Für ein Kündigungsschreiben, das mit der Deutsche Post AG versendet wurde, gilt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 20. Juni 2024 – 2 AZR 213/23) ein Anscheinsbeweis, dass es zu den postüblichen Zustellungszeiten zugestellt wurde.
Ein Kündigungsschreiben wird mit der Post verschickt und landet am letzten Tag der Kündigungsfrist im Briefkasten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin. Das ist eine alltägliche Situation, doch bei Arbeitsgerichten ein Dauerbrenner. Es geht in der Regel um die Frage: Ist die Kündigung noch fristgerecht zugegangen? Nach ständiger Rechtsprechung geht eine Kündigung an dem Tag zu, an dem mit der Kenntnisnahme des Empfängers oder der Empfängerin zu rechnen ist. Maßstab hierfür sind die „gewöhnlichen Verhältnisse“ und die „Gepflogenheiten des Verkehrs“. Danach ist im Anschluss an die üblichen Postzustellungszeiten mit einer Leerung des Briefkastens und somit einer Kenntnisnahme von der Kündigung zu rechnen. Briefe, die zu den postüblichen Zeiten zugestellt werden, sind an diesem Tag zugegangen. Wird hingegen ein Brief erst nach den postüblichen Zeiten eingeworfen, ist mit der Kenntnisnahme erst am nächsten Werktag zu rechnen. Damit würde auch die Kündigungsfrist erst am nächsten Werktag zu laufen beginnen.
Was aber, wenn die Uhrzeit der Zustellung unbekannt ist? Das Bundesarbeitsgericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Briefzusteller der Deutsche Post AG die Kündigung zwar unstreitig am letzten Tag der Kündigungsfrist in den Briefkasten der Arbeitnehmerin geworfen hatte. Die Uhrzeit der Zustellung war jedoch nicht dokumentiert. Die gekündigte Arbeitnehmerin bestritt im Prozess mit Nichtwissen, dass der Brief innerhalb der üblichen Postzustellzeiten eingeworfen wurde. Da der Arbeitgeber die Uhrzeit der Zustellung nicht beweisen könne, argumentierte die Arbeitnehmerin, gelte die Kündigung erst am nächsten Tag als zugestellt. Im konkreten Fall hätte das bedeutet, dass die Kündigung erst drei Monate später wirksam geworden wäre, da eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende vereinbart war.
Dieser Argumentation der Arbeitnehmerin erteilte das BAG jedoch eine Absage. Es urteilte, dass der Arbeitgeber die Uhrzeit der Zustellung durch die Deutsche Post AG nicht beweisen müsse. Vielmehr bestehe ein Beweis des ersten Anscheins, dass das Kündigungsschreiben am Zustelltag zu den üblichen Postzustellzeiten in den Hausbriefkasten der Klägerin gelegt wurde. Die üblichen Postzustellzeiten ergeben sich aus der Arbeitszeit der Postzusteller:innen. Der Anscheinsbeweis könne zwar durch atypische Umstände erschüttert werden, die einen abweichenden Geschehensablauf nahelegen. Solche Umstände hatte die Arbeitnehmerin jedoch nicht vorgetragen.
Besonderes Augenmerk sollte aus Arbeitgebersicht auf die Wahl der richtigen Versandart gerichtet werden. Wird die Kündigung mit einfachem Brief der Deutschen Post AG oder eines anderen Anbieters versandt, kann der Arbeitgeber die Zustellung im Falle eines Bestreitens des Arbeitnehmers nicht nachweisen. Besser geeignet ist damit eine Versandart, bei der sowohl Einlieferung als auch Zustellung nachweisbar sind. Dies trifft etwa auf das Übergabeeinschreiben zu, bei dem jedoch der Zeitpunkt der Zustellung durch den Arbeitnehmer hinausgezögert werden kann, etwa in dem das Einschreiben nicht entgegengenommen oder abgeholt wird. Bei einem Einwurfeinschreiben besteht dieses Risiko nicht. Allerdings erhält der Absender hier keinen vergleichbaren Nachweis der Zustellung. Der Abruf des Sendestatus soll nach einer Entscheidung des LAG Baden-Württemberg nicht genügen, um einen Beweis des ersten Anscheins für die Zustellung zu begründen. Zusätzlich sollte daher ein Auslieferungsbeleg mit Unterschrift des Zustellers heruntergeladen werden. Dies sollte zügig geschehen, da die Auslieferungsbelege nur vorübergehend zum Download bereitgestellt werden. Ob der Auslieferungsbeleg einen ausreichenden Nachweis darstellt, hat das BAG allerdings hier nicht entschieden.
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