Der Frage, ob Einmalzusagen in den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 4 Satz 3 LHG fallen und einen möglichen Anspruch des Hochschullehrers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Hochschule über die Wiederzuweisung von Ressourcen begründen, widmet sich die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Kurzum: Es geht um die Reichweite von Bleibeangeboten.
Worum ging es?
Im Rahmen des Berufungsverfahrens setzte sich der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit folgendem Fall auseinander:
Der Kläger wurde im April 2007 zum W3-Professor für theoretische Physik bei der Beklagten berufen. Er begehrt die weitere Ausstattung seines Lehrstuhls auf der Grundlage eines „Bleibeangebots“ der Beklagten.
Im Oktober 2009 reichte der Kläger ein Konzeptpapier mit seinen Forderungen ein und fügte diesem Schreiben bei, aus denen sich die ihm dort angebotenen personellen und sachlichen Mittel ergaben. Im Anschluss an Gespräche des Klägers mit dem Rektor der Beklagten sowie dem Dekan der physikalischen Universität am 09.12.2009 unterbreitete der Rektor dem Kläger unter dem 23.12.2009 ein schriftliches „Bleibeangebot“. In diesem teilte er einleitend mit, das Rektorat habe die Ausstattungs- und Besoldungswünsche des Klägers erörtert und er freue sich, die in diesem Schreiben genannten Ressourcen „gemäß § 48 Absatz 5 des Landeshochschulgesetzes“ zusagen zu können.
Mit Schreiben vom 20.01.2010 präzisierte der Rektor das „Bleibeangebot“ vom 23.12.2009 auf ein Schreiben des Klägers vom 31.12.2009 dahingehend, dass sich die Erhöhung der Zuweisung von Wissenschaftlerstellen von bisher 2,0 auf künftig bis zu 3,0 Stellen bezüglich der Hilfskraftmittel für die Professur nicht nachteilig auswirke. Der Kläger nahm das „verbesserte Angebot“ mit Schreiben vom 02.02.2010 an; in den folgenden fünf Jahren erhielt er sodann vereinbarungsgemäß die ihm zugesagten Mittel.
In dem anschließenden Verfahren um die Wiederzuweisung von Ressourcen teilte der Rektor dem Rektorat in der Sitzung vom 29.04.2015 mit, er habe den Antrag des Klägers geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um einen Fall handele, bei dem „ohne ausführliche inhaltliche Rektoratsbehandlung“ die bisher bereitgestellte personelle und sachliche Ausstattung in unveränderter Höhe für weitere fünf Jahre oder – sollte dieser Fall früher eintreten – bis zum Erreichen des regulären Ruhestands wiederzugewiesen werden könne. Über diesen Beschluss setzte der Rektor den Kläger mit Schreiben vom 29.04.2015 in Kenntnis. Ergänzend wies er ihn darauf hin, dass der neue fünfjährige Befristungszeitraum für die Ressourcenzusage zum 01.02.2020 ende.
Der Kläger widersprach der Entscheidung des Rektorats mit Schreiben vom 03.07.2015 und vom 24.11.2016. Der Rektor wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2017 zurück. Die Beklagte unterscheide in ihrer Verwaltungspraxis bei ihren Angeboten generell zwischen einmalig und/oder befristet gewährten Ressourcen im Gegensatz zur laufenden Ausstattung.
Mit seiner am 03.05.2017 erhobenen Klage hat der Kläger sein Wiederzuweisungsbegehren hinsichtlich der Kostenpositionen „Personalmittel für fünf Jahre im Umfang einer halben E13-Stelle“, „einmalige Sachmittel (25.000 EUR)“, „Bürogeräte/IT-Ausstattung (50.000 EUR)“ und „Räume/Renovierung/Mobiliar (20.000 EUR)“ weiterverfolgt. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Beklagte mit Urteil vom 18.07.2018 unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 29.04.2015 und ihres Widerspruchsbescheids vom 03.04.2017 verpflichtet, über die Bewilligung der in Rede stehenden vier Kostenpositionen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen das am 07.08.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.08.2018 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und begründet. Die vier streitgegenständlichen Ausstattungspositionen seien dem Kläger im Rahmen der Bleibeverhandlungen als einmalige Finanzmittel gewährt worden und hätten daher von vornherein nicht der Prüfung auf Wiederzuweisung nach Ablauf von fünf Jahren unterlegen.
Zur Begründung seiner Anschlussberufung trägt der Kläger vor, er habe nach § 48 Abs. 4 Satz 3 LHG einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die erneut zu gewährenden Mittel. Der Wortlaut der Norm beziehe sich mit dem gewählten Oberbegriff der „Ausstattung“ sowohl auf die Grundausstattung als auch auf Einmalzahlungen. Auch die systematische Stellung spreche für eine einheitliche Beurteilung des Ausstattungsbegriffs. Sowohl in § 48 Abs. 4 Satz 1 LHG als auch in § 48 Abs. 4 Satz 3 LHG finde sich die identische Formulierung. Dadurch werde der Wille des Gesetzgebers deutlich, einen einheitlichen Begriff zu verwenden. Ein Mangel an Flexibilität für die Hochschulen sei nicht zu befürchten.
Wie entschied der VGH?
Das wichtigste Ergebnis des Rechtsstreits: § 48 Abs. 4 Satz 3 LHG begründet keinen Anspruch auf Wiederzuweisung der Ressourcen, unabhängig davon, ob Berufungsvereinbarungen und Ausstattungszusagen – als Zusicherung i.S.d. § 38 LVwVfG oder öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß §§ 54 ff. LVwVfG – zu qualifizieren sind
Nach der Prüfung der Sach- und Rechtslage kam der Senat des Verwaltungsgerichtshofs zum Ergebnis, die die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht Freiburg habe zutreffend angenommen, dass der Kläger keinen – mit dem Hauptantrag verfolgten – Anspruch auf die streitgegenständliche weitere Ausstattung seines Lehrstuhls hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem „Bleibeangebot“ der Beklagten vom 23.12.2009 in der Fassung vom 20.01.2010.
Der Verwaltungsgerichtshof wies in der Begründung der Entscheidung darauf hin, dass die Frage nach der Rechtsnatur von Berufungsvereinbarungen und Ausstattungszusagen – als Zusicherung i.S.d. § 38 LVwVfG oder öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß §§ 54 ff. LVwVfG – in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt sei.
Aus dem „Bleibeangebot“ der Beklagten könne ein Anspruch bereits deshalb nicht abgeleitet werden, da dessen „Laufzeit verstrichen“ ist. Eine Auslegung des „Bleibeangebots“ ergebe, dass Ansprüche des Klägers lediglich für einen maximalen Zeitraum von fünf Jahren nach Abschluss der Vereinbarung bzw. Wirksamwerden der Zusage begründet werden sollten. Der Inhalt sowohl eines Verwaltungsakts als auch eines öffentlich-rechtlichen Vertrags sei nach den für Willenserklärungen allgemein geltenden Grundsätzen entsprechend den §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei sei der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger von seinem Standpunkt aus bei objektiv Würdigung verstehen konnte. Gemessen an diesen Grundsätzen habe sich die Beklagte nicht länger als für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren binden wollen. Dies könne bereits dem einleitenden, alle Kostenpositionen betreffenden Hinweis auf die Zusage „gemäß § 48 Abs. 5 Landeshochschulgesetz“ entnommen werden. Damit war § 48 Abs. 5 des Landeshochschulgesetzes vom 01.01.2005 in der damals gültigen Fassung vom 03.12.2008 – LHG a.F. – in Bezug genommen.
Einen Anspruch auf weitere Ausstattung seines Lehrstuhls könne der Kläger ferner weder aus dem Landeshochschulgesetz, das keine entsprechende Anspruchsgrundlage enthält, noch unmittelbar aus der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Absatz 3 Satz 1 GG herleiten. Die Wissenschaftsfreiheit sichere als (derivativer) Teilhabeanspruch dem einzelnen Hochschullehrer bei der Verteilung staatlicher Mittel nur die Zuteilung einer Grund- oder Mindestausstattung, mit der sichergestellt werde, dass er überhaupt in die Lage versetzt werde, wissenschaftliche Forschung und Lehre zu betreiben.
Nach Maßgabe des – als Anspruchsgrundlage für den Neubescheidungsanspruch allein in Betracht kommenden – § 48 Abs. 4 Satz 3 LHG n.F. (§ 48 Abs. 5 Satz 3 LHG a.F.) seien die Zusagen über die personelle und sachliche Ausstattung der Aufgabenbereiche von Professoren im Rahmen von Berufungs- und Bleibeverhandlungen auf maximal fünf Jahre zu befristen und von der Hochschule jeweils nach Ablauf von fünf weiteren Jahren im Hinblick auf die Maßgaben von § 13 Abs. 2 LHG zu überprüfen. Bereits der Wortlaut des § 48 Abs. 4 Satz 3 LHG lege nahe, dass sich die – mit einem subjektiven Recht des Lehrstuhlinhabers korrespondierende – „Überprüfungspflicht“ nicht auf Einmalzusagen beziehen könne. Dies ergebe sich daraus, dass die Bestimmung kumulativ das Erfordernis einer Befristung auf maximal fünf Jahre und einen Überprüfungsanspruch nach fünf „weiteren“ Jahren normiere. Mit einer Einmalzusage, die sich auch auf eine befristete Leistung beziehen könne, gebe die Hochschule aber klar zu erkennen, dass der Begünstigte aus ihren weitergehenden Ansprüchen für die Zukunft nicht ableiten könne. In einem solchen Fall sei deshalb auch für die von der Vorschrift vorausgesetzte Überprüfungspflicht der Hochschule nach Ablauf des Befristungszeitraums kein Raum. Da die Beklagte in ihrem „Bleibeangebot“ nach alledem die weitere Kostenpositionen lediglich einmalig zugesagt habe, habe sie diese bei der Wiederzuweisungsentscheidung nach § 48 Abs. 4 Satz 3 LHG unberücksichtigt lassen dürfen.
Senior Associate
Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg
tel: +49 40 3609945162
jhornbostel@kpmg-law.com
© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.
KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.