Jeder möchte jederzeit online sein. Hierfür soll Bürgern in städtischen Einrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln aber auch privatgeführten Betrieben wie Cafés, Restaurants und Hotels möglichst flächendeckend ein öffentliches WLAN über sog. „Hotspots“ bereitgestellt werden. Was international bereits Wirklichkeit ist, steht in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Grund hierfür ist die sogenannte „Störerhaftung“. Danach kann der Betreiber eines öffentlichen WLANs auf Unterlassung für Rechtsverletzungen, die Dritte über seinen Anschluss tätigen, in die Haftung genommen werden. Dieses Haftungsrisiko steht der flächendeckenden Zurverfügungstellung öffentlicher Hotspots im Wege.
Was hat der Gesetzgeber geändert?
Der Gesetzgeber hat sich darauf beschränkt, die in § 8 Telemediengesetz (TMG) geregelte Haftungsprivilegierung für Access-Provider am 21. Juli 2016 um einen Absatz zu ergänzen:
„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“
Aber was ändert sich hierdurch genau? Kann der Betreiber eines Hotspots zukünftig auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn ein Dritter illegal Musik oder Filme über das Internet verbreitet (sogenanntes „Filesharing“) und sich dabei des Hotspots als Internetzugang bedient? Die Haftung des Access-Providers auf Unterlassung wird von der Gesetzesänderung gerade nicht adressiert. Dabei sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung noch eine Formulierung vor, die die Störerhaftung eindeutig beseitigt hätte, nämlich dass Hotspot-Anbieter nicht wegen Rechtsverletzungen Dritter auf Beseitigung und Unterlassen in Anspruch genommen werden können, sofern sie zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtverletzung zu verhindern.
Im Ergebnis hat der Gesetzgeber sich damit darauf beschränkt, die bisherige Rechtsprechung in Gesetzesform zu gießen. Dass der Betreiber eines WLAN-Anschlusses als Access-Provider zu qualifizieren ist, entspricht ohnehin gängiger Rechtsprechung. Dass ein Access-Provider verschuldensunabhängig auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn ihm die Rechtsverletzung adäquat-kausal zugerechnet werden kann, ergibt sich gerade aus dem Rechtsinstitut der Störerhaftung, welches gerade nicht aufgegeben worden ist.
Was sagt der EuGH dazu?
Der EuGH sah sich mit der Erwartung konfrontiert, hinsichtlich der Störerhaftung dahingehend Licht ins Dunkel zu bringen, ob die bisherige deutsche Rechtsprechung den europäischen Vorgaben widerspreche und aus diesem Grunde die gesetzliche Regelung in Deutschland zugunsten der Betreiber öffentlicher WLAN-Netze ausgelegt werden müsse. In seinem Urteil vom 15.09.2016 (Rs. C-484/14) bestätigt der EuGH jedoch die bisherige deutsche Rechtsprechung zur Störerhaftung als EU-rechtskonform.
So hat der EuGH in seiner Entscheidung bestätigt, dass jeder, der der Öffentlichkeit einen Netzzugang zur Verfügung stellt, als Access-Provider anzusehen ist. Folgerichtig kann dem WLAN-Betreiber aufgrund der Haftungsprivilegierung die reine Zugangsvermittlung nicht vorgeworfen werden. Aber ist damit der WLAN-Betreiber vor jeglicher Inanspruchnahme wegen einer Rechtsverletzung gefeit? Nein! Denn ebenso wie jede andere Person, die am Rechtsverkehr teilnimmt, hat auch ein Access-Provider Sorgfaltspflichten zu beachten. Konkret handelt es sich hierbei um die Verpflichtung, sein WLAN möglichst vor Missbrauch zu schützen. So hat der EuGH in seiner Entscheidung die bisherige (deutsche) Rechtsprechung bestätigt, dass der WLAN-Betreiber auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden kann, auch wenn er weder Täter noch Teilnehmer – mithin bloß Störer – ist. Eine Schadensersatzpflicht setze allerdings ein darüber hinausgehendes Verschulden voraus.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Betreiber von Hotspots?
Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber wurde sicherlich durch die Gesetzesänderung oder das EuGH-Urteil nicht geschaffen. Wie bisher besteht für WLAN- Betreiber das Risiko, hinsichtlich Rechtsverletzungen Dritter auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Dass diese Störerhaftung mit EU-Recht im Einklang steht, hat der EuGH in seiner Entscheidung ausdrücklich bestätigt. Vor Schadensersatzansprüchen schützt die Regelung – wie auch bisher – nur insoweit, als dass dem WLAN-Betreiber kein Vorwurf wegen unzureichender Sicherheit seines WLAN-Zuganges gemacht werden kann. Was genau der WLAN-Betreiber nun machen muss, um eine unberechtigte Nutzung seines WLAN-Zuganges zu verhindern, hat die Rechtsprechung in verschiedenen Entscheidungen ausgeführt: Er hat ihm zumutbaren Maßnahmen nach dem jeweiligen Stand der Technik zur Sicherung des Anschlusses zu ergreifen und sich hierfür notfalls fachlicher Hilfe zu bedienen.
Im Ergebnis bleibt damit alles beim Alten: Der Betreiber eines Hotspots hat die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um einem Missbrauch vorzubeugen. Ist dies anders nicht möglich, so muss er – so jetzt der EuGH – den Zugang durch Passwörter und Authentifizierungen der Nutzer sichern.
Der jederzeitige, direkte und flächendeckende Zugang zum Internet bleibt damit vorerst wohl Zukunftsmusik.
© 2024 KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht und ein Mitglied der globalen KPMG-Organisation unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Limited, einer Private English Company Limited by Guarantee, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten. Für weitere Einzelheiten über die Struktur der globalen Organisation von KPMG besuchen Sie bitte https://home.kpmg/governance.
KPMG International erbringt keine Dienstleistungen für Kunden. Keine Mitgliedsfirma ist befugt, KPMG International oder eine andere Mitgliedsfirma gegenüber Dritten zu verpflichten oder vertraglich zu binden, ebenso wie KPMG International nicht autorisiert ist, andere Mitgliedsfirmen zu verpflichten oder vertraglich zu binden.