VG München: Einholung auswärtiger und vergleichender Gutachten sowie Einsatz externer Personalberatungsfirma in der Vorbereitung eines Berufungsvorschlags für die Besetzung einer Hochschulprofessur
In Kürze
Das VG München (Beschluss vom 11.11.2020 – M 5 E 20/2270) entschied, dass es im Ermessen des Berufungsausschusses stehe, im Berufungsverfahren zur Vorbereitung des Berufungsvorschlags zunächst einige Kandidaten als „vorläufig nicht listenfähig“ zu bestimmen, diese Kandidaten aber trotzdem noch auswärtig und vergleichend begutachten zu lassen. Darüber hinaus dürfe der Berufungsausschuss auch eine externe Personalberatungsfirma zur Vorbereitung des Berufungsvorschlags heranziehen.
Hintergrund
Ein Bewerber um eine W2-Professur für Französisch mit den Schwerpunkten Wirtschaftsfranzösisch und Kultur- und Länderstudien des frankophonen Raums an einer Hochschule wurde nicht in die Berufungsliste aufgenommen. Er wehrte sich gegen diese Entscheidung, insbesondere deshalb, weil sie verfahrenswidrig zustande gekommen sei. So seien in der Vorbereitung des Berufungsvorschlags auswärtige vergleichende Gutachten auch für solche Bewerber eingeholt worden, die bereits – wie der Antragsteller – durch den Berufungsausschuss als „vorläufig nicht listenfähig“ eingestuft worden waren. Außerdem hätte keine externe Personalberatungsfirma in die Entscheidung einbezogen werden dürfen. Die externen Gutachter hatten den Bewerber als „nicht geeignet“ eingestuft; in der Gesamteinschätzung der Personalberatungsfirma hatte er unter allen Bewerbern den letzten Platz belegt, war aber noch als „geeignet“ bewertet worden.
Entscheidung
Sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Konkurrentenstreitverfahren wurde jedoch zurückgewiesen. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er aus seinem Bewerbungsverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 94 Abs. 2 S. 2 Bayerische Verfassung einen Anspruch darauf habe, dass über seine Bewerbung erneut entschieden und die Stelle zunächst nicht besetzt werde. Denn die Auswahlentscheidung der Berufungskommission sei verfahrensfehlerfrei im mehrstufigen Berufungsverfahren nach Art. 18 BayHSchPG zustande gekommen.
Insbesondere halte sich die Einholung auswärtiger und vergleichender Gutachten auch zu den als nicht listenfähig eingeschätzten Bewerbern im rechtlichen Rahmen und sei nicht zu beanstanden.
Nach Art. 18 Abs. 4 S. 5 BayHSchPG stelle der Berufungsausschuss unter Einholung auswärtiger und vergleichender Gutachten einen Berufungsvorschlag auf, der drei Namen enthalten solle.
Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck dieser Regelung könne jedoch entnommen werden, dass diese Gutachten nur für listenfähige Kandidaten eingeholt werden dürften. Zwar werde es in der Regel weniger sinnvoll sein, ein Gutachten für einen Bewerber erstellen zu lassen, der bereits als nicht listenfähig eingeordnet worden sei. Grundsätzlich stehe es jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsausschusses zu entscheiden, welche Quellen er benötige, um sich ein umfassendes Bild über den Bewerberkreis zu machen. Vorliegend habe der Berufungsausschuss nur vorläufig über die Listenfähigkeit der Bewerber entschieden und sich eine abschließende Entscheidung nach Vorliegen der Gutachten, Stellungnahmen etc. vorbehalten. Dagegen sei rechtlich nichts zu erinnern.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers hätten die auswärtigen Gutachten die Bewerber auch miteinander vergleichen sollen. Nach dem Gesetz sollten „auswärtige vergleichende Gutachten“ eingeholt werden. Die Einholung „vergleichender“ Gutachten meine, dass das jeweilige Gutachten zunächst jeden Kandidaten anhand der Beurteilungskriterien begutachten müsse und sodann die Kandidaten untereinander.
Auch das Argument, dass es für die Durchführung von Personalgesprächen mit den Bewerbern durch von der Hochschule beauftragte Personalberater keine rechtliche Grundlage gebe, könne nicht überzeugen. Art. 18 Abs. 4 S. 5 BayHSchPG enthalte mit Ausnahme der in S. 5 normierten Verpflichtung, auswärtige und vergleichende Gutachten einzuholen, keine weiteren Vorgaben, welche Erkenntnisquellen der Berufungsausschuss seiner Entscheidung zugrunde zu legen habe. Es sei deshalb in das pflichtgemäße Ermessen des Berufungsausschusses gestellt, zu entscheiden, welche Quellen er benötige, um sich ein umfassendes Bild über den Bewerberkreis zu machen. So könnten beispielsweise psychologische Gutachten, Persönlichkeitstestests o.ä. mit den Bewerbern durchgeführt werden.
Dass die Personalgutachten das Bild der Bewerber verzerrt darstellen würden, da die Anzahl an bewerteten Kompetenzen je nach Personal unterschiedlich ausfalle, sei nicht substantiiert dargelegt. Nach dem Vortrag des Antragsgegners seien die dargestellten relativen Stärken und Schwächen der Bewerber darauf zurückzuführen, dass im Rahmen der Personalbegutachtung jeweils die gesamte Persönlichkeit bewertet werde. Dagegen sei rechtlich nichts zu erinnern.
Was kann der Leser mitnehmen?
Die Entscheidung zeigt, dass die für die Erbringung von Berufungsvorschlägen zuständigen Gremien einen Ermessensspielraum bei der Gestaltung des Entscheidungsprozesses haben, wenn keine ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben bestehen. Dies bedeutet auch, dass die Gestaltung des Entscheidungsprozesses durch die Verwaltungsgerichte nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. § 114 VwGO).
Die Ausübung des Ermessens des Berufungsausschusses kann etwa beinhalten, Kandidaten für nur „vorläufig“ nicht listenfähig zu erklären, aber die auswärtigen vergleichenden Gutachten noch abzuwarten.
Auch der Einsatz externer Personalberatungsfirmen im Entscheidungsprozess kann zulässiger Bestandteil des Entscheidungsprozesses sein, ohne dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage hierzu bedarf.
Da die Einholung auswärtiger und/oder vergleichender Gutachten auch in anderen Bundesländern zum Berufungsverfahren bei Hochschulprofessoren gehört (vgl. z.B. § 38 Abs. 3 S. 2 HochschulG NRW, § 13 BerufungsO Universität Hamburg), ist die vorliegende Entscheidung auch dort von Bedeutung.
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