiederum oftmals Großklärwerken privater Betreiber zwecks biologischer und chemischer Reinigung des Abwassers, um ihrer abwasserrechtlichen Beseitigungspflicht nachzukommen. In diesen Großklärwerken fällt nach der Reinigung des Abwassers dann vorgereinigtes Wasser an, das nur noch über einen geringen Schadstoffgehalt verfügt. Dieses vorgereinigte Wasser kann in einem Elektrolyseprozess eingesetzt werden, um aus einem Teil des vorgereinigten Wassers nachhaltig Wasserstoff herzustellen.

Die rechtliche Bewertung dieser Methode ist jedoch komplex und vielschichtig. In diesem Zusammenhang sind nicht nur die zivilrechtlichen Eigentums- und Verfügungsregelungen von Bedeutung, die hier nicht vertieft werden sollen. Vielmehr stellen sich auch diverse Fragen zur öffentlich-rechtlichen Einordnung von vorgereinigtem Wasser nach den einschlägigen umweltrechtlichen Regelungen, vor allem nach Wasser- und Kreislaufwirtschaftsrecht.

Ist das Verfahren wasserrechtlich zulässig?

Dr. Thies Wahnschaffe: Eine wesentliche Weichenstellung für die rechtliche Einordnung ist zunächst, ob das im Klärwerk entstehende vorgereinigte Wasser noch als „Abwasser“ einzustufen ist. Nur dann würde es weiterhin den wasserrechtlichen Anforderungen an Abwasser unterliegen. Dies hätte nämlich weitreichende Folgen für die weitere Verwendung des Wassers in der Wasserstoffproduktion. So sind nach § 56 S. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) etwa juristische Personen des öffentlichen Rechts nach Landesrecht dazu verpflichtet, angefallenes Abwasser zu beseitigen. In diesem Fall würde eine weitere Verwendung des Wassers bzw. Abwassers also mit einer öffentlich-rechtlichen Beseitigungspflicht kollidieren.

Wie kann man dieses Problem rechtlich lösen?

Dr. Sandro Köpper: Unserer Ansicht nach kann das vorgereinigte Wasser nach der Abwasserbehandlung im Klärwerk voraussichtlich nicht mehr als „Abwasser“ im Sinne von § 54 Abs. 1 WHG eingestuft werden. So kollidiert die Wasserstoffherstellung nicht mit der wasserrechtlichen Beseitigungspflicht. Denn eine mechanische und biologische Reinigung des Abwassers, wie sie regelmäßig in Klärwerken vollzogen wird, ist unseres Erachtens eine „Behandlung“ gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG, da sie den Schadstoffgehalt reduziert und die Schädlichkeit des Abwassers mindert. Abwasser kann nicht nur durch Einleiten, Versickern, Verregnen oder Verrieseln beseitigt werden, sondern explizit auch durch das Behandeln. Auch ist es nicht zwingend notwendig, dass zwischen der Behandlung des Abwassers und der Nutzung des behandelten Abwassers zur Wasserstoffherstellung eine Einleitung in ein Oberflächengewässer stattfindet. Das wurde bereits durch die Rechtsprechung bestätigt.

Ist es ein Problem, dass das Abwasser dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen wird?

Dr. Thies Wahnschaffe: Nachdem die Herstellung des vorgereinigten Wassers abgeschlossen ist, trifft das Wasserrecht keine weitergehenden Anforderungen an den Vertrieb dieses vorgereinigten Wassers. Auch eine industrielle Nutzung des vorgereinigten Wassers ist nicht verboten. Zwar wird das vorgereinigte Wasser hierdurch teilweise dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen. Dies steht jedoch im Einklang mit der Zielsetzung der öffentlichen Wasserversorgung, da diese nicht nur die Bereitstellung von Trink- und Brauchwasser für die Bevölkerung, sondern auch die Bereitstellung von Wasser als Produktionsmittel für Industrie und Gewerbe umfasst. Hinzu kommt der positive Effekt, dass die Nutzung des vorgereinigten Wassers zur Wasserstoffproduktion zur Ressourcenschonung beiträgt, da hierdurch im Zeichen der Nachhaltigkeit auf die Entnahme von Grund- oder Fernwasser verzichtet werden kann. Insofern steht auch § 50 WHG, der die Träger der öffentlichen Wasserversorgung zu einem sparsamen und sorgsamen Umgang mit Wasser verpflichtet, nicht entgegen.

Was ist, wenn im Einzelfall nicht anerkannt wird, dass die Abwasserbeseitigungspflicht durch die Behandlung bereits erfüllt wird?

Dr. Sandro Köpper: Kommt die zuständige Behörde im Einzelfall doch zu dem Schluss, dass durch die Behandlung des Abwassers im Klärwerk die Abwasserbeseitigungspflicht nicht erfüllt ist, steht das einer weiteren Nutzung des Abwassers allerdings nicht zwingend entgegen. Hierfür stehen zivilrechtliche Erwerbsmöglichkeiten offen.

Zu beachten ist aber auch, dass möglicherweise auch die Wasserstoffherstellung selbst eine genehmigungsbedürftige Abwasserbehandlung darstellen kann. Es wären dann also insbesondere die Anforderungen nach § 60 WHG einzuhalten. Der Hersteller bräuchte unter Umständen eine Genehmigung. Außerdem ist die Abwasserbehandlung nach dem jeweils gültigen Stand der Technik durchzuführen.

Was muss aus abfallrechtlicher Sicht beachtet werden?

Dr. Thies Wahnschaffe: Wenn die Abwasserbeseitigung abgeschlossen ist, gilt grundsätzlich das Abfallrecht. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 9 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Die Frage ist allerdings, ob das vorgereinigte Wasser überhaupt als Abfall oder als ein Nebenprodukt angesehen werden kann. Dies erscheint zweifelhaft.

Dagegen spricht, dass das vorgereinigte Wasser einer weiteren Zweckbestimmung, nämlich der Herstellung von Wasserstoff, zugeführt wird. Abfälle sind nach § 3 Abs. 1 KrWG nur Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigen will. Das vorgereinigte Wasser ist auch kein Nebenprodukt, das beim Herstellungsverfahren eines anderen Produkts anfällt, sondern es ist das Produkt selbst.

Die genaue abfallrechtliche Einordnung wäre allerdings stets im Einzelfall zu prüfen.

Welche immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen braucht man zur Herstellung von Wasserstoff?

Dr. Sandro Köpper: Für die Errichtung und den Betrieb von Elektrolyseuren zur Herstellung von Wasserstoff brauchen Unternehmen eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Erfreulich ist, dass die kürzlich geänderte 4. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) eine Erleichterung bei der Genehmigung der Wasserstoffproduktion vorsieht. Künftig gilt ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für Elektrolyseure mit einer täglichen Produktionskapazität von bis zu 50 Tonnen Wasserstoff. Elektrolyseure mit einer elektrischen Nennleistung von weniger als fünf Megawatt sind von der Genehmigungspflicht befreit. Die Änderungen sind Teil der nationalen Wasserstoffstrategie und des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes, mit welcher die Planung und Genehmigung von Wasserstoffinfrastruktur erleichtert und bürokratische Hürden abgebaut werden.  Weitere Anpassungen könnten im Zuge der Novelle der Industrieemissionsrichtline (IED) sowie deren Umsetzung erfolgen.

Was empfiehlt ihr Unternehmen, die grünen Wasserstoff aus Abwasser herstellen wollen?

Dr. Thies Wahnschaffe: Um hier nachhaltige und rechtssichere Lösungen zu gewährleisten, sollten Unternehmen aktiv den Dialog mit relevanten Partnern suchen. Sie sollten klare schriftliche Vereinbarungen treffen, sei es durch die Anpassung bestehender Verträge oder durch neue Absprachen. Besonders relevant ist es, dass das vorgereinigte Wasser als Produkt eingestuft wird, da dies rechtlich zahlreiche Vorteile bietet. Diese Einstufung sollte gründlich geprüft und mit allen relevanten Stakeholdern, vor allem mit Wasser- und Abfallbehörden sowie Ministerien, abgestimmt werden. Dies hilft, Unsicherheiten zu vermeiden und rechtliche Risiken frühzeitig zu erkennen. Entsprechende Vereinbarungen und behördliche Feststellungen ermöglichen es den Unternehmen, das vorgereinigte Wasser an andere Unternehmen zu veräußern. Das schafft nicht nur neue Geschäftsmöglichkeiten, sondern trägt auch zur nachhaltigen Ressourcennutzung bei.

 

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