Die Außenwirtschaft und der Außenhandel haben angesichts der neuen US-Zölle eine besondere Brisanz bekommen. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf folgende Maßnahmen geeinigt:
Bei Handelsverträgen soll das Prinzip „EU-only“ gelten. Gemeint ist hiermit der Abschluss von Handelsverträgen nur durch die EU, ohne dass die einzelnen Mitgliedstaaten Vertragsparteien werden. Die Koalitionspartner streben den Abschluss von weiteren Handels- und Investitionsabkommen an. Das bereits unterzeichnete Rahmenabkommen der EU mit Chile soll zügig ratifiziert werden. Die EU-Abkommen mit Mercosur und Mexiko will die künftige Regierung aktiv im Rat unterstützen und dann zügig ratifizieren.
Den Abschluss der laufenden EU-Freihandelsverhandlungen mit Indien, Australien und den ASEAN-Staaten unterstützen die Koalitionäre. Mit den USA streben sie mittelfristig ein Freihandelsabkommen an, kurzfristig wollen sie einen Handelskonflikt vermeiden und setzen auf die Reduzierung von Einfuhrzöllen auf beiden Seiten des Atlantiks. Im Rahmen einer neuen Afrika-Strategie sollen die Handelsbeziehungen mit afrikanischen Staaten langfristig vertieft werden. Die von der vorherigen Regierung in den Bundestag eingebrachten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Cote d´Ivoire, Ghana, Kamerun und den SADC-WPA-Staaten sollen zügig ratifiziert werden. Gleiches gilt für die Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Singapur sowie Vietnam. Die EU-Kommission soll bei der Aushandlung von Handelsabkommen international geltende Standards berücksichtigen.
Die Koalitionspartner setzen sich für den Erhalt des WTO-Systems ein. Sie wünschen sich aber Reformen mit Blick auf die Regeln für Industriesubventionen, damit ein globales „level playing field“ erreicht wird. ´
Die neue Regierung möchte zeitnah ein novelliertes Außenwirtschaftsgesetz vorlegen. Prüfverfahren sollen beschleunigt, vereinfacht und für Praktiker besser anwendbar werden. Ausländische Investitionen in kritische Infrastruktur und strategisch relevante Bereiche, die den deutschen Interessen widersprechen, sollen effektiv verhindert werden.
Union und SPD wollen die Ausfuhrgenehmigungsprozesse vereinfachen und beschleunigen. Anstelle von durchgängigen Prüfungen streben sie stichprobenartige Kontrollen verbunden mit empfindlichen Strafen bei Verstößen an. Eine vorherige Exportgenehmigung soll nicht mehr erforderlich sein.
Das Vorhaben, Prüfverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die von der künftigen Bundesregierung hierfür ins Auge gefassten Maßnahmen gehen aber möglicherweise zulasten der Markteilnehmer. Denn die Abschaffung von Prüfungen durch die Behörden im Genehmigungsverfahren trägt zwar zur Einfachheit und Schnelligkeit der Ausfuhrverfahren bei, ist jedoch auch mit einem Verlust an Rechtssicherheit für die ausführenden Unternehmen verbunden. Diese werden das Risiko einer unzutreffenden Interpretation der ohnehin zunehmend komplizierten Ausfuhrvorschriften dann selbst tragen müssen. Einhergehend mit den beabsichtigten „empfindlichen Strafen bei Verstößen“ erhöht dies die Relevanz der Exportkontrolle im Unternehmen nochmals deutlich. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des gegenwärtig im Bundestag diskutierten „Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften“, welches die Vorgaben der zum 9. Mai 2024 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2024/1226 umsetzen soll. Die Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes sieht bereits jetzt insgesamt höhere Strafen für Sanktionsverstöße vor.
Als Antwort auf das geopolitisch veränderte Umfeld wollen die Koalitionäre Wirtschaftssicherheit und Resilienz stärken. Die europäische Strategie für wirtschaftliche Sicherheit wollen sie in einer nationalen Strategie umsetzen. Für kritische Komponenten in der Infrastruktur sollen höchste Sicherheitsanforderungen gelten. In sensiblen Bereichen der kritischen Infrastruktur sollen künftig ausschließlich Komponenten aus vertrauenswürdigen Staaten verbaut werden dürfen. Damit sich der deutsche Mittelstand vor Cyberangriffen besser schützt, will die künftige Regierung für Aufklärung und Unterstützung bei Cybersicherheitsmaßnahmen sorgen. Auch sollen Unternehmen Unterstützung bei der Umsetzung des Cyber Resilience Act bekommen.
Der Cyber Resilience Act (CRA) ist am 10. Dezember 2024 in Kraft getreten und gilt grundsätzlich erst ab dem 11. Dezember 2027. Nach dem CRA sind Produkte mit digitalen Elementen so zu konzipieren, entwickeln und herzustellen, dass sie ein angemessenes Maß an Cybersicherheit gewährleisten. Es sind Prozesse für Meldungen und regelmäßige Updates und Support zu implementieren.
Die Sanktionen gegen Russland und Weißrussland sollen fortgeführt werden. Die Koalitionspartner unterstützen auch die Pläne der EU zur Erhebung von Zöllen auf den Import von Düngemitteln aus Russland und Weißrussland.
Die Sanktionsvorgaben der EU gegen Russland und Weißrussland wurden seit Beginn des Jahres 2022 erheblich verschärft und beinhalten – neben personenbezogenen Sanktionen – umfassende Einfuhr- und Ausfuhrverbote sowie Beschränkungen im Finanz- und Dienstleistungssektor.
Aktuell beabsichtigt die EU die Einführung von Zöllen auf eine Reihe von Agrarerzeugnissen aus Russland und Weißrussland sowie auf bestimmte Düngemittel auf Stickstoffbasis. Damit soll die Abhängigkeit von Einfuhren aus Russland und Weißrussland weiter verringert werden.
Ob und inwieweit die neue Bundesregierung auf eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Russland und Weißrussland hinwirken wird, bleibt abzuwarten.
Die neue Regierung möchte die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung strategisch ausrichten und finanziell stärken. Die klimapolitischen Sektorleitlinien sollen flexibilisiert werden. Mit der Investorenkonferenz der Bundesregierung soll an innovative ausländische Unternehmen wie auch internationale Investoren und Talente ein Willkommenssignal gesendet werden.
Die China-Strategie möchte die künftige Regierung nach dem Prinzip des „De-Riskings“ überarbeiten. Sie will im Bundestag eine Experten-Kommission einsetzen, die in einem jährlichen Bericht Risiken, Abhängigkeiten und Vulnerabilitäten in den wirtschaftlichen Beziehungen analysiert, darstellt und Maßnahmen zum De-Risking empfiehlt.
Nicht erst seit dem Einstieg einer chinesischen Staatsreederei bei einem Hamburger Containerterminal im Jahr 2022 gelten Unternehmen aus China im Rahmen der Investitionskontrolle – aufgrund des möglichen Regierungseinflusses – als potenziell kritische Investoren. So wurde bereits im Jahr 2016 die Übernahme eines deutschen Robotik-Pioniers in der Öffentlichkeit kritisch betrachtet. Auch den Einstieg eines chinesischen Unternehmens bei einem deutschen Stromnetzbetreiber hat die Bundesregierung 2018 verhindert.
Es ist damit zu rechnen, dass Investitionen durch chinesische Unternehmen auch in Zukunft einer besonders kritischen Prüfung unterzogen werden und etwaige Investitionsprüfverfahren mehr Zeit in Anspruch nehmen können.
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