Rechtspolitische Aktualität:
Wissenschaftseinrichtungen der öffentlichen Hand haben bei der Zusammenarbeit mit ihren Ausgründungen zwei Möglichkeiten, auf welchem Wege sie diese ausgestalten können. Zum einen besteht die Möglichkeit der Weitergabe von Fördermitteln, welche sich nach dem EU-Beihilferecht bestimmt. Diese Thematik wurde bereits im ersten Teil dieser Beitragsreihe erläutert. Die andere Variante ist die Vergabe eines öffentlichen Auftrages. In diesem Fall kommt das Vergaberecht zum Tragen.
Vergaberechtliche Besonderheiten im Einzelnen:
Öffentliche Wissenschaftseinrichtungen müssen bei der Zusammenarbeit mit ihren Ausgründungen im Wege des öffentlichen Auftrages das Vergaberecht berücksichtigen. Allerdings gibt es bestimmte Bereichsausnahmen aus dem Kartellvergaberecht hierzu, welche nachfolgend dargestellt und untersucht werden.
So regelt beispielsweise der § 116 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) für den Oberschwellenbereich, dass das Vergaberecht nicht anzuwenden ist, soweit es sich um Dienstleistungen handelt, die als Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen einzuordnen sind. Sinn und Zweck der Bereichsausnahme ist es, Forschung und Entwicklung durch staatliche und private Investitionen möglichst ungehindert zu fördern. Auf Lieferleistungen ist diese Ausnahme jedoch nicht anwendbar. Unterhalb der Schwellenwerte verweist die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in § 1 Abs. 2 auf die Bereichsausnahmen des Oberschwellenbereiches. Folglich gilt die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB auch im Unterschwellenbereich.
Was jedoch genau unter die Begriffe „Forschung“ und „Entwicklung“ fällt, ist rechtlich nicht klar definiert. Lediglich Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2009/81/EG enthält hierzu einen Hinweis. Danach ist unter Forschung die systematische Suche nach neuen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen unter Verwendung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden in geplanter Form zu verstehen. Der Begriff der Forschung umfasst somit neben der Grundlagenforschung auch die angewandte Forschung. Entwicklung umfasst Arbeiten auf der Grundlage von vorhandenen, aus Forschung und/oder praktischer Erfahrung gewonnenen Kenntnissen zur Initiierung der Herstellung neuer Materialien, Produkte oder Geräte, zur Entwicklung neuer Verfahren, Systeme und Dienstleistungen oder zur erheblichen Verbesserung des bereits Vorhandenen.
Die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB setzt jedoch auch voraus, dass die Rückausnahme des zweiten Halbsatzes nicht greift. Danach dürfen zunächst keine Aufträge nach den dort genannten Referenznummern des „Common Procurement Vocabulary“ vorliegen. Diese Nummern werden in der Verordnung 213/2008/EG definiert und umfassen verschiedene Dienstleistungen und Güter, die im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen vorkommen. Zudem dürfen nicht die beiden Voraussetzungen der Rückausnahme gem. § 116 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz lit. a) und b) GWB vorliegen. Danach dürfen die Ergebnisse nicht ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit werden und die Dienstleistung darf nicht vollständig durch den Auftraggeber vergütet werden. Bei der Definition des Eigentums kommt es hierbei darauf an, ob der Auftraggeber ein ausschließliches Nutzungsrecht erwirbt. Ein reines Informieren der Allgemeinheit über die erlangten Ergebnisse genügt dabei nicht, um den Eigentumsbegriff abzuwenden.
Auch § 108 GWB regelt einen Ausnahmetatbestand, welcher die Anwendung des Vergaberechtes ausschließt. Dort ist die sogenannte öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit („Kooperation“) geregelt. Für die Zusammenarbeit von Wissenschaftseinrichtungen der öffentlichen Hand mit ihren Ausgründungen kann Abs. 6 der vorgenannten GWB-Regelung in Betracht kommen. Jedoch fallen die ausschließlich privatwirtschaftlich tätigen Start-ups, welche nicht durch öffentliche Stellen finanziert werden und auch nicht ihrer Aufsicht unterliegen, nicht unter diese Ausnahmeregelung. Auch eine Vereinsgründung der öffentlichen Wissenschaftseinrichtung mit ihrer Ausgründung führt nur zur Vergabefreiheit, soweit die Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe vorliegen. Danach muss der öffentliche Auftraggeber eine dienstähnliche Kontrolle über den Verein ausüben, der Verein muss zudem mit mehr als 80 % seiner Dienste für den öffentlichen Auftraggeber tätig werden und es darf keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person vorliegen. Zuletzt ist noch die Möglichkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 14 Abs. 4 Nr. 4 Vergabeverordnung (VgV) in Betracht zu ziehen, falls die Ausnahme gem. § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht einschlägig ist.
Die Inanspruchnahme einer Ausnahme der Vergabepflicht birgt jedoch auch das Risiko, dass unberücksichtigte Bewerber ein Nachprüfungsverfahrens bzw. die Feststellung der Nichtigkeit des Vertragsschlusses anstreben. Um dieses Risiko zu minimieren, kommt sowohl die Möglichkeit der freiwilligen ex ante-Transparenzbekanntmachung gem. § 135 Abs. 3 GWB, als auch der ex post-Bekanntmachung gem. § 135 Abs. 2 GWB in Betracht.
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