Suche
Contact
03.06.2021 | KPMG Law Insights

Überweisung am dritten Werktag genügt, aber nur im Wohnraummietrecht

Überweisung am dritten Werktag genügt, aber nur im Wohnraummietrecht

Wenn ein Mieter den Überweisungsauftrag für die Miete bis zum dritten Werktag eines Monats erteilt, reicht dies für eine rechtzeitige Zahlung aus. Dies gilt jedoch nicht im Bereich des gewerblichen Mietrechts.

 

Urteil des BGH vom 5. Oktober 2016

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung genügt, wenn der Mieter seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktag eines Monats erteilt (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016, VIII ZR 222/15). Dieses Urteil bezog sich auf ein Wohnraummietverhältnis. Dagegen ist es im Bereich des gewerblichen Mietrechts vor dem Hintergrund der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug (nachfolgend „Zahlungsverzugsrichtlinie“) entscheidend, dass die Miete dem Konto des Vermieters am fraglichen Tag gutgeschrieben wird.

Ausgangsfall

Eine Mieterin zahlte in mehreren aufeinanderfolgenden Monaten ihre Miete spätestens am dritten Werktag des Monats bar bei ihrem Zahlungsdienstleister, der Deutsche Post AG, ein und erteilte zugleich einen Überweisungsauftrag. Die Miete ging bei der Vermieterin erst nach dem dritten Werktag ein, woraufhin die Vermieterin das Mietverhältnis wegen verspäteter Mietzahlungen fristlos, hilfsweise fristgerecht kündigte. Die Kündigung erfolgte unter Verweis auf § 4 des Mietvertrages, welcher unter anderem ausführte, dass die Miete „monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats an den Vermieter… zu zahlen“ sei und es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung „nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes“ ankäme.

Urteilsgründe

Der BGH sah die Kündigungen als unwirksam an, weil die Mieterin die Miete jeweils pünktlich spätestens am dritten Werktag des Monats gezahlt habe. Gemäß § 556b Abs. 1 BGB sei entscheidend, dass die Mieterin die Leistungshandlung (Überweisungsauftrag) jeweils bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommen habe. Auf einen späteren Eingang der Miete bei der Vermieterin komme es hingegen nicht an.

Auch aus der vorgenannten mietvertraglichen Regelung ergibt sich nach Auffassung des BGH keine andere Bewertung. Die Formularklausel sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Mieterin unwirksam, weil sie abweichend von § 556b Abs. 1 BGB dem Mieter das Risiko von Zahlungsverzögerungen im Überweisungsverkehr auferlege, die durch den Zahlungsdienstleister verursacht worden sind.

Hintergründe

§ 556b BGB
Der BGH führt in seiner Urteilsbegründung weiter aus, dass die Miete gemäß § 556b Abs. 1 BGB zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag des Zeitabschnitts zu entrichten ist, nach dem sie bemessen ist. Dies entspricht dem ersten Teil der Klausel in § 4 des Mietvertrages, wonach die Miete spätestens am dritten Werktag an den Vermieter zu zahlen ist. Der Begriff des Entrichtens ist als Synonym für das Bezahlen zu verstehen und auch die Gesetzesmaterialien zu § 556b Abs. 1 BGB enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Eingang der Miete auf dem Konto des Vermieters für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung maßgeblich sein soll.

Zahlungsverzugsrichtlinie

Entgegen der Ansicht einzelner Instanzgerichte ändert nach Auffassung des BGH die Zahlungsverzugsrichtlinie an dieser Bewertung nichts.

So hatte z.B. das Landgericht Lüneburg mit Urteil vom 28. April 2015, 9 S 109/14, aus der Zahlungsrichtlinie und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hergeleitet, dass die Mietschuld als (modifizierte) Bringschuld anzusehen sei und die Wohnraummiete bis zum dritten Werktag des Monats dem Konto des Vermieters gutgeschrieben sein müsse. Diese Herleitung betrachtet der BGH unter anderem deswegen als verfehlt, weil Mietverträge mit Verbrauchern nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen. Diese soll der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr dienen und ist daher in Ihrer Anwendung auf den Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen beschränkt.

Auswirkungen des Urteils auf Gewerberaummietverträge

Im Bereich des gewerblichen Mietrechts ist hingegen der Anwendungsbereich der Zahlungsrichtlinie eröffnet, weil der Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen betroffen ist. Für diesen Bereich hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Zeitpunkt, welcher für die Beurteilung maßgeblich ist, ob eine Zahlung durch Banküberweisung als rechtzeitig bewirkt anzusehen ist, der Zeitpunkt ist, zu dem der geschuldete Betrag auf dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird (EuGH, Urteil vom 3. April 2008, C-306/06, Slg. 2008, I-1923, Rn. 28). Demnach muss vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung bei gewerblichen Mietverträgen die Miete bis zum dritten Werktag des Monats bei der Bank des Vermieters eingegangen bzw. seinem Konto gutgeschrieben worden sein.

Allerdings treffen den Schuldner im Falle eines Verzuges die Verzugsfolgen gemäß der Zahlungsverzugsrichtlinie dann nicht, wenn er für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich ist, vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Halbsatz 2 der Zahlungsverzugsrichtlinie. Demnach darf auch nach der Zahlungsverzugsrichtlinie der Schuldner nicht für Verzögerungen im Überweisungsverkehr verantwortlich gemacht werden, welche im Bereich der beteiligten Banken liegen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Zahlungsverzug nicht Folge des Verhaltens des Mieters ist und er den üblicherweise für die Durchführung der Banküberweisung erforderlichen Fristen sorgfältig Rechnung getragen hat (EuGH, Urteil vom 3. April 2008, C-306/06, aaO, Rn. 30)

Formularvertragliche Regelungen betreffend den Zeitpunkt der Mietzahlung in Gewerberaummietverträgen

Viele Muster von gewerblichen Mietverträgen beinhalten Klauseln, welche für die Rechtzeitigkeit der Zahlung der Miete auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters abstellen. Auch vor dem Hintergrund des zuvor zitierten Urteils des BGH bestehen gegen solche Klauseln keine Wirksamkeitsbedenken, weil im Bereich des gewerblichen Mietrechts der Anwendungsbereich der Zahlungsrichtlinie eröffnet ist.

Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Gewerberaummieter gemäß der Zahlungsverzugsrichtlinie dann nicht für Verzögerungen des Überweisungsverkehrs verantwortlich ist, wenn der Grund für die Verzögerung im Bereich der beteiligten Banken liegt, sollte die vorgenannte Klausel wonach es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung der Miete auf den Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters ankommt dahingehend eingeschränkt werden, dass dies dann nicht gelten kann, wenn der Mieter die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Die hierin liegende Beweislastregelung zum Nachteil des Mieters dürfte nicht unangemessen benachteiligend sein.

Explore #more

29.01.2025 | KPMG Law Insights

Grüner Wasserstoff aus Abwasser – rechtliche Hürden bei der Herstellung

Wasserstoff liefert deutlich mehr Energie als Benzin oder Diesel. Wird er mit erneuerbaren Energien hergestellt, kann Wasserstoff einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Erst vor…

29.01.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law begleitet HWP beim Erwerb der Hydro-Tech GmbH

Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) hat die HWP Handwerkspartner Gruppe (HWP) beim Erwerb der Hydro-Tech GmbH Hochdruck- und Reinigungstechniken Maler und Betoninstandsetzungsarbeiten (Hydro-Tech)…

29.01.2025 | KPMG Law Insights

Was die Green Claims Directive für Unternehmen bedeutet – ein Überblick

Mit der Green Claims Directive wird die EU umfangreiche Regelungen zu den Voraussetzungen zulässiger Umweltaussagen einführen. Das Ziel ist, Greenwashing zu verhindern, damit Verbraucher:innen künftig…

27.01.2025 | In den Medien

Merger control and national security: key considerations for corporate transactions

Financier Worldwide discusses key merger control and national security considerations for corporate transactions with Lisa Navarro, Stuart Bedford, Gerrit Rixen (KPMG Law Germany), Helen Roxburgh…

24.01.2025 | In den Medien

Gastbeitrag in der ESGZ: Chancen mit Diskriminierungsrisiken: KI im Bereich Human Resources

Künstliche Intelligenz (KI) ist nicht länger Zukunftsmusik, sondern verändert bereits die Arbeitswelt in rasantem Tempo. Unternehmen setzen zunehmend auf KI-basierte Lösungen, um Prozesse zu optimieren…

24.01.2025 | Dealmeldungen

KPMG Law berät DKB bei Joint Ventures mit Sparkassen-Finanzgruppe im Kreditprocessing

KPMG Law berät die Deutsche Kreditbank AG (DKB) bei der Errichtung eines Joint Ventures im Bereich Kreditkartenprocessing mit Gesellschaften der Sparkassen-Finanzgruppe. Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft…

24.01.2025 | KPMG Law Insights

Tübinger Verpackungssteuersatzung ist verfassungsgemäß

Die Tübinger Verpackungssteuer ist verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verpackungssteuersatzung der Universitätsstadt Tübingen zurückgewiesen. Der Beschluss vom 27. November 2024 (1 BvR

22.01.2025 | KPMG Law Insights

Die EU-Verpackungsverordnung macht strenge Vorgaben für Verpackungen

Die Verpackungsverordnung tritt am 11. Februar 2025 in Kraft. Nachdem das Europäische Parlament bereits am 24. April 2024 den Entwurf der Kommission angenommen hatte, hatten…

22.01.2025 | In den Medien

Interview im Versicherungsmonitor zum Digital Operational Resilience Act (DORA)

Seit dem 17. Januar gelten die Regeln des Digital Operational Resilience Act (DORA), der die europäischen Finanzunternehmen weniger anfällig für IT-Risiken machen soll. Im Interview…

20.01.2025 | KPMG Law Insights

Governance für Bauprojekte – diese fünf Kriterien bestimmen den Erfolg

Immer wieder scheitern große Bauprojekte an demselben Problem. Es fehlt an einer passenden Governance. Die Reformkommission des damaligen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat…

Kontakt

Dr. Rainer Algermissen

Partner
Leiter Bau- und Immobilienrecht

Fuhlentwiete 5
20355 Hamburg

Tel.: +49 40 3609945331
ralgermissen@kpmg-law.com

© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.

KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.

Scroll