VG München: Begründungsdefizit bei Auswahlentscheidung
Sachverhalt: Ein Bewerber für eine W2-Professur an einer bayrischen Hochschule wurde als „nicht listenfähig“ eingestuft und seine Bewerbung abgelehnt. Der Bewerber habe in seinen Lehrproben fachlich und pädagogisch nicht überzeugt. Gegen den Bescheid über die Absage legte der Bewerber zunächst erfolglos Widerspruch ein und erhob sodann Klage. Die Auswahlentscheidung sei seiner Meinung nach nicht hinreichend dokumentiert worden, beziehe sich lediglich auf die Lehrproben und schließe die sonstigen Bewerbungsunterlagen nicht mit ein. Zudem sei die Bewertung seiner pädagogischen Eignung fehlerhaft. Bis zur Entscheidung über die Hauptsache beantragte der Bewerber, der Hochschule im Wege einer einstweiligen Anordnung die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle zu untersagen. Das Verwaltungsgericht München erklärte diesen Antrag für zulässig sowie begründet (VG München, Beschl. v. 18.10.2018, Az.: M 5 E 18.1230).
Entscheidungsgründe: Der Antragsteller habe sowohl das Bedürfnis für die Inanspruchnahme vor-läufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Hauptsacheverfahren (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung). Das Gericht führte aus, die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit einer anderen Bewerberin stehe kurz bevor, sofern es dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutzes nicht stattgebe. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers lasse sich jedoch nur effektiv sichern solange die Besetzung der Stelle noch nicht erfolgt sei, sodass ein Anordnungsgrund vorliege. Zwar stehe der Hochschule aufgrund der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG eine besondere Beurteilungskompetenz hin-sichtlich der fachwissenschaftlichen Qualifikation des Bewerbers zu, die Grundsätze für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren würden hier aber in gleicher Weise gelten. Erweise sich eine Auswahlentscheidung als ermessens- oder beurteilungsfehlerhaft, habe der unterlegene, nicht offensichtlich chancenlose Bewerber einen Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung neu entschieden und die ausgeschriebene Stelle vorläufig nicht besetzt werde. Um die Auswahlentscheidung diesbezüglich überprüfen und nachvollziehen zu können, sowohl seitens des unterlegenen Bewerbers als auch der Gerichte, sei eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen notwendig. Die hier lediglich pauschale Bezugnahme auf die Lehrproben im Protokoll der Sitzung des Berufungsausschusses genüge diesen Anforderungen nicht. Die wesentlichen Gründe für die Qualifizierung als „nicht listenfähig“ blieben unklar. Zumindest eine stichwortartige Zusammenfassung der Lehrproben sowie die Darlegung der angewandten und gewichteten Auswahlkriterien seien erforderlich. Auch in der „Bewerbungsliste mit Ablehnungsgründen“ fände sich nur eine pauschale Begründung, die sogar wortgleich bei einer anderen Bewerberin zu lesen sei. Ob diese Liste überhaupt als Dokumentation der Auswahlentscheidung angesehen werden könne, sei mangels der Angabe von Ausstellungsdatum und Autoren ohnehin fraglich. Zudem gebe es keine Bezugnahme auf die sonstigen Bewerbungsunterlagen außer-halb der Lehrproben. Jedenfalls eine ansatzweise Auseinandersetzung mit diesen hätte bei der Auswahlentscheidung erfolgen müssen.
Bedeutung für die Praxis: Das Verwaltungsgericht betont die besondere Beurteilungskompetenz von Hochschulen aufgrund von Art. 5 Abs. 3 GG hinsichtlich der fachwissenschaftlichen Qualifikation der Bewerber. Diese entbindet die Hochschulen jedoch nicht von einer nachvollziehbaren, individuellen Dokumentation der Auswahlentscheidung. Im Rahmen von Stellenbesetzungsverfahren sollte also ausreichend Zeit und Mühe für diese Dokumentation aufgebracht werden. Durch eine sorgfältige Darlegung der Auswahlerwägungen können Rechtsstreite über Besetzungsverfahren vermieden und eine effektive Stellenbesetzung sichergestellt werden.
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